USA 2024 · 139 min. · FSK: ab 16 Regie: Francis Ford Coppola Drehbuch: Francis Ford Coppola Musik: Osvaldo Golijov Kamera: Mihai Malaimare jr. Darsteller: Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel, Jon Voight, Shia LaBeouf u.a. |
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Die Kunstgeschichte stand Pate | ||
(Foto: Constantin Film) |
»We fight for what we love. But we don’t always win.« – Dialog aus Megalopolis
Ist dieser Film nur etwas für glühende Coppola-Verehrer? Megalopolis, das Spätwerk von Francis Ford Coppola, wurde in Cannes uraufgeführt und schließt damit die Serie der alten Meister auf dem wichtigsten Filmfestival der Welt vorläufig ab, die mit David Cronenberg, Nanni Moretti, Marco Bellocchio letztes Jahr begann. Coppolas Science-Fiction-Utopie über ein fluides und organisches Material, das sich als Baustoff verwenden lässt, ist immerhin architektonisch auf der Höhe der Zeit, denkt man doch bei den Visionen seiner Städte unwillkürlich an Dubai und die vertikalen Gärten Singapurs, in denen Skyscrapers wie grüne Pilze aus der urbanen Landschaft herausragen. Cesar Catilina, der visionäre Architekt, mit gebührender Leidenschaft von Adam Driver verkörpert, hat das Material entworfen und dafür den Nobelpreis bekommen. Sein Heilsversprechen an die Hypermoderne lautet: Jeder wird einen Garten haben. Einen Garten Eden.
Das ist toll. Francis Ford Coppola hatte bereits vor 40 Jahren die Idee zu seinem Film, konnte jedoch trotz seiner Mega-Erfolge Der Pate und Apocalypse Now in den Siebzigerjahren für seinen Science-Fiction (immerhin ein Genrewechsel) keine Geldgeber finden. Jetzt hat er Weingüter im Wert von 120 Millionen Dollar verscherbelt und den Film sozusagen aus eigener Tasche finanziert. Auch das ist toll. Gewidmet hat er sein Spätwerk, das den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens darstellen soll, seiner im April verstorbenen Ehefrau Eleanor. Einmal im Film sagt Catilina, als er gefragt wird, was das wichtigste für ihn im Leben sei: marriage, die Ehe.
Catilina betrauert im Film seine verstorbene Ehefrau Constance Catilina (Talia Rose Shire, Schwester von Francis Ford Coppola und Tante von Nicolas Cage), die als schöne Schwindsüchtige mit pergamentartigem Teint tot in einem geheimen Burgzimmer liegt. Die junge Julia (Nathalie Emmanuel), bald darauf Catilinas Geliebte, beobachtet ihn dabei, wie er am Kopfkissen herumnestelt. Eigentlich flicht er das flachsfarbene Haar seiner Frau zu einem Zopf, aber nur er kann sie sehen. Ein märchenhaftes Trugbild – oder ein Effekt seiner genialen Erfindung, das Unsichtbares sichtbar und Körperliches transparent machen kann. Die Szene offenbart ein kleines sentimentales Rührstück, von denen der Film voll ist. Poetry of suffer, Poetik des Leidens, nennt das Catilina.
Sein Herzensprojekt hat Coppola ins Alte Rom verlegt, das jedoch als »New Rome« in die Zukunft projiziert wird. Es ist das Rom des 3. Jahrtausends, in dem er seine Geschichte von Rivalität und Macht ansiedelt. Verfeindet ist der Architekt und Erneuerer Catilina mit dem Statthalter beziehungsweise Bürgermeister Cicero (Giancarlo Esposito), die schöne Julia ist dessen Tochter, was die Liebschaft natürlich pikant macht. Das Personal ist realen antiken Fehden entnommen. Im Jahr 63 vor Christus hatte bereits Cicero, der Consul, seine glühenden »Reden gegen Catilina« verfasst, in denen er versuchte, seinem Gegner einen Umsturzversuch nachzuweisen. Hier geht es um Catilina, den nachhaltigen Stadterneuerer, und Cicero, den Traditionalisten, der weiterhin auf »Beton und Stahl« bauen will. Seine Kritik: Das Catilina-Material soll instabil sein.
