USA 2000 · 123 min. · FSK: ab 16 Regie: John Woo Drehbuch: Robert Towne, Ronald D. Moore, Brannon Braga Kamera: Jeffrey L. Kimball Darsteller: Tom Cruise, Thandie Newton, Dougray Scott, Ving Rhames u.a. |
Momente der Stille, Sekunden in Zeitlupe gedehnt zu Augenblicken aus Ruhe und Innehalten: Ein schöne Frau, die katzenhafte Diebin Nyah (Thandie Newton) im Feuergefecht zwischen zwei Männern, die sich belauern. Gut und Böse im Kampf und inmitten das Weib, das nicht nur im Kino traditionell für beide Seiten steht. In der Hand hat sie die letzte Ampulle mit dem millionenwerten Bio-Virus, den in Mission: Impossible II alle jagen. Sie muss sterben, denn für
welche Seite sie sich auch entscheidet, man wird sie töten.
So scheint es. Doch dann tut die Nyah das eine, was ihr Überleben sichern könnte, und injeziert sich selbst den Virus. Sie muss sterben, denn er ist tödlich. Sie muss leben, denn alle wollen an das heran, was sich jetzt in ihrer Blutbahn verteilt – der perfekte Diebstahl ist der, den man mit dem eigenen Körper begeht.
Dieser mit allen filmischen Mitteln ins Pathetische überhöhte und philosophisch tiefe Moment ist die Sternstunde dieses Films. Hier ahnt man, was Mission: Impossible II hätte werden können: Ein Bild-Poem über Lebenshunger und Todesdrohung, über den Körper als Transportmittel, und die Frau als Botin des Jenseits.
Mit einer Intensität, die ihresgleichen in den 90er Jahren nicht mehr hatte, war dies John Woo in seinem letzten Film Face/Off (1997) gelungen – und zugleich der Beweis, dass ein Actionfilm ohne Weiteres so komplizierte Themen wie Ich-Identität, Körper-Geist-Verhältnis und Schizophrenie behandeln kann, und dabei an Unterhaltungswert noch gewinnt.
Mit diesem Film hatte der Regisseur den Erwartungsdruck extrem hoch gesetzt, schon zuvor hatte keiner die Kernidee des Genres – Körper durch den Raum zu bewegen
– so virtuos und geschmeidig, so leichtgewichtig und tänzerisch in die Tat umgesetzt, wie die Action-Balette des Hongkong-Chinesen, der seit Mitte der 90er in den USA arbeitet.
Allenfalls noch Brian De Palma, der 1996 für den ersten Teil von Mission: Impossible verantwortlich war. Damals hatte er die Unverschämtheit begangen, mit allen Regeln des Agentenfilms zu brechen, und einen
Großteil seiner teuren Stars schon nach 30 Minuten sterben lassen, zugleich seinen Hauptdarsteller Tom Cruise eine persönliche Tragödie erleben lassen. So wurde aus dem Aufwärmen einer 20 Jahre alten TV-Serie der weitaus bessere James-Bond-Film und eine brillante Symphonie der Schwerelosigkeit.
Danach kam nur noch Matrix, der – ebenfalls stark vom Hongkong-Kino
beeinflusst – endgültig bewies, dass Menschen fliegen dürfen, jedenfalls im Kino, und zumindest technische Maßstäbe setzte, hinter die man heute nicht mehr ungestraft zurückfallen darf.
Und dies, nur dies ist das Problem von Mission: Impossible II. Wie gehabt bekommt Ethan Hunt (Tom Cruise, der diesen wie schon den ersten Teil selbst produzierte) einen »unmöglichen Auftrag«, eben die Vernichtung einer gefährlichen Bio-Waffe. Natürlich wird er es schaffen. Doch tut er das vergleichweise konventionell: Am interessantesten sind da noch die Mission-Impossible-Typischen perfekten Verwandlungen per Gesichtsmasken. Der Rest aber, viel Pyrotechnik, Geballer und rasante Verfolgungen können ebensowenig wie Hunts Liebesgeschichte im süßlichen-»romantischen« Hongkong-Stil über eine gewisse Ideenlosigkeit hinwegtäuschen. So langt es zwar für einen hochklassigen Action-Film. Gemessen an den drei erwähnten Vorbildern und dem, was man von John Woo erwarten durfte, ist Mission: Impossible II aber enttäuschend.
