USA 1999 · 136 min. · FSK: ab 16 Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski Kamera: Bill Pope Darsteller: Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Carrie-Anne Moss, Hugo Weaving u.a. |
»Folg' dem weißen Karnickel.« – Mit diesem Befehl eines mysteriösen Anrufers und dem Tattoo des Tierchens auf der Schulter einer Frau beginnt für Thomas ein Alptraum: Agenten verfolgen ihn, sein Leben verflüchtigt sich binnen Stunden, und er wird hinabgesogen in eine zweite Welt, von der er zuvor nichts ahnte. Thomas stürzt in das »rabithole«, doch wie einst Alice landet er weich in einem Wunderland, das einerseits Träume wahr werden läßt und doch zugleich keinen Horror ausläßt.
Zuvor beginnt Matrix ganz anders: Man fühlt sich in einen alten Film Noir-Thriller versetzt: Es ist Nacht. Polizisten, die mit ihren anachronistischen Uniformen direkt aus den vierziger Jahren zu stammen scheinen, stürmen ein Gebäude. Doch schon als ein paar Zivildetektive hinterherkommen, ahnt man, daß etwas nicht stimmt. Und der nur scheinbar konventionelle Beginn – eine Frau soll verhaftet werden, setzt sich zur Wehr und versucht zu fliehen – entpuppt sich als Maskerade. Denn wir befinden uns hier nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft, genauer gesagt im Jahr X2CV. Matrix ist ein Science-Fiction-Film.
Das Wort, das dem Film den Titel gibt, ist vieldeutig. Nicht nur Stammutter bedeutet »Matrix«, Mutterboden und Eiweißhülle der Chromosomen, sondern auch eine komplexe lineare Anordnung in der Mathematik und eine Matrizenfolie zur Vervielfältigung von Botschaften. So vieldeutig wie dieser Titel ist der ganze Film.
Denn Matrix ereignet sich auf mehreren Ebenen. Oberflächlich betrachtet ist es ein Action-Film, der in der Zukunft spielt. Im Mittelpunkt steht Computerhacker Thomas, der in Kontakt mit einer Untergrundgang gerät. Sehr bald erfährt er, was es mit der Welt, in der er zu leben glaubt, tatsächlich auf sich hat: Sie ist bloßer Schein. Die wahren Herrscher der Erde sind verselbständigte Maschinen. Die Menschen dienen ihnen nur noch als versklavte »Batterien«, die durch eine künstlich erzeugte Welt – die der unsrigen zum Verwechseln ähnlich sieht – bei Laune gehalten werden. Wenige Rebellen kämpfen für die Befreiung der Menschheit. Als sich Thomas der Gruppe anschließt und dem Kampf aufnimmt, beginnt für ihn erst der wahre Sturz ins Wunderland. Er muß lernen, reale und scheinbare Welt zu unterscheiden und sich in beiden perfekt zu bewegen. Er muß als freier Mensch, als »Neo« quasi neu geboren werden.
Matrix erzählt die archetypische Geschichte einer Selbstbefreiung und Reise ins Unbekannte. Er erzählt ein Vater-Sohn-, Erzieher-Schüler-Verhältnis in der Beziehung Neos zum Rebellen Morpheus und ein freudianisches Dilemma, in dem es um Traum und Wirklichkeit, Freiheit und Zwang, um Opfer und Wiedergeburt geht.
Die erstaunliche Qualität von Matrix aber liegt nicht primär in der intelligenten, anspielungsreichen und dabei doch immer ironisch-gelassenen Story. Sie besteht aus den atemberaubenden Bildern, in die diese modernen Mythen gefaßt sind. Beeinflußt von Filmklassikern ebenso wie von postmodernen Hongkong-Movies, mit Anleihen bei der visuellen Sprache der Comic Strips, aber auch bei Zeichnungen der schwarzen Romantik englischer »Gothic Tales« gelingt dem Regie-Brüderpaar Andy und Larry Wachowski (bisher nur durch den Indie-Thriller Bound bekannt) ein sensationelles Hollywood-Debüt. Matrix ist klug, aufregend und poetisch – mehr kann man von einem Film kaum verlangen.