Soweit der Konflikt. Und dann ist da noch der Unternehmer Hamilton Crassus III. (Jon Voight), der in seiner Gier und Sexsucht einen Verschnitt aus Berlusconi und Trump liefert. Wir tauchen ein in ein üppiges futuristisches Rom der Dekadenz. Die Frauen und Männer der reichen Oberschicht geben sich ausschweifende Orgien, das Setting und die Kostüme, die laszive und raubtierhafte Nobilitas der Protagonistinnen erinnert dabei immer ein wenig an die Magnum-Werbung. Es dominieren die Gold- und Brauntöne. Es dominiert die nackte Haut. Es dominiert der schlechte Geschmack.
Coppola hat sich einen Spaß daraus gemacht, alles in einem gewissen Luxus-Trash anzusiedeln. Wenn Julia durch das visionäre Modell von Megalopolis geht, soll sie die Augen schließen, um die noch nie dagewesenen Bauten, Schwebestädte, das Fluidum zu sehen – während sie in Wirklichkeit durch ein Sammelsurium aus Großstadt-Müll herumspaziert. Dennoch: der Ironiestatus des Films ist nicht gesichert. Während man selbst also unendlichen Spaß haben mag an diesen Demaskierungen, nimmt es Megalopolis ungleich ernster. Coppola ist seine Vision wichtig, ebenso das Ende mit einem Neugeborenen: »Build the future for her«, lautet die eindringliche Message.
Leider fällt Megalopolis dann aber doch in sich zusammen, das Zeug, aus dem Coppola seinen Film baut, ist, abgesehen von der ziemlich hanebüchenen Geschichte, tatsächlich instabil. Bemüht Coppola mit der blassen, toten Constance bereits den abgegriffenen Topos der weiblichen Leiche, geraten ihm auch seine anderen weiblichen Figuren zur bloßen Staffage. Die relevanten und wortreichen Dialoge haben allesamt die Männer, die Frauen bekommen Einzeiler oder dürfen ein Mark-Aurel-Zitat aufsagen: »Alles fließt.« Ansonsten kommt ihnen zu, sich ein Baby zu wünschen (Julia), sich als »Wall-Street-Slut« zu gebärden, wie Crassus einmal seine geldgeile Geliebte Wow Platinum, toller Name übrigens, beschimpft. Frauen sind bei Coppola entweder ehrwürdige Mutter, junge Mutter oder Hure, und der größte Triumph ist, wenn der Stoff, den Catilina entworfen hat, die Frauen unsichtbar macht.
Das ist üble Achtzigerjahre-Figurenkonzeption und wirkt im Bemühen stereotyper Frauenbilder unangenehm reaktionär. Hinzu kommt die faschistoide Ästhetik mit Monumentalbauten, Symmetrien, überbordenden Szenenbildern, starker Untersicht, »Brot und Spiele« und einem wörtlich genommenen »Circus Maximus« mit Zirkusdirektor. Die Dekadenz ist opulent-verschwenderisch, das zukünftige Rom in honigfarbenem Hochglanz dem Tod geweiht. Der Inszenierungswille ist deutlich und kann als solcher auch goutiert werden. Trotzdem: Weder der Visualität noch den alten Statthaltergeschichten mit dem Frauendekor möchte man heute zujubeln.
»1. To start very generally: Camp is a certain mode of aestheticism. It is one way of seeing the world as an aesthetic phenomenon. That way, the way of Camp, is not in terms of beauty but in terms of the degree of artifice, of stylization.« – Susan Sontag
Für was ist das Kino gemacht, wenn nicht für genau solche Filme? In der Eröffnungsszene von Francis Ford Coppolas einmaligem, unverwechselbarem Megalopolis balanciert ein Mann recht gefährlich und knapp vor dem Abstürzen auf einem Wolkenkratzerdachsims himmelhoch über einer Metropole, die Manhattan so ähnlich sieht wie Gotham City. Er tritt kurz über die Schwelle, doch kurz vor dem Absturz ruft er: »Steh still, Zeit!« Und sie tut es.
Der Wunsch, die Zeit anzuhalten, prägt die Menschheitsgeschichte und kommt nicht nur bei älteren Männern, wie dem 85-jährigen Francis Ford Coppola, sondern auch bei mitteljungen Frauen vor. Jeder Film ist in der Lage, die Zeit selbst anzuhalten und sie sogar zurückzudrehen. Nur nicht für immer.