Ganz anders hat Herr Willmann den Film gesehen – und er hat eine wahre Ode verfaßt
Einst aber gab es eine Zeit, da waren sie unter uns. Da stand der verletzliche Fuß des Achilleus auf irdischem Boden, ein David klaubte der Schleuder aus dem Sand jenen Stein, der Goliath fällte, und sehet, selbst Christus, der HERR, wandelte, menschliches Fleisch, im Staub dieser Welt. Lang sind sie verschwunden, die Helden und Heiligen, die für uns und mit uns einstmals gelebt – dabei schon immer zu groß, ganz welche von uns zu sein. Wir fanden Ersatz, mit der Zeit: Projezierten uns nun unseren Pantheon als normperforiertes Phantasma an weisse Wände. Und Piehl und Fairbanks gebaren Flynn und Bogart, und diese gebaren Grant und Stewart, und sie gebaren Newman und McQueen, die gebaren Bronson und Eastwood, welche gebaren Schwarzenegger und Stallone. Kino-Kommunion mit Kreaturen kollektiver Träume, Transfiguration des Zelluloids. Denn siehe, dies ist ihr Leib, der für uns leidet – im Feuer der Explosionen getauft; geschunden, gemartert und blutend, im dritten Akte triumphierend wieder auferstanden nach dem Sieg über das Monster, unsere Angstausgeburt. Dann aber: Auch dieser flackernde Olymp für seine jungen Götter nicht mehr bewohnbar. Unsere Fantasie von der Welt änderte sich, und damit die Welt unserer Fantasien: Wir erträumten Existenz im digitalen Netz, Utopie im direkten Sinn des Wortes – Nicht-Ort. Ein Reich ohne Topographie, kartographierbar nur entlang der Assoziationen. Wo die Tür des Gedankens sofort Zutritt verschafft zu jedem beliebigen Raum. Wo Distanz psychisch ist und nicht physisch. Ein All-Staat, dessen Bürger – von ihren geburtgegebenen Körpern befreit – sich ihre Identitäten neu und immer wieder neu erwählen. Ein Cyberversum, in dem sich Macht allein in der Verfügung über Information lokalisiert. Da konnten an der Leinwand nicht lange mehr die Heldenbilder hängen bleiben von denen, die massive Körper durch realen Raum bewegten, auf der Jagd nach greifbarem Gewinn, in Kollision mit Materie und anderen Körpern. Verstoßen wurde St. Sylvester, der noch in Rocky IV den Sieg seines Naturleibs über den Semi-Cyborg Ivan Drago feierte – während in seiner Wohnung schon der Roboter rollte. Besser erging’s da noch dem Heiligen Bruce, immer schon mehr ein Kopf-Arbeiter, und Titan Arnold, der sich längst auf die Seite der Maschinenmenschen geschlagen hatte – aber es ist auch bei ihnen nur eine sanftere Fahrt über den Styx; kleinere, aber nicht minder stetige Schlucke von Lethe für ihre Anbeter. Eine andere, körperlose Generation steht längst bereit zur Wachablösung.
Kein Film der letzten Dekade hat diese Götterdämmerung, mit ihren Ursachen und Konsequenzen, so radikal genau erfasst wie Brian De Palmas Mission: Impossible. Es war vielleicht der erste Action-Film der Post-Action-Film-Ära: Der erste Film seiner Art, der ernsthaft darüber nachdachte, was in einer Welt, die Körper und Raum als Komponenten in einem virtuellen Kontext neu definiert, mit einem Kino-Genre geschieht, dessen Grundformel »Bewegung von Körpern durch Raum« ist. Der Film begann mit zwei Zimmern, dem einen auf einem Bildschirm, der im zweiten beobachtet wird. Kaum eine Minute, und alles, was wir uns über den video-repräsentierten Raum zusammengereimt hatten, wurde als Irrtum enttarnt – und eine Frau erstand auf von den Toten, und ein bärtiger alter Mann wurde plötzlich zu unserem jungen Held. Ein Film der fließenden Grenzen zwischen Identitäten, zwischen Räumen, zwischen Träumen und Realität, Wahrheit und Lüge. Eine Jagd nach immateriellem Text – der Zuordnung einer Liste mit Codenamen zu echten Namen – die dem Helden in der zentralen Sequenz die Auslöschung seines Körpers abverlangte: Das Abseilen in den weissen Hochsicherheits-Computerraum, eine lange, fast völlig stumme Szene, war das exakte Gegenstück zum Action-Kino davor. Der Weg zum Ziel verbat jedes Geräusch, jede merkliche Präsenz eines Körpers, jeden einzelnen Schweisstropfen. Kein Raum mehr für Rambo.
