Spanien 2004 · 102 min. · FSK: ab 16 Regie: Brad Anderson Drehbuch: Scott Kosar Kamera: Xavi Giménez Darsteller: Christian Bale, Jennifer Jason Leigh, Aitana Sánchez-Gijón, John Sharian, Michael Ironside u.a. |
Immer werden sie getroffen, die Entscheidungen. Bewusst oder unbewusst, was aber nichts daran ändert, dass jede Entscheidung einen Haufen ungeahnter Konsequenzen mit sich zieht. So auch die Entscheidung, sich der Hauptfigur eines Films dadurch zu nähern, dass ihr Darsteller sich, na ja, verdünnisiert.
The Machinist hatte es vielleicht auch deswegen nicht gerade leicht. In Amerika wollte man ihn nicht produzieren, Verleiher übergingen ihn schlicht. Hauptdarsteller Christian 'American Psycho' Bale hungerte sich für seine Rolle so dünn, dass die Actors Guild – wäre der Film doch, wie ursprünglich geplant, in Amerika produziert worden – wohl Kleinholz aus ihm gemacht hätte.
En fin: Spanien ist das bessere L.A. Dem etwa 1,50 großen Produzenten Julio Fernandez war der Stolz ins Gesicht geschrieben, als er neben Regisseur Brad Anderson auf der Bühne des Zoo-Palastes stand und El Machinista von über Tausend Berlinale-Gästen Standing Ovations bekam. Ein Film, der in L.A. spielt, aber komplett in Spanien gedreht ist – alle Achtung. Geschadet hat es dem verstörenden, betörenden Film nicht, im Gegenteil. Sein künstliches, bis aufs letzte Nummernschild »inszeniertes« L.A. ist viel mehr halluzinogene Twilight Zone, als es das echte je hätte sein können. Und schafft es, dass dieses irritierende Gefühl der entrückten Künstlichkeit den ganzen Film über anhält. Großartig!
Wahrscheinlich ist dies Christan Bales 'role of a lifetime'. Sein dünner Körper der Hauch eines Mannes, bis auf die Rippen entstellt. Ungeahntes minimalistisches Spiel, dazu eine mutige Kamera, die an den knochigen Überresten des Schauspielers entlangstreicht. Robert de Niros Verwandlung zum 'Raging Bull' – und das jüngere Stelldichein großer Hollywood-Diven mit dem Hässlichen ohnehin – sind hiermit eindeutig in den Schatten gestellt. Und trotzdem macht dieser kleine Skandal bei weitem nicht die Besonderheit von The Machinist aus.
Christian Bale ist Trevor Reznik, der gepeinigte Maschinist. Seit einem Jahr kann er nicht mehr schlafen, kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Das Leben ist ein einziger Tagtraum aus grober Maschinenarbeit, dem manischen Reinigen seiner Hände mit Chlorbleiche und mit pünktlicher Regelmäßigkeit begangenen Kaffeepausen am nächtlichen Flughafen-Bistro.
Dann plötzlich taucht Tucker auf. Ein fleischgewordenes Monstrum von einem Mann, fies und grob. Er ist schuld daran, dass Trevor den folgenschweren Arbeitsunfall eines Kollegen verursacht. Zu Hause findet Trevor Zeichnungen von Galgenmännchen am Kühlschrank, seine Arbeitskollegen scheinen sich gegen ihn verschworen zu haben. Einzig die Prostituierte Stevie (Jennifer Jason Leigh: an dieser Stelle ein Plädoyer für den Type Cast!) gewährt dem paranoiden Trevor Zuflucht. Bis der dann die in seinen Wohnzimmerteppich gewickelten Überreste entsorgen will.
Bei allen Thriller-Elementen mutet The Machinist über weite Strecken an wie ein moderner Film Noir, ein Bilderteppich aus entsättigten Farben, in dem Tuckers roter 69er Pontiac Firebird wie ein Schandfleck ins Auge knallt. The Machinist ist manchmal fast Tortur und dabei ein grandioser Film. Einer, der die Unvollständigkeit seiner Handlungsstränge als komplexes Abbild eines kranken Kopfes inszeniert. 'Lügende Rückblende' und 'Springteufelchen-Ende' werden zu mit großer Drehbuchkunst eingewobenen und deswegen komplett legitimierten Bestandteilen der Geschichte, so dass man diese Begriffe eigentlich gar nicht verwenden sollte.
The Machinist – dieser Titel ist irreführend, denn er evoziert Bilder aus dem Universum eines Jeunet, grotesktes Puppenspiel-Kino, Osteuropa-Nostalgie. Das alles ist der Film nicht. Existentialistisch, auch das lässt der Titel anklingen, hingegen schon. The Machinist ist das beklemmend ästhetische Psychogramm eines gequälten Geistes, ist zaghaftes Wechselspiel menschlicher Einsamkeit und der Andeutung einer Bewältigung. Und natürlich lässt sich The Machinist wie so viele Filme der letzten drei Jahre auch als Statement zum amerikanischen Selbstverständnis lesen.
Es gibt einen spanischen Film aus den 50ern, der den Mechanismus der Verdrängung als Spiegel der spanisches Gesellschaft erzählt: Juan Antonio Bardems schwarz-weißer Muerte de un ciclista. Verdrängtes, so der Tenor, findet immer seinen Weg nach draußen. Er erzählt die Geschichte eine eines Mannes und einer Frau, die aus Angst vor gesellschaftlichem Abstieg den angefahrenen Radfahrer auf der Straße krepieren lassen, damit ihre Affäre nicht auffliegt. Aus der Geisterbahn des eigenen Lebens, darauf verweisen beide Filme, kann nur finden, wer den Blick auf seine Schuld nicht scheut. Dass diese Entscheidung keine leichte ist, liegt auf der Hand. Und genau das ist der Unterschied zwischen dem 'Highway to Hell' und der 'Road to Salvation'. Ja oder nein? Für alle, die noch zweifeln: Unbedingt reingehen.