Deutschland 2013 · 89 min. · FSK: ab 12 Regie: Lars Kraume Drehbuch: Lars Kraume Kamera: Jens Harant Darsteller: Jördis Triebel, Nina Kunzendorf, Lisa Hagmeister, Stephan Grossman, Jaecki Schwarz u.a. |
||
Angela Winkler als sich sorgende Mutter |
Drei Schwestern: Linda, Katharina und Clara. Linda ist die Hauptfigur, zentral im Bild, von Anfang an, bis fast zum Ende. Lebenslustig, gewissenhaft, risikofreudig, offen und klar, immer wieder insistierend. Das hat sie auch nötig, denn sie ist schwer herzkrank. Operationen kennt sie, seit sie ein Kind ist, sie kennt das Leben mit dem Risiko, dass sofort alles vorbei sein könnte, und dass jede geglückte Operation nur eine Frist bedeutet bis zum nächsten Mal. Im Grunde können wir alle natürlich immer sterben, aber was dieses Wissen wirklich bedeutet, wissen wir erst, wenn es konkret wird, wenn es einem so geht wie Linda. Sie wird dann ganz tolerant und reagiert entspannt auf das Wissen, das ihr Mann eine Affaire hat – »das hilft ihm« meint sie. Sie kann aber auch ungehalten und drängelnd werden, wie an diesem Wochenende, von dem der Film erzählt. Denn am Montagmorgen ist es wieder so weit, da steht wieder eine dieser Operationen an, die magische Grenze der von den Ärzten vorausgesagten Lebenserwartung von 30 Jahren nähert sich unaufhaltsam – und ihrer Angst, jenem ständigen Lebensbegleiter wird Linda nur Herr, indem sie sich innerlich sagt: »Diesmal schaffe ich es nicht.«
So besucht sie spontan ihre jüngere Schwester Clara (Lisa Hagmeister) und dann die Ältere, Katharina (Nina Kunzendorf) und lässt beiden eigentlich keine Wahl: »Ihr müsst mitkommen!« Ans Meer, ein Haus, in dem sie als Kinder viele Sommer verbrachten, und dann nach Paris, zum Lieblingsonkel und zur Tante.
Schnell ist die familiäre Konstellation klar, die Verhaltensweisen, in denen sich alle eingerichtet haben: Die beiden gesunden Schwestern sind damit aufgewachsen, dass Linda bald sterben könnte, dass sie im Mittelpunkt steht, mehr Aufmerksamkeit und Pflege bekommt, dass »es immer um sie geht«. Während Katharina das mit einer gewissen schroffen Härte kompensiert, und sich übermäßig für alles verantwortlich fühlt, zugleich eine pragmatisch-unsensible »wird schon«-Haltung an den Tag legt, flüchtet sich die »kleine« Clara in Übersensibilität und Wehwehchen. Zugleich verdrängt sie die echten Gefahren erfolgreich. Dann wieder tauchen sie in Form von kleinen Hysterien und Depressionen wieder auf. Linda hingegen ist im Schatten der Bedrohung durch ihre Krankheit zur emotional stärksten der drei Schwestern herangewachsen. Der Tod schreckt sie nicht mehr. Oft fordert sie ihn regelrecht heraus, verhält sich unvernünftig, betrinkt sich und steigert sich in eine todessehnsüchtige Lebensfreude.
Paris, französische Lebensart und das Wissen, dass dies möglicherweise ihre letzte gemeinsame Reise ist, prägt diesen Trip. Die drei frischen Kindheitserinnerungen wieder auf und feiern ihre merkwürdige »Dreisamkeit«. Auch hier wird Paris wieder einmal »ein Fest fürs Leben«. Doch diesmal ist das Schwesterntreffen von einer ganz besonderen Melancholie überschattet. Keiner von uns kann ewig leben. Aber jeder versucht das Ende noch ein wenig herauszuschieben.
Der Film wird getragen von seinen drei Hauptdarstellerinnen, allen voran Jördis Triebel, die der Rolle der Linda etwas Lebensfrohes, Optimistisches gibt, und auch in traurigen Momenten überaus glaubwürdig wirkt. Regisseur Lars Kraume hat neben diesen bekannten Schauspielerinnen auch Angela Winkler und Béatrice Dalle zu kürzeren, prägnanten Gastauftritten gewonnen. Kraume erweist sich auch hier wieder einmal als Multitalent. Neben Krimiserien (»Tatort«, »KDD-Kriminaldauerdienst«) fürs deutsche Fernsehen hat er bereits einige ungewöhnliche Kinofilme wie Keine Lieder über Liebe und Kismet inszeniert. Kraume ist ein bewegender Film darüber geglückt, was ein Mensch tut, der vielleicht nur noch kurze Zeit zu leben hat; darüber, wie schön es ist, zu leben und die bedingungslose Nähe geliebter Menschen, der Freunde und Familie zu spüren. Leben lernen und sterben lernen sind nicht voneinander zu trennen.