Ein Ergebnis davon aber auch die Frage: Wie weitermachen? Es blieb die Flucht zurück zum ehedem vertrauten Ritual, wie sie die James Bond-Serie nach ihrer GoldenEye-Epiphanie erschrocken vor der eigenen Erkenntnis angetreten hat. Es bot sich der Rekurs an auf die reinigende Naturkatastrophe, die alles Virtuelle hinwegfegt, -schwemmt und -stürmt. Es gab den Weg nach vorn, wo Baudrillards »Simulacra and Simulation« die ausgehölte Bibel spielt: The Matrix. Wohin aber sollte Mission: Impossible 2 den Kreuzzug fortsetzen? Dass es auf keinen Fall ein einfaches Abschreiten der selben Stationen des ersten Teils werden würde, offenbarte sich schon mit der Wahl des Regisseurs. In den einsamen Bergregionen der hohen Meisterschaft des Kinos, unter den wenigen der wirklich Erleuchteten, hätte sich kaum ein zweiter gefunden, dessen Lehre von der De Palmas so weit entfernt ist wie die John Woos. Und keiner, der scheinbar so gegen alles steht, was Mission: Impossible uns beibringen wollte. Bewegung von Körpern durch Raum – das ist DAS Grundelement von Woos Kino überhaupt. Er ist der einzige, der heute noch das essentielle Wunder des Kinematographen spürbar machen kann, der uns über die so vertraut gewordene Tatsache der technisch festgehaltenen und reproduzierten Bewegung so staunen lassen kann, wie es das Publikum der Lumières 1895 tat. Es wurde oft gesagt, aber man kommt einfach nicht umhin, es zu wiederholen: In John Woos Filmen ist alles Tanz. Dass seine Action-Szenen Ballette sind war seit A Better Tomorrow in jedem seiner Werke offensichtlich. Aber das Phänomen geht tiefer: Bewegung an sich, sei es die von Körpern, Gesichtern, Gegenständen oder der Kamera, ist bei Woo Teil einer Choreographie. Und Choreographie meint mehr als durchgestalteter Tanz – Choreographie heisst, Bewegung als Ausdrucksmittel zu benutzen, bedeutet eine Semantik der Kinese. In keinem seiner amerikanischen Filme, auch nicht in Face/Off, war das bisher derart konzentriert und durchgängig spürbar wie in Mission: Impossible 2. (Möglicherweise gilt diese Aussage nicht für Woos ursprüngliche Schnittfassung von Hard Target, aber das lässt die einzig zugängliche, vom Studio erheblich verunstaltete Version nur ahnen.) Wo Mission: Impossible seine filmischen Mittel immer wieder einsetzte, um Verstehen bewusst zu erschweren; wo De Palma mit der Verwirrung des Publikums spielte, ist M: I 2 ein Film, in dem sich fast alles Wesentliche sogar ganz ohne die Dialoge erschließen könnte. Das heisst nicht: Sprache ist hier überflüssig. Sondern: Sprechen ist sekundär, die wahre Sprache ist eine der Körper. Dialogszenen werden zum pas-de-deux der Blicke, Gesten bedeuten alles, und wieder und wieder ist es nicht der Schnitt, sondern das Schwenken, Fahren, Gleiten der Kamera, das Zusammenhänge herstellt, Assoziationen stiftet, Gedanken verfolgt, und das in räumlichen Konstellationen seelische nachzeichnet. Ein bisschen Empfänglichkeit für filmische Feinheiten vorausgesetzt, ist Mission: Impossible 2 nicht nur in seinen Action-Szenen zunächst einmal einfach ein Erlebnis von überwältigender Sinnlichkeit, lebt auch als Erfahrung von einer unmittelbaren Körperlichkeit, ist ein unter der Haut prickelndes Bad in einem mit atemberaubender Meisterschaft gelenkten Bilderfluss.
Der Tanz wird – denn Woo ist selbstverständlich dessen völlig bewusst, was er tut – früh im Film ganz explizit als Element etabliert: Die erste Begegnung von Ethan Hunt/Tom Cruise mit Nia Nordhoff-Hall/Thandie Newton ist ein raubtierhaft-anmutiges Zirkeln um eine Flamenco-Gruppe – eine dieser Szenen, die kein Wort brauchen, um alles zu sagen. Und die bei weitem das transzendieren, was sie innerhalb des bloßen Plots repräsentieren: Das ist nicht das Treffen von Hunt und Nordhoff-Hall, nein, DER HELD und DIE FRAU sehen sich hier, und sehet, sie erkannten sich. Eine Szene mit der Aura des Archaischen, des Archetypischen. Denn Woo ist auch ein Mann der klassisch-geraden Linien, einer, dessen Plots gerne die Reinheit, Klarheit, Unausweichlichkeit griechischer Tragödien besitzen. Einer, dessen besondere Stärke in der Überhöhung edler Einfalt, der Monumentalisierung stiller Größe liegt. Einer, der Kino auch als Ritus begreift, als streng inszenierte, kathartische Aktualisierung ewiger Grundformeln.
