Slowakei/Tschechien 2013 · 90 min. Regie: Mira Fornay Drehbuch: Mira Fornay Kamera: Tomás Sysel Darsteller: Adam Mihál, Marián Kuruc, Libor Filo, Irena Bendová, Pavol Dynko u.a. |
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Poetische Tristesse |
Ein osteuropäisches Äquivalent zu einem Dogma-Film: Der slowakische Film My Dog Killer der Drehbuchautorin und Regisseurin Mira Fornay hat dennoch eine steile Karriere hingelegt. Er gewann den Hauptpreis auf dem Rotterdamer Filmfestival und den Cinevision-Award auf dem Filmfest München und avancierte zum slowakischen Kandidaten für den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film 2014.
Dabei ist My Dog Killer der radikale Gegenentwurf zu einer Produktion aus Hollywood. Der 18-jährige Marek (Adam Mihal) lebt gemeinsam mit seinem Vater (Marian Kuruc) in einem slowakischen Dorf an der Grenze zu Tschechien. Sie besitzen dort ein kleines Weingut, dem jedoch der Verkauf droht. Mareks einziger Freund ist sein Kampfhund »Killer«, seine übrigen sozialen Kontakte beschränken sich auf eine Gruppe von rechtsradikalen Skinheads, mit denen er gemeinsam boxt. Mareks Vater ist gewalttätig und trinkt. Die Mutter (Irena Bendova) ist mit einem Roma davongelaufen und hat mit mit dem Mann ein Kind gezeugt. Seither hat Marek keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter, seinen »Zigeunerbruder« (Libor Filo) kennt er nicht. Um das Weingut zu retten, wollen Marek und sein Vater die Wohnung der Familie verkaufen. Hierzu benötigen sie die Unterschrift der Mutter, die Marek nun gegen Geld eintreiben soll. Marek fühlt sich zwischen alle Fronten getrieben und verliert zunehmend seinen letzten inneren Halt...
My Dog Killer wurde vollständig mit Laiendarstellern gedreht. Hierbei beeindruckt insbesondere der Hauptdarsteller Adam Mihal in der Rolle von Marek. Der junge Mann wirkt orientierungslos und nahe am Rand der Verzweiflung. Zugleich sieht man sein starkes Bemühen in seiner kleinen, kaputten Welt die Übersicht zu bewahren und so etwas wie eine Struktur in sie hineinzubringen. Mareks vollkommen dysfunktionale Familie bietet ihm keinerlei Rückhalt. Seine Skinhead-Kumpane bieten einen schlechten Familien-Ersatz. Selbst bei ihnen hat er einen schweren Stand. Er ist nur aufgrund seines Hundes geduldet und wird zum Weinbesorgen ausgenützt. Als diese »Freunde« von Mareks „Zigeunerbruder“ erfahren, sieht Marek seine letzten Felle davonschwimmen...
My Dog Killer zeigt genau einen Tag im Leben von Marek, der denkbar banal ist und an dessen Ende doch alles anders sein wird. Die unruhige Handkamera ist immer ganz nahe an Marek dran und begleitet den jungen Mann durch seinen Tag und zeigt seine triste Welt. Eine Familie ist praktisch nicht existent. Auch alle weiteren menschlichen Beziehungen wirken stark desolat. Hinzu gesellt sich ein unverhohlener Rassismus. Ein Schild am Eingang einer Kneipe verbietet Roma den Zutritt. Als deutscher Zuschauer fühlt man sich aufgrund der fast dokumentarischen Anmutung des Films unweigerlich unangenehm an Bilder aus alten Wochenschauen erinnert. Die ethnische Minderheit, die geschätzte 2-10% der slowakischen Bevölkerung ausmacht, wird stark diskriminiert. Rechte Gruppierungen befinden sich in der Slowakei auf dem Vormarsch.
Doch My Dog Killer ist kein vorrangig politischer Film und schon gar kein Film, der einem mit erhobenem Zeigefinger eine wichtige Botschaft unter die Nase reibt. Alles passiert fast beiläufig. Eine Schlüsselszene verschwindet fast vollständig im Dunkel der Nacht. Der Film bietet nur eine recht lockeren Folge von Beobachtungen und reiht ganz ruhig Moment an Moment. Dabei fällt dem westlichen Betrachter auf, was für ein anderes Verhältnis zur Zeit die osteuropäischen Filme sehr oft haben. Zwar ist My Dog Killer nicht so quälend langsam, wie der rumänische Gangsterfilm Killing Time von Florin Piersic (2012). Aber auch in diesem Film vergeht fast die Hälfte der 90-minütigen Gesamtlaufzeit, bevor sich die relativ lose Aneinanderreihung von Einzelbeobachtungen langsam zu einer konkreten Handlung verdichtet. Und trotz zwischenzeitlicher hochdramatischer Entwicklungen, endet der Film genauso unaufgeregt und betont banal, wie er beginnt. Doch genau die beiläufige Art dieses Endes wirkt sehr beunruhigend und verstörend.