Deutschland 2001 · 92 min. Regie: Christian Bauer Drehbuch: Christian Bauer Kamera: Michael Gööck Schnitt: Julia Furch |
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Allen Ross in besseren Tagen |
»Do you miss him?« fragt Christian Bauer. Der Regisseur steht irgendwo auf einem Chicagoer Hausdach mit Blick auf die Skyline und auf jene Lücke, die das Haus hinterlies, in dem sein Freund Allen wohnte. Allen, der Kameramann mit dem er sieben Filme drehte. Die Frage gilt einem weiteren engen Freund von Allen. Dieser schweigt, lächelt unglücklich, nestelt an seinem Fotoapparat herum. Er findet keine Worte für das, was in ihm vorgeht. »Mir geht es genauso«, sagt Bauer. »Darum verstecke ich mich hinter der Kamera.« Und dann tritt er aus seiner Verschanzung heraus und macht den Schritt vor das Objektiv. Es gibt Filmmomente, die vergisst man nicht.
Allen Ross verschwand 1995. Seither fehlt von ihm jede Spur. Sein Vater hört nichts mehr von ihm. Seine Bankkonten bleiben unberührt. Freunde fürchten das Schlimmste. Doch ein Rest von Hoffnung ist geblieben. Christian Bauer findet keine Ruhe. Seine Recherchen führen ihn auf die absonderlichsten Fährten: UFO-Glaube und Vampirismus, abstruse Verschwörungstheorien und Sektenwahn.
Dies ist ein zutiefst persönlicher Dokumentarfilm. Derartige Filme hangeln immer an einem Abgrund entlang: Sie riskieren, die Distanz zu verlieren und sich in den persönlichen Belangen zu verstricken, während der Zuschauer außen vor bleibt. Christian Bauer ist das Kunststück gelungen: Er nimmt den Zuschauer mit, der mit ihm hofft und bangt und verzweifelt. Denn die Themen, um die es hier geht, sind universell wie ein Roman von Tolstoi: Freundschaft und Identität, Zorn, Angst und Schmerz, vor allem Schmerz. Denn die Reise ist auch ein Abschiednehmen, ein schrittweises Akzeptieren, dass der letzte Film von Allen schon im Kasten ist. »Trauer hat ihre eigene Zeit«, sagt Bauer. Nach und nach entdeckt er, wie wenig er von dem Mann weiß, mit dem er so viel Zeit verbracht hat, dem er so nahe zu stehen glaubte. Geblieben sind Allens Filme und sein flüchtiges Spiegelbild in einer Scheibe, das nur der entdeckt, der den Film in Zeitlupe laufen lässt.
Schließlich steht der Regisseur auf einer riesigen Müllhalde. Möwen kreischen über der trostlosen, planierten Ebene. Liegt irgendwo hier Allens Körper, für immer verschüttet unter Tonnen von Unrat? »Dies ist das Ende meiner Suche«, sagt Bauer und weiß noch nicht, was ihn erwartet.
Am Ende erzählt er einem Rechtsanwalt von den ungeheuerlichen Entdeckungen, die er gemacht hat. Doch der schüttelt nur bedenklich das Haupt. Anwälte sind eben vorsichtige Menschen. Doch dann sagt er: »Allen Ross muss wirklich ein prima Kerl gewesen sein, wenn so viele Menschen sich solche Mühe geben, ihn zu finden. Ich wäre ihm wirklich gern begegnet.« Und so ging es auch mir.