Aber man kann schon hier Verbindungen zwischen Charakter und Regisseur ziehen – warum auch nicht? Die Verbindung von Werk und Biographie ist die Quintessenz jenes Autorenkinos,
für das Coppola bis heute steht, und das seine Hochzeit in den Siebziger und Achtziger Jahren erlebte – eine Zeit, die heute von manchen gern als Ganzes verachtet und voreilig in die Trash-Ecke abgeschoben wird.
Man kann über diesen Film nicht sprechen, ohne auf die recht merkwürdigen und befremdlichen Reaktionen einzugehen, die er seit seiner Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes im Frühjahr vor allem in der deutschen Filmkritik hervorruft.
Man kann, wenn man denn will, Megalopolis sehr sehr schlecht finden. Aber man kann ihn nicht auf jede Weise schlecht finden.
So wird zum Beispiel manchmal ein einziger Satz zitiert und »Dialog« genannt. Einen Dialog gibt es aber erst da, wo mehrere Figuren sprechen – ansonsten handelt es sich um einen Monolog. Und genauso kommt mir die Reaktion der allermeisten Filmkritiker aus Deutschland auf diesen Film vor: Monomanisch monologisiert diese Kritik vor sich hin, ohne Respekt und viel schlimmer: Ohne Neugier, ohne Lust an einem neuen Coppola-Film, wie als wüssten sie nicht, was dieser Mann gemacht hat, als gäbe es kein bisschen Freude darauf, dass man noch mal etwas von ihm im Kino sehen kann. Die Haltung mit der sie im Kino sitzen, wird aber gar nicht reflektiert. Oder da, wo sie reflektiert wird, handelt sich offensichtlich um einen Fragebogen, auf dem anzukreuzen ist, wie viele Figuren nackt zu sehen sind und wie viel böse Sätze fallen.
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Dagegen die Amerikanerinnen!
Zum Beispiel: Stephanie Zacharek im »Time Magazine«: »You might want to laugh at Megalopolis; you might be tempted to walk out. And you wouldn’t be wrong to call it self-indulgent. But then, haven’t we had enough movies that are audience-indulgent, seeking only to appease ― and never, ever to offend ― legions of fanboys and -girls who have very specific ideas about what they want from entertainment? I found myself almost literally leaning closer to the screen during Megalopolis, trying to grasp exactly what Coppola is seeking to communicate. I might have caught about a third of it, at best, but I’ll take a messy, imaginative sprawl over a waxen, tasteful enterprise any day. ... Coppola has put his money where his heart is, and his faith in the idea that we'll follow along. We have something to gain, and little to lose, if we try.«
Zum Beispiel Manohla Dargis in der »New York Times«: »It is a great big plan from a great big man in a great big movie, one whose sincerity is finally as moving as its unbounded artistic ambition. ... „Megalopolis“ is far larger in every respect, though at this point it’s an open question whether it will reach an audience of any kind. The industry, never a welcoming place for free-ranging and -thinking artists, is in the midst of another of its cyclical freakouts.
Business is terrible and the sky is definitely, absolutely falling. Fear, panic and timidity rule the day, as they generally do. ... Coppola’s own pleasure in playing with a digital toolbox is fun to watch. Unsurprisingly, the results are often striking, like the image of Catilina and Julia kissing while precariously perched on metal girders that are floating high above the ground or the picture of a futuristic city whose flowing organic forms recall the work of the brilliant
architect Zaha Hadid.
It too is a great leap, a formally and visually audacious experiment that feels like the work of a filmmaker who, rather than repeating himself ad infinitum or resting on his countless laurels, remains excited by moving pictures and their infinite possibilities. I don’t think „Megalopolis“ will be for everyone, but art rarely is. In 1895, the film pioneer Louis Lumière apparently said that the cinema was „an invention without a
future,“ a comment that’s been repeated in one way or another ever since; in 2024, and against all odds, Coppola dares to insist that it has one.«
Zum Beispiel Rafa Sales Ross: »Coppola said he likes to make films he doesn’t know how to make, as the film will often tell him what to do next. One has to wonder how that frenzied metaphorical conversation came about with „Megalopolis,“ a film still playing on my mind as I write this, unsure if I have seen it or dreamt of it. I’m not yet convinced it works, but my goodness, am I thrilled it exists.«
Aber blicken wir zunächst einmal hin, was auf der Leinwand geboten wird, blicken wir ohne Vorurteile, aber mit dem Respekt um das Wissen von Coppolas Werk auf das, was der Regisseur uns zeigt.