Darin findet Mission: Impossible 2 dann auch zu einem Teil den Ausweg aus dem Refugium des Vorgängerfilms, ohne sich den Pfad der Ankunft zurückschleichen zu müssen. »Every search for a hero must begin with something every hero needs: a villain. Therefore, to create our hero Bellerophon, we started by creating a monster – Chimera,« ist das erste, was wir hören, und damit ist schon die Bühne des Amphitheaters bereitet: Wir sind im Reich griechischer Mythologie, in der Zeit klassischer Helden und in einem Diskurs um den HELDEN an sich. Das könnte immer noch Regress, Ausweichmanöver, Flucht sein, ein wohlfeiler Weg zur für Woo unumgänglichen Re-Etablierung der Körper. Doch deren zentrale Bedeutung ist in M: I 2 tiefer eingeschrieben und durchaus zeitgemäß motiviert. Nicht um den Besitz ungreifbarer Informationen geht es hier, wie mit der Codenamen-Zuordnung in Mission: Impossible (wo explizit die Daten, nicht der Datenträger das Objekt der Begierde waren – die Diskette fällt am Ende der Gegenseite in die Hände, doch nutzt dieser das nichts, weil die Übertragung der Daten an die nie genannten oder gar gesehenen Hintermänner fehlschlägt). Entsprechend dem steigenden Kurs der Biotechnologie in unserem Weltbild lokalisiert sich die Macht in einem Virus – der gleich zu Beginn des Films in den ersten Körper aufgenommen wird. So wird der Leib wieder zum Träger von Heil und Unheil – um den Preis seiner potentiellen Auflösung. Körper und Antikörper, Held und Widersacher: Eines der Grundthemen in fast allen Action-Filmen von Woo, dass sie zwei Seiten der selben Medaille, Zwillinge, Spiegelbilder sind. Hinter Ethan Hunts Gesicht verbirgt sich zu Anfang das Monster – wir hätten so etwas ahnen können, gleich als wir in der Rolle des Wissenschaftlers Rade Sherbedgia sehen, der unlängst Tom Cruise erst mit Maske und Verkleidung versorgt hat, in Eyes Wide Shut. Es ist dennoch nicht die Welt der instabilen Identitäten aus Mission: Impossible, sondern ein eher symbolisches shape-shifting, das subkutane Verbindungen freilegt. Wenn Leute in diesem Film scheinbar die Körper wechseln, so ist stets gleich ernstzunehmen, was wir an der Oberfläche sehen, wie das, was wir über das Spiel hinter der Maske wissen. Der erste Ethan Hunt in M: I 2 ist in gewisser Weise Ethan Hunt aus Mission: Impossible. Er ist zu Hause in der Welt der High-Tech, und selbstverständlich misst er dem Körper des Wissenschaftlers keine Bedeutung bei sondern vermutet den Preis in der Aktentasche. Spiegelbildlich zur Eröffnung von De Palmas Film enttarnt sich hier nicht ein uns Unbekannter als unser Held, sondern unser vermeintlicher Held als der Widersacher.
Unseren wahren Helden – der Ethan Hunt heisst, aber nicht wirklich mit dem Ethan Hunt aus Mission: Impossible identisch ist – lernen wir anders kennen. In der Felseinsamkeit des amerikanischen Westens tanzt er ein Steilwand-Solo, ist allein und ganz eins mit seinem Körper, erobert spielend den Raum. Mit diesem Abstecher ins Monument Valley, den eröffnenden Bildern von Sydney, dem kurz darauf folgenden Aufenthalt in Spanien suggeriert Mission: Impossible 2, wie auch sein Vorgänger, touristische Intentionen – und löst sie, gleich De Palmas Film aber aus anderen Gründen, nicht ein. Seit den Lumières lockt das Kino mit Kinematographien ferner Orte, und besonders in den 50ern und 60ern war Film als Urlaubsersatz eine Attraktion – was sich im Action-Genre spätestens mit der James Bond-Reihe etabliert hat. Mission: Impossible spielte mit diesem vertrauten Reiz »exotischer« Drehorte, macht sich aber zugleich immer wieder subtil lustig über die in seinem Paradigma veraltete Vorstellung der Reise. Der Ort Europa will die Kriterien der Exotik nicht auf gewohnte Weise erfüllen; ein Stützpunkt der Helden ist ein aufgegebenes Reisbüro, an dessen Wänden die Urlaubsziele in Fetzen hängen; in London sitzt man vor Glasbildern von Venedig; und zum Finale wird der Chunnel-Zug, aktuellster Triumph der mechanischen Überwindung von Raum, lahmgelegt. M: I 2 hingegen ist tatsächlich die Geschichte einer Reise – allerdings ohne Geographie. Woo sucht nicht das Spezifische der Orte und Landschaften; so, wie es bei ihm nicht um Ethan Hunt geht, sondern um den HELDEN, geht es nicht um Sydney, sondern die STADT. Topos statt Topologie – die Orte werden nicht in den Kontext ihrer konkreten Lage und Geschichte eingebunden, sondern in den ihrer Funktion. Monument Valley ist sicher nicht frei von der Konnotation, der klassische Western-Raum John Fords zu sein, aber vor allem ist es in M: I 2 ein archaischer, nicht lokalisierbarer Ur-Raum. Und in genauer Umkehrung des Western-Mythos, wo die regenerationsbedürftige Zivilisation ihre Konflikte in die Wildnis jenseits der Frontier trägt, um sie durch Gewalt ohne Sanktionen lösen zu können, folgt John Woo seinem Helden auf der Reise IN die Zivilisation.
