Deutschland 2000 · 132 min. · FSK: ab 12 Regie: Joseph Vilsmaier Drehbuch: Christian Pfannenschmidt Kamera: Joseph Vilsmaier Darsteller: Katja Flint, Herbert Knaup, Heino Ferch, Hans Werner Meyer u.a. |
Gestern fern geschaut: Im BR wurde Joseph Vilsmeier zu seinem neuen Film interviewt. Was er denn zu den eher mäßigen Kritiken sagen würde, war eine der Fragen – gar nichts, war die Antwort, denn sowas liest der Meister nicht mehr, weil die Leut' ja sowieso in seine Filme gehen und das in ganz besonders grossen Scharen, wenn die Kritiker am lautesten schimpfen.
Scheisse! Jetzt hätt' man einen so schönen Verriss schreiben können, nachdem man sich über zwei Stunden lang mit diesem Film herumgequält hat (wobei einige Momente unfreiwilliger Komik ein wenig entschädigten) – aber der Sepp liest das gar nicht! [Vielleicht sollte ihm mal jemand stecken, dass man als Regisseur doch zumindest das Buch vor dem Drehen eines Films lesen sollte. Aber vermutlich hat er das Drehbuch sogar gelesen, nur der Sepp ist halt kein Intellektueller, der um »38 Ecken denkt« und so hat er wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass die Dialoge in diesem Buch echte Seifenopernqualität besitzen: »Willst Du berühmt werden... oder glücklich sein?« Aber vielleicht steht der Sepp ja auf Seifenopern, denn der Sepp ist ja bekanntlich kein »um38EckenDenker«]
Scheisse nochmal! Der Sepp wird das hier nie lesen! Jetzt stellt sich wirklich die Frage, ob es sich noch lohnt, darüber zu schreiben, dass die ganze Inszenierung, von der Kamera bis zur Dramaturgie, nicht besser ist als die Dialoge, dass Vilsmeier einmal mehr ein Thema wählte, das untrennbar mit dem Nationalsozialismus verwoben ist, ohne die deutsche Geschichte auch nur ansatzweise differenziert zu behandeln – die Nazis sind halt ein grosser Unfall der Geschichte. Dann braucht man auch nicht mehr darüber schreiben, dass für den Film ein schneidiger Offizier (Heino Ferch) erfunden wurde, der die grosse Liebe der Dietrich gewesen sein soll, und dass diese abstruse Erfindung u.a. dazu dient, die promiskuitive Dietrich als Frau zu domestizieren und den (fahnenflüchtigen) mythisch überhöhten Filmstar nachträglich heim nach Deutschland zu holen, wobei die Überhöhung im Film (so gesehen: Gott sei Dank) kläglich versagt. Man muss dann auch nicht erwähnen, dass Marlene so peinlich schlecht und widerlich reaktionär ist, dass Vilsmeier sich die nächsten Jahre im hintersten und dunkelsten Winkel des Bayerischen Waldes verstecken müsste. Aber das hätte er ja auch schon früher tun müssen und man muss befürchten, dass er es diesmal wieder nicht tut.
Der Sepp wird dies ja ohnehin nicht lesen, deswegen kann man sich es wirklich schenken, darüber zu schreiben.
P.S.: Ach ja, folgende Zitate namhafter Autoren werden vom Sepp auch nicht gelesen, sollten Ihnen aber ein abgerundetes und etwas objektiveres Bild von Marlene vermitteln:
»Vilsmaiers Lüge, besser gesagt: sein Verrat an Marlene Dietrichs Biografie dürfte auch hartgesottene Betrachter fassungslos machen. Man muss hier moralisch argumentieren, weil der Film selber im Gewand der Moral daherkommt, als wahre Geschichte über einen 'Mythos'. Heuchler sind immer besonders ärgerlich, und die zur Offizierswitwe umgedichtete 'Marlene' zieht einem die Schuhe aus, wirklich und wahrhaftig. Im Verhältnis der Deutschen zu ihrem grössten Filmstar hat es schon
manche Peinlichkeit gegeben. Nun gibt es eine mehr.«
Harald Martenstein (Der Tagesspiegel)
»Wie in Stalingrad oder Comedian Harmonists pinselt Vilsmaier ein detailfreudiges Bild, in dem die Vergangenheit sich vornehmlich aus alten Kostümen und Requisiten zusammen setzt. Ein Guckkastenblick auf gute Zeiten, schlechte Zeiten, ein Rama dama, eine jener historischen Aufräumarbeiten, wie sie sonst das Fernsehen fürs öffentliche
Bewusstsein vollbringt. Nicht 'bigger than life', sondern so klein wie der Fernsehschirm. Der Traum vom grossen deutschen Kino – eine Seifenblase aus der Provinz.«
Peter Körte (Frankfurter Rundschau)
»Das Gejammer darüber, dass deutsche Filme im Ausland kein Interesse erzeugen, ist hierzulande nach wie vor gross. Doch so lange man solchen Schrott für Exportware hält, wird sich daran nichts ändern.«
Oliver Rahayel (Film Dienst)
»Es mag aussehen, als sei Vilsmaier der Watschenmann der deutschen Filmkritik. Doch das Problem vieler seiner Arbeiten liegt gerade im Widerspruch zwischen Anspruch und Ergebnis: Es ist dieser Widerspruch, der die Aggressionen auslöst, weil er schmerzhaft demonstriert, welche Chance wieder einmal ungenützt blieb.«
H.G. Pflaum (SZ)
»Vielleicht gehört auch das zur ganzen Wahrheit über Marlene Dietrich: Selbst acht Jahre nach ihrem Tod ist sie noch für eine vaterländische Aufwallung gut, noch immer wollen manche sie zurückerobern.«
Merten Worthmann (Die Zeit)
»Wovon träumt also Marlene? Von einer Vergangenheit und von einer Gegenwart des Kinos. Von einer Frau, 'Marlene Dietrich', die unter anderem das Unversöhnliche ausdrückte, den Riss, den der deutsche Faschismus bedeutete. Und davon, was das deutsche Kino derzeit sein kann, soll oder muss.«
Georg Seesslen (epd Film)