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Der auf die Eingangsszene folgende Film handelt von einer ganzen Gesellschaft, ja: einer Zivilisation, die ähnlich prekär und kurz vor dem Absturz wie der Mann auf dem Dach darauf hofft, die Zeit stillzustellen. Die Stadt heißt »New Rome«, und alle wichtigen Figuren haben römische Namen: Cesar Catilina, Cicero, Crassus, Claudius, Pulcher.
Dieses »New Rome« ist ein Ort des Verfalls und der »spätrömischen Dekadenz« (Guido Westerwelle), in dem Armut, Not und Verzweiflung herrschen. Bei den wenigen Mächtigen aber dominieren Arroganz, Perversion, unkontrollierte Gier nach Macht und Geld, die Unterwerfung des Gemeinwohls unter die Bereicherung einiger weniger, und universaler Sinnverlust.
Es ist ein übles Gebräu aus Narzissmus und politischer Propaganda, das diesen in naher Zukunft und zugleich einer shakespeareschen Parallelwelt angesiedelten Ort prägt, und sich zu einem Maelstrom bündelt, in dem diese Gesellschaft sich zunehmend selbst verschlingt. Nur einige wenige kühne Menschen, Künstler und Intellektuelle, Idealisten mit dem Mut zum Träumen, schwimmen gegen den Strom und streben nach nichts weniger, als einer neuen Morgenröte der Menschheit. Mit Mut, Neugier und Technik, nicht etwa als »Zurück zur Natur«, und auf keinen Fall mit »woken« Ideen, sondern mit Sexyness und Hedonismus.
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Einer dieser Männer heißt Caesar (Adam Driver), wie der römische Feldherr, der die Republik zerstörte, um sie zu retten, der sich im Jahr 44. v. Chr. zum Diktator auf Lebenszeit einsetzte, und der das römische Imperium begründete.
Caesar, ein visionärer Architekt und Nobelpreisträger, der vom tragischen Tod seiner Frau gequält wird, versucht in dieser so nahen wie dystopischen Zukunft eine neue futuristische, idealtypische Stadt zu erschaffen, die er »Megalopolis« nennt. Er plant, diese mithilfe einer Substanz namens Megalon zu bauen, die er erfunden hat und die physikalische Gesetze überschreiten kann.
Aber er ist auch eindeutig eine Verkörperung des Regisseurs Francis Ford Coppola selbst – ein großer Visionär, der mit ansehen muss, wie eine einstmals große Sache (nennen wir sie Kino) vor seinen Augen zerstört wird, der aber entschlossen ist, sie nicht sterben zu lassen, sondern mit neuem Leben zu erfüllen.
Caesar wird im Film beschrieben als »A man of the future so obsessed by the past.« Und er hält relativ früh im Film den berühmten Monolog vom Hamlet. Er ist charismatisch und begabt mit allerlei übermenschlichen Fähigkeiten, wie der Gabe, die Zeit anzuhalten. Zugleich ist er getrieben von inneren Dämonen.
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Exkurs: Mitten in der Pressevorführung von Megalopolis in Cannes, die ich besuchte, ging plötzlich im Kino Licht an, und beleuchtete einen Mann, der am Mikrofon vor der Leinwand sprach. Das war weder eine Panne noch eine unfertige Stelle im Film, sondern ganz absichtlich. Ob das wiederholbar ist, glaube ich kaum. Aber es war ein still berührender Moment, ein Bruch in der normalerweise straffen Beziehung zwischen heller Leinwand und dunklem Kino. Es war Gegenwart, durchzogen von den Geistern der Vergangenheit, und auf unheimliche Weise der Zukunft.
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Caesar entgegen stehen zwei Männer: Der Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito), ein Mann der Beharrung und des Konservativen, der das bestehende System weitgehend aufrechterhalten will und gar nicht unsympathisch, aber visionslos reformistisch agiert: »Die Leute brauchen keine Träume, sie brauchen Arbeit, Schulen«. Cicero verspricht Kindergärten statt Visionen, und »Beton, Beton, Beton«, was im Englischen heißt: »Concrete, concrete, concrete«, also auch »Konkret,
konkret, konkret« bedeutet – der Mann ist ein antiidealistischer Skeptiker. Er, der die Stadt mit strengen Gesetzen regiert, sieht in Caesars revolutionären Ideen eine Bedrohung für seine Macht und den Status Quo. Während Caesar verspricht, die Stadt zu erneuern, sieht Cicero nur das Chaos, das solche Veränderungen mit sich bringen könnten.