Für einen Moment hängt der HELD am Felsen (zarte Echos von Prometheus?), die Arme weit gespreizt, das Gesicht von Schmerzlust verzerrt – ein Christus, der bereit ist, die Sünden der Welt für uns auf sich zu nehmen. Die Welt lässt nicht lange auf sich warten: Das erste Eindringen von Zivilisation und ihrer Technologie in diesen Raum ist inszeniert mit Bildern der Bedrohung. Ein schwarzer Hubschrauber nähert sich, feuert scheinbar eine Waffe. Doch der scharfe Kontrast, die eben noch klare Opposition von Natur und Kultur, wird sofort aufgeweicht, mediiert. Im vermeintlichen Geschoss befindet sich eine Brille, die das Mission Briefing in sich trägt. Kein »Do you like the cinema of the Ukraine« wie in Mission: Impossible – Hinweis auf kulturell geprägte Differenzen ästhetischer Diskurse – und die Brille nicht wie dort als Instrument, das Blickwinkel von Körpern trennen kann. Sondern eine Überlagerung: Mettre sous rasure der Landschaft, der Ur-Raum als nicht gänzlich ausradiertes Palimpsest. Der Auftrag und mit ihm die Welt der Menschen, ihrer Gemeinschaft und ihrer Technik schreibt sich halbdurchsichtig über das Panorama, transformiert es, statt es auzulöschen. Und bringt als erstes mit sich, wenn auch noch in virtueller Form – die FRAU.
Zum ersten Mal bei Woo (seine frühen Auftrags-Komödien nicht mitgerechnet) geht es in Mission: Impossible 2 im Zentrum eines Films nicht um die Beziehung zweier Männer, sondern um die des Helden zu einer Frau. Die filmischen Welten, die John Woo erschafft, sind eigentlich – ganz seinem Haus-Propheten Peckinpah folgend – Männerwelten. Es ist ein wenig, als befänden wir uns da immer in den früheren Tage der Schöpfung, als die Frau noch ein mysteriöses Versprechen ist. Das sind keineswegs frauenfeindliche Fantasien von Welt, oft eher sogar von einem gentlemenhaften, leicht antiquiert anmutenden, ängstlichen Respekt vor Frauen geprägt – das weibliche Prinzip als Prinzip Hoffnung. Die Konstellation von HELD und FRAU in M: I 2 ist die eines Mythos der Kulturstiftung, oder zumindest der Kulturperpetuierung. Das erste, was in der Eröffnungssequenz Rade Sherbedgia als virusverseuchter Wissenschaftler in einer Angstvision sieht, sind spielende Kinder. Es ist Woos seit A Better Tomorrow bekannte Chiffre für (fragile, bedrohte) Unschuld, aber auch eine thematische Setzung, die (bis sie im Schlussbild explizit wieder aufgenommen wird) den Film hindurch im unsichtbaren Hintergrund mitzulesen ist. Es geht in M: I 2 unterschwellig auch um die Frage nach der nächsten Generation und ihrer Zeugung. Freilich ist dies Teil der Struktur fast jedes unserer allbekannten Helden-Plots: Im Kampf gegen das Monster stellt der HELD die Ordnung der Zivilisation wieder her, im Resultat des heterosexuellen Paares, das Ziel so vieler unserer Geschichten ist, ist das Versprechen von Nachkommen stets implizit. Aber M: I 2 ist mehr als nur eine weitere, blinde Aktualisierung dieser Muster: Einerseits meißelt er dieses tragende Skelett bewusst überhöht und klar heraus, andererseits findet er Wege, es in subtil ungewohnten Positionen zu arrangieren und es in fremdes Fleisch zu kleiden.
In seinem Rekurs auf den griechischen Mythos von Bellerophon und dem Halbwesen Chimäre exponiert Mission: Impossible 2 das Schema des Monsters in seiner reinsten, ursprünglichsten Form: Die Wurzel des Wortes Monster ist »monstrare«, das lateinische Wort für »Zeigen«. Das Monster ist der fleischgewordene Zusammenbruch der Kategorien, das Aufzeigen der fundamentalen Grenzziehungen und Grundannahmen einer Kultur. In seiner Existenz negiert es diese Grenzen, in seiner Funktion bestätigt es sie: Indem es das jenseits der Grenze Befindliche, Nicht-Normale, eben Monströse personifiziert, zeigt es das eigentlich nicht Denkbare als Denkbares. Was das Ordnungssystem nicht zulässt, ist im Monster Wirklichkeit geworden – wo die Begriffe nur Schlangen ODER Löwen kennen, ist die Chimäre beides. Das Grauen des Monsters ist das Grauen der verdrängten, negierten Möglichkeiten. Deswegen gibt es zu jedem Monster auch eine Geschichte, in der die Vernichtung des Monsters durchexerziert, die Grenzüberschreitung bestraft wird – der Held sorgt für den Beweis, dass das Monströse nicht überlebensfähig ist. Das Monster ist nur ein Faktor in einer narrativen Gleichung, deren Auflösung die erneute Festschreibung der alten Kategorien und Differenzen ergibt. In M: I 2 aber diffundiert das Monströse. In Gestalt von Ethan Hunts direktem Gegenspieler Sean Ambrose ist es oft unangenehm nah an unserem HELDEN: Er ist (Ex-)Agent der selben Behörde, (Ex-)Partner der selben Frau und nimmt zweimal gestaltwandelnd die Identität des Helden an – ein dunkler Schatten Hunts, ein Bild von ihm through the looking glass. In Gestalt des Virus ist es free-floating, beliebig injizierbar – und versetzt für 20 Stunden ins Grenzland, ins Fegefeuer, in den Graubereich zwischen den grundlegendsten Kategorien von allen: Leben und Tod.
Der Moment, in dem sich Nyah den Virus spritzt, das Monster internalisiert, ist der Nexus aller entscheidenden Ebenen des Filmes. Es ist der Scheitelpunkt der Parabel der Reise des HELDEN von der Felsenwüste in die Zivilisation und zurück: Er hat sich (in einer deutlichen Remineszens an das Abseilen in den weißen Raum in Mission: Impossible) in den technisiertesten, »unnatürlichsten« Raum in der Welt des Films begeben, seinen Körper verhüllt, fast verleugnet, er hantiert mit Maschinen und Geräten. Es ist das erste direkte Zusammentreffen von Held und Monster. Und es ist die entscheidende Verlagerung von der Jagd nach Informationen und Gegenständen (den Ampullen) zum Ringen um einen (Frauen)Körper. Anders als im pessimistischen ersten Mission: Impossible, wo die einzige potentiell für eine Paarung (im doppelten Sinne) mit dem Helden Hunt in Frage kommende Frau sich als Verräterin enttarnte und erschossen wurde, wo eine mögliche Rückkehr der Körper in die Gleichung des Films auf dieser Ebene konsequent verhindert wurde, geht es in M: I 2 um die Bewahrung des Frauenkörpers und mit ihm der Chance einer (wiederum im doppelten Sinne) Fortpflanzung. Das einzige Stück ausführlich etablierter HighTech, das einzige von den Helfern des Helden ausgiebig genutzte Exemplar Technologie ist (stärker könnte der Kontrast zur Welt von De Palmas Mission: Impossible kaum sein) ein Computer, der die genaue Lokalisierung von Nyahs Leib im physischen Raum erlaubt. Das Heil liegt in einer (durchaus schwierigen) Re-Konstruktion von Physis und Topologie. Worum es allerdings keineswegs geht, ist eine »Reinerhaltung« der FRAU. Die Folie für M: I 2 ist Hitchcocks Notorious – das ist nicht nur offensichtlich, sondern will es auch sein: Die Sequenz auf der Rennbahn ist von Woo und Drehbuchautor Robert Towne (der seit seinem Chinatown ja nicht zu Unrecht als einer der Großen seiner Zunft gilt) zweifelsohne als Zitat intendiert, das das Vorbild bewusst dingfest macht. Das Hitchcocksche Dreieck von Cary Grant-Ingrid Bergman-Claude Rains deckt sich fast identisch mit dem von Tom Cruise-Thandie Newton-Dougray Scott – nur dass zwischen Grant und Rains keine solch starke Verbindungslinie verlief wie zwischen Cruise und Scott. Die Grundkonstellation ist jedenfalls die selbe: Die eigentlich dem Helden zugedachte Frau muss sich in das Reich des Gegenspielers begeben und dessen Partnerin werden, um für die Auftraggeber des Helden essentielle Informationen zu beschaffen – sleeping with the enemy in offizieller Mission. Am Vollzug des Auftrags lässt M: I 2 (anders als Notorious, der sich eine Freude daraus macht, ein wenig mit dem vom production code aufgezwungenen Unsicherheitsfaktor diesbezüglich zu spielen) keinerlei Zweifel: »She isn’t doing anything she hasn’t done already,« bringt Ethan Hunts Chef die Sache auf den Punkt. Das allein sollte es nach den gewohnten Regeln eigentlich unmöglich machen, der Frau am Ende die Zusammenkunft mit dem Helden zu erlauben. Sie hatte das Monster in sich, in zweifacher Weise (wobei Nyahs langsames Sterben an Chimera aufs Schönste mit der Arsen-Vergiftung parallel läuft, die Ingrid Bergmann in Notorious verzehrt), hat sozusagen vom verdorbensten aller Äpfel gegessen. Bergmann wird am Ende von Notorious von Grant gerettet, aber nicht geküsst (und wirkt ohnehin so hinfällig, dass vorerst an dergleichen Aktivitäten nicht zu denken ist), das Schlussbild ist nicht eines dieses Paars, sondern versichert uns des bevorstehenden Untergangs des Schurken, des »Monsters«. (Das aber, weil wir in einem Hitchcock-Film sind und dort die Dinge nie so einfach sind, wie Hollywood sie gerne verlangt, in Gestalt von Claude Rains in jeglicher Hinsicht viel weniger monströs gezeichnet ist als der nominelle Held Cary Grant.)
Aber mehr noch. So bewusst Mission: Impossible 2 vermeidet, im Laufe seiner Haupthandlung Fuß auf US-Territorium zu setzen, so bemüht die Fotographie ist, alle Gesichter in Schattierungen von Braun zu tauchen, so deutlich britisch der Akzent und halb-nordisch der Name von Nyah Nordhoff-Hall ist: Wir haben es mit einem amerikanischen Action-Film zu tun und verhandeln also zuerst einmal Amerika; wir befinden uns im Reiche Hollywoods und somit in einem rassistischen System. Hautfarbe spielt hier eine Rolle. Wann immer das US-Kino in den letzten Jahren einen großen Studio-Film auf eine Konstellation hinauslaufen ließ, in der sich ein Paar von unterschiedlicher Hautfarbe ergab, wurden sofort narrative Sicherungsmechanismen aktiviert, die verhinderten, dass es in der Welt des Films zu dem kam, was das sich gern liberal gebende Hollywood nicht mehr »Rassenschande« nennt, aber immer noch als solche betrachtet. Von Executive Decision über Bodyguard, Drop Zone bis Eraser: Immer ist das Thema Rasse unterschwellig mit Motor und Treibstoff für die Gewaltausbrüche. Und immer wird am Ende der Kuss verhindert oder in den Bereich der puren Fantasie gerückt, der Held symbolisch entmannt oder das Paar getrennt, nie gibt es eine Liebeszene (John Badham freilich hat sie als Fallschirmsprung getarnt dann doch hineingeschmuggelt). Die wenigen Ausnahmen bleiben pure Utopie (das ganz zu Unrecht viel gehasste Ende von Kathryn Bigelows Strange Days) oder sind ganz emphatisch schwierig verhandeltes Hauptthema des Films (One Night Stand). Es ist ein ziemlich offenes (wenn auch selbstverständlich nie laut hinausposauntes) Geheimnis Hollywoods, dass Produzenten ziemlich genaue Kalkulationen vorliegen, mit welchen Umsatzrückgängen sie in ländlichen Gegenden und den Südstaaten (aber auch bei weiten Teilen des schwarzen Publikums) zu rechnen haben, wenn auf der Leinwand ein »gemischtrassiges« Paar zu sehen ist, und auch generell bei der Vergabe von Rollen ist Hautfarbe sehr bewusst noch immer ein ganz entscheidender Faktor. Es ist so zynisch, wie es klingt: Wie solche Konstellationen (ohne tödlichen Ausgang im Kino ohnehin erst ab den 70ern denkbar – wo sie für ein paar wenige Jahre sogar durchführbar waren) sich ab den 90ern häufen, ist direkt proportional zur steigenden allgemeine Popularität afro-amerikanischer Stars und Ergebnis eines reinen Aufrechnens von Verlust- und Gewinnerwartungen. So wollte das Studio auch in Mission: Impossible 2 (der Nyahs Hautfarbe nie erwähnt oder an der Oberfläche thematisiert) verhindern, dass es zwischen Tom Cruise und Thandee Newton auf der Leinwand zum Äußersten kommt – Tom Cruise als Produzenten ist es zu verdanken, dass das keinen Erfolg hatte.
Wenn Nyah beim Finale siech im Hubschrauber sitzt, Sekunden vor dem Tod, so ist das dann auch kein Moment des drohenden Scheiterns, sondern ein Angebot: Die Regeln Hollywoods würden ihr nun eigentlich den Opfergang abverlangen, sie müsste Märtyrerin werden. Denn alles, was sie dem Helden noch bieten kann, ist eine im Denken des Systems mehrfach befleckte Empfängnis. Sie hat mit dem menschlichen Monster geschlafen (das alte »fate worse than death«, das zu verhindern früher in den Western den Frauen beim Indianerüberfall stets eine letzte Kugel im Revolver überlassen wurde, um selbiges sich noch rechtzeitig selbst ersparen zu können), sie hat die Chimäre in sich getragen, und sie ist anderer Rasse. Das kategorienerhaltende Heil der Gesellschaft – aus der sich die Infizierte schon wohlweislich selbst entfernt hat – läge in Nyahs Selbstauslöschung, in der Auflösung ihrer Identität und der endgültigen Transformierung ihres Körpers in ein pures Zeichen des Monströsen. (Das ist es auch, was der von Anthony Hopkins gespielte Vorgesetzte Ethan Hunts, die personifizierte Instanz des Systems in der Welt des Films also, explizit als Resultat erwartet – Hunt soll den Virus überbringen, und das heißt die tote Nyah.) Der HELD könnte dann zurückkehren in seinen menschenleeren Fels-Olymp, der ohnehin nur einen Steinwurf weit weg zu sein scheint von dem Ur-Strand des Endkampfes. Der Hubschrauber müsste verschwinden, so wie der andere ganz zu Anfang erschienen ist, und der Zirkel hätte sich geschlossen; Held und Monster hätten sich in einem Nullsummenspiel wieder aus dem Raum der Zivilisation gelöscht (so wie der Plan von Virus Chimera und Impfstoff Bellerophon letztlich ein Nullsummenspiel ist, in dem Problem und Lösung gleichzeitig kreiert werden). Eine affirmative Iteration eines alten Ritus, der jedesmal neu erschafft, was schon ewig besteht.
Aber Robert Towne und John Woo schenken uns den Gnadenakt eines Endes, das das erste happy end Woos ist, das gerade nicht durch die Konvention Hollywoods vorgeschrieben ist, sondern sie bricht. Das erste, das eine überzeugend gangbare Alternative zum tragischen Ausgang seiner Hong Kong-Filme ist. Das erste, das er nicht wie die ihm aufgezwungene Coda von Face/Off filmisch als Traumprojektion inszenieren muss, um den Film zu retten. Wie mir Mission: Impossible 2 generell die erste wirklich völlig gelungene Synthese von Woos Hong Kong-Ästhetik und seiner angestammten Themen mit den Belangen und Gepflogenheiten des US-amerikanischen Kinos scheint (nach dem vom Studio verkrüppelten Hard Target, dem unpersönlichen Broken Arrow und Face/Off, bei dem trotz aller Größe dennoch durchschien, dass er eher der Versuch einer Transposition von Woos Hong Kong-Filmen nach Amerika war als eine Auseinandersetzung mit den Differenzen), ist das Ende des Films Woos erste geglückte Verbindung von Tiefe und Verzicht auf Tragik. Von dem Moment an, da Nyah sich den Virus gespritzt hat, führt der Weg des HELDEN wieder Schritt für Schritt konsequent aus den Räumen der Zivilisation heraus. Schicht um Schicht wird abgetragen, Dekors, Kostüme, Gerätschaften, alles nähert sich wieder dem Urzustand der Felsenöde. Als wollten die Explosionen, das Feuerbad Technologie und Zivilisation wegsprengen wirkt das Action-Gewitter, und Woos furiose, fulminante tour de force wird auch beim Zuschauen immer mehr zur unmittelbar körperlichen Erfahrung, zum orgasmischen Adrenalin-Rausch. HELD und MONSTER lassen alles Zivilisatorische hinter sich, Architektur (in Form des Bunkers mit seinen Steinwänden schon einen deutlichen Schritt von der kalten, komplett künstlichen Metallwelt des Labors entfernt) ebenso wie andere Menschen – ihre Jagd ist ein Trip zurück in der Zeit, ihre Motorräder werden zu Ritterpferden, bevor auch sie verschwinden, die Waffen werden abgelegt, und schließlich bleiben nur zwei sich mano a mano aufs Blut bekämpfende Männer in archaischer Landschaft, an einem Strand, der so aussieht, wie vielleicht schon der allererste Schauplatz eines Kampfes zweier Menschen ausgesehen hat, vor den berstenden Wellen des Meeres, aus dem unsere evolutionären Vorfahren einst gekrochen sind.
Kein Raum, wie gesagt, für die FRAU, die da im Hubschrauber angeflogen wird, und die von Anfang an deutlich in der Zivilisation verankert war. (Bereits die erste sexuelle Annäherung – nach dem Vorspiel in der trockenen Badewanne – zum HELDEN ja nicht Haut an Haut, sondern über Maschinerie und Metall vermittelt im Ballett der Autos.) Liest man bis dahin alle Zeichen konsequent, scheint ihr Schicksal besiegelt. Und dann doch: Der HELD kehrt um auf seinem Weg. Er tritt die Waffe – Werkzeug, Technologie – wieder frei aus dem Sand, benutzt dieses Stück Zivilisationserrungenschaft, diese körperentfremdende Technologie des Tötens, um dem Monster den coup de grâce zu versetzen. Und wäscht hinweg alle Sünden, er, der zuvor durchs Schattenreich wandelte, starb und wieder auferstand (die Masken, wie gesagt, sind ernstzunehmen in diesem Film – sowohl Hunts Transformation in den toten Wissenschaftler als auch der Tod des Feindes mit Hunts Gesicht). Er, der das Versprechen seiner Kreuzigungspose zu Beginn des Filmes einlöst, und das seines Erscheinens gemeinsam mit dem Heiligen Geist (die weiße Taube, Woos altvertraute Chiffre – hier erstmals ganz direkt im Kontext christlicher Ikonographie zu lesen). Er wird zu mehr als nur dem Drachentöter. Er hebt hinfort die Spuren