Mickey 17

USA/Südkorea 2024 · 137 min. · FSK: ab 12
Regie: Bong Joon-ho
Drehbuch:
Kamera: Darius Khondji
Darsteller: Robert Pattinson, Naomi Ackie, Mark Ruffalo, Toni Collette, Steven Yeun u.a.
Mickey 17
Ein wildwuchernde Reaktivierung von Cyberpunk-Klon-Klassikern...
(Foto: Warner)

The same river twice

Bong Joon-hos schrille Science-Fiction-Satire trägt unsere politische Gegenwart in die Zukunft und schießt auch sonst wild in Raum und Zeit umher, überspannt dabei aber leider immer wieder den Bogen

»Real human flesh is cheaper than a machine. It’s the axiomatic truth of our times.«- Richard K. Morgan, Altered Carbon

Seit seinem mit über 250 Film- und Festi­val­preisen ausge­zeich­neten, alle Genres spren­genden und so ziemlich alles an unserer modernen Welt kriti­sie­renden Riesen­er­folg Parasite (2019) sind inzwi­schen fast sechs Jahre vergangen und dementspre­chend hoch sind natürlich die Erwar­tungs­hal­tungen an Bong Joon-hos neuen Film gewesen. Wie schon für seinen »Klassiker« Snow­piercer (2013) verlässt Bong Joon-ho auch in Mickey 17 unsere Gegenwart und bewegt sich in eine ungewisse Zukunft. Doch anders als in dem dysto­pi­schen, auf der Erde ange­sie­delten Snow­piercer, verlässt Bong Joon-ho dieses Mal die Erde. In seiner Adaption des Romans Mickey7 von Edward Ashton, den ihm Ashton noch unver­öf­fent­licht zuge­schickt hatte, steht es um die Erde aller­dings auch nicht zum Besten, doch gibt es inzwi­schen immerhin Raum­schiffe und den erdähn­li­chen Alter­na­tiv­pla­neten Niflheim, auf den es unter der Führung des egoma­ni­schen, evan­ge­li­kalen Olig­ar­chen-Poli­ti­kers Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) und seiner ihn kontrol­lie­renden Überfrau Ylfa (Toni Collette) und eines erratisch ausge­wählten Gefolges dann auch gehen soll. Und weil sich niemand so recht sicher ist, was einen auf dem Flug und nach der Ankunft wider­fahren könnte, leistet man sich ein auf der christ­li­chen Glau­bens­ebene eigent­lich verpöntes Mitbringsel, einen soge­nannten Expen­dable, der auf gefähr­li­chen Missionen ruhig sterben darf, da er mithilfe eines Bioprin­ters als Klon schnell wieder am Start ist.

Dieser von Robert Pattinson kongenial verkör­perte Mickey ist die eigent­liche Über­ra­schung des Films, denn Pattinson spielt diese wilde Medi­ta­tion über das ewige Leben so exzen­trisch aus wie Jim Carrey in seinen besten Rollen. Dass es dabei nicht nur um abstrus gefähr­liche Missionen geht, sondern irgend­wann auch um die große Liebe und einen durch einen dummen Zufall und religiös absolut nicht mehr akzep­ta­blen »Parallel-Klon«, gibt der Rolle eine Komple­xität und spie­le­ri­sche Tiefe, die der Film sonst nur selten aufweist.

Statt­dessen gibt sich Bong Joon-ho wie schon in Parasite dem Spiel mit den Genres ganz und gar hin. Auf Slapstick-Momente folgen Horror­ele­mente, die Sozi­al­sa­tire, die hier sehr akkurat aus Parasite überführt wird, kommt mit Space-Opera-Elementen garniert und Aliens pochiert daher, die sich jedoch ange­neh­mer­weise nicht-mensch­lich-normal geben und sehr korrekt das symbo­li­sieren, was in der langen Mensch­heits­ge­schichte immer wieder mit indigenen Völkern passiert ist. Dazu braucht es dann natürlich auch die dementspre­chende Führungs­riege, die über Kenneths Marshall und seine Frau mit viel Over­ac­ting durch Ruffalo und Colette verkör­pert wird und die gleich­zeitig das schon in Parasite stets hoch­tourig ange­schla­gene Thema der sozialen Unge­rech­tig­keit mani­fes­tieren.

Zusammen mit dem grotesken Grundton und der poli­ti­schen Ausrich­tung des Films, der natürlich die gegen­wär­tige popu­lis­ti­sche Krise und Figuren wie Donald Trump und Elon Musk ins Visier nimmt, ist das aller­dings so eindeutig, so direkt und vorher­sehbar insze­niert, dass die spitzen Pfeile nur allzu oft im Leeren verpuffen. Zu lachen gibt es deshalb nur wenig, es ist eher ein Staunen über diesen wüsten Polit-Science-Fiction-Salat, der hier aufge­tischt wird und der stark an Timo Vuoren­solas Science-Fiction-Quatsch Iron Sky erinnert, in dem ja ebenfalls politisch Irre den Weg ins Weltall schaffen. Zwar sind es bei Vuoren­sola echte Nazis, dafür bei Bong Joon-ho immerhin evan­ge­likae Neonazi-Irre.

Wie schon anfangs erwähnt, ist diese Ebene sicher­lich die lang­wei­ligste, weil vorher­seh­barste in Mickey 17, die trotz groß­ar­tiger schau­spie­le­ri­scher Momente von Ruffalo und Colette auch schnell wieder vergessen ist. Was Spaß und den Film am Ende dann doch sehens­wert macht, ist neben dem liebe­vollen Set-Design mit seinen über­zeu­genden Aliens vor allem Mickey und die immer wieder über­ra­schend diffe­ren­zierte Beschäf­ti­gung mit dem ewigen Leben und die wild­wu­chernde Reak­ti­vie­rung von Cyberpunk-Klon-Klas­si­kern wie Richard Morgans Altered Carbon.