Dumm nur aber typisch für Shakespeare wie für Coppola, dass diese ganzen politischen Gegensätze durchzogen und verzerrt werden durch
private: Denn Cicero hat auch aus persönlichen Gründen etwas gegen Caesar – er war der ermittelnde Staatsanwalt beim Tod von dessen Frau, und wollte Caesar hinter Gittern bringen. Wir ahnen, das es Dinge gibt, die er verbirgt. Und jetzt ist da noch Julia (Nathalie Emmanuel), die einzige, geliebte und sehr intelligente Tochter des Bürgermeisters. Zunächst sträubend, denn weniger und weniger widerwillig, verliebt sie sich in den Sprössling des gegnerischen Clans, in den Mann
der Zukunft, Caesar.
Der zweite Gegenspieler ist Caesars eifersüchtiger Cousin Clodio Pulcher (Shia LaBeouf), der seine eigenen politischen Ambitionen mit Gewalt und Intriganz durchzusetzen versucht. Seine Hinterlist richtet sich aber vor allem gegen Caesars wohlhabender Onkel Hamilton Crassus III (Jon Voight).
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»2. To emphasize style is co slight content, or to introduce an attitude which is neutral with respect to content. It goes without saying that the Camp sensibility is disengaged, depoliticized – or at least apolitical.« – Susan Sontag
Man erkennt: Megalopolis ist eine politische Fabel. Sie kritisiert konkret die Gegenwart und zielt zugleich auf universale Ideen. Es geht nicht primär »um Trump« oder »den Neoliberalismus« oder »soziale Ungleichheit und die Herausforderungen moderner städtischer Lebensbedingungen. Aber die Figuren verkörpern unterschiedliche Prinzipien im Verhältnis zu Macht und Gestaltungswillen. Caesar repräsentiert Idealismus und das Bemühen um eine besseren Welt, während Bürgermeister Cicero für Pragmatismus steht, und Pulcher für egomanen Ehrgeiz.«
Die Frauenbilder – ja, die sind in gewissem Sinn stereotyp. Wie die Männerbilder. Wie überhaupt alles in diesem Film. Denn »Megalopolis« ist Schieberei von Kulissen und Charaktermasken; der Film behauptet nicht mal im Ansatz, psychologisch sein zu wollen, er typisiert, verallgemeinert, seine Figuren sind Bilder, Embleme, und Coppola ist auch darin naiv statt sentimental.
Darum ist es auch falsch, wenn manche sich jetzt besonders schlau vorkommen, weil sie an vielen Stellen dieses Film den »male gaze« aufgespürt haben. Ja was denn sonst? Coppola ist ein Mann, heterosexuell, und nicht woke. Es interessiert ihn vermutlich nicht einmal das zu sein.
Vor allem aber ist der »male gaze« nicht etwa ein – je nachdem beklagenswerter oder gerade noch akzeptabler – Mangel dieses Films, sondern eines seiner Themen.
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Die visuelle Vision dieses Films ist überbordend und barock: »Cinema du Look«, meinetwegen, aber eben vor allem aus Hollywood: Man sieht ein Kolosseum in der Nähe des Times Square, Wagenrennen im Stil von »Ben Hur« und einen »Circus Maximus« aus Hollywood-Sandalenfilmen, Gebäude im Retro-Futurismus zwischen Art Deco und »ökologischer Stadt«, der ganze Film ist eine Zirkusshow aus pompösen und zweckfreien Tableaux vivants vor Kulissen, die auch aus einem Marvel-Movie stammen könnten, Shakespeare-Dialoge folgen auf historische Wochenschaubilder, die Hitler und Mussolini zeigen. Untermalt ist das mal von aktuellem Pop, mal von Pseudo-Hollywood-Monumentalfilmmusik.
Nach jahrzehntelanger Planung endlich finanziert und in die Tat umgesetzt, ist »Megalopolis« ein mitreißender, in jeder Hinsicht großformatiger Film voller provokanter Ideen und schonungsloser filmästhetischer Erfindungen, dem man das Alter des Regisseurs nicht ansieht.
Coppola scheint vielmehr in einen filmischen Jungbrunnen gestiegen zu sein, und die filmische Erfahrung, die das Ergebnis ist, wirkt nicht wie der Abschluss einer Karriere, sondern wie der tollkühne Entwurf eines anderen Kinos, »al fresco«.
Megalopolis ist ein seltsames, exzessives Artefakt, das in seinen Ansprüchen gefangen ist, und dabei aber äußerst interessant, weil es zeigt, was von den Träumen des New Hollywood geblieben ist.
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Amerika ist das Imperium unserer Gegenwart, wie es Rom zu seiner Zeit war. Amerika ist auch wie Rom eine opulente Spektakel-Gesellschaft. Und Coppola ist überzeugt, dass wir vor dem Untergang auch dieses neuen Römischen Reiches und seiner Spektakelgesellschaft, also Hollywoods stehen.
Was aber passiert eigentlich, wenn das Imperium zu zerbrechen beginnt? Was passiert, wenn die rationale Weltsicht nicht mehr greift? Das sind die Fragen, die Coppola umtreiben. Megalopolis und ihr Schöpfer glauben an die Notwendigkeit, eine bessere Welt zu schaffen. Die gewagte Utopie, die hier in die Tat umgesetzt werden soll, ist die einer Welt ohne Klassenunterschiede. Und so steht am Schluss des Films, wie ein Testament, eine Ode an die Liebe und an die Menschheit.
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Es ist also ohne Frage ein ganz schön merkwürdiger Film, den Francis Ford Coppola da gedreht hat. Spektakelkino mit ganz großer Attitude. Zugleich auch ein ziemlich persönlicher Film, inklusive aller möglichen moralischen Appelle und Ansprachen an die Jugend der Welt und die Menschen der Zukunft gegen Ende.
Ein Untergangsgesang in mancher Hinsicht, fast eine Höllenfahrt, dabei gespickt mit großem Bildungsballast, mit den Erkenntnisfrüchten eines Lebens. Die Recherche
stamme unter anderem von »Goethe, Euripides, Marc Aurel, Cicero, H.G. Wells« – so der Abspann in dem der nimmermüde, immerneugierige Coppola diesen Mitarbeitern dankt.
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Vielleicht ist das alles trotzdem am Ende nur »Camp« wie es Susan Sontag nannte. »Mediale kulturelle Übersaturierung ist der Nährboden für 'Camp'. Es ist ein genuin amerikanisches Formempfinden.« schrieb Frieda Grafe über Hollywood, und fragte weiter: »Wo ist der Platz des Künstlers in einem Massenmedium, das trotz industrieller Fertigungsmethoden doch Autoren braucht, kreative Individuen, die aus dem undankbarsten Material Funken zu schlagen verstehen? Kino ist auch für
Coppola ›im Kern unauthentisch und anorganisch.‹ (Grafe).
Coppola hat einen Film voller Künstlichkeit gemacht, der seine Zeichenhaftigkeit, seinen Warencharakter nicht verschleiert.«
»Reaktionär« ist daran aber gar nichts, so wenig wie »Symmetrien«, Monumentalbauten und Untersicht-Kameraeinstellungen irgendetwas mit faschistischer Ästhetik zu tun haben.
Coppola nimmt seine Bauten aus der realen, größtenteils noch bestehenden Architektur New Yorks, des New Yorks der Moderne zwischen Art Deco und Funktionalismus, für die zu einem respektablen Teil jüdische, mitunter von den Faschisten aus Europa vertriebene Architekten verantwortlich waren
– Brady Corbet hat die Geschichte dieser vermeintlich faschistischen Moderne gerade in seinem Meisterwerk The Brutalist aufgegriffen.
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»3. Not only is there a Camp vision, a Camp way of looking at things. ... True, the Camp ere has the power to transform experience. But not everything can be seen as Camp. It’s not all in the eye of the beholder.« – Susan Sontag
Megalopolis ist ein sehr persönliches Herzensprojekt und eine letztlich ernst gemeine Analyse der traurigen Lage der USA: Ein Film, der einen ratlos zurücklässt, dies aber auf eine Weise, dass man ihn sofort noch einmal sehen will, um zu verstehen, was man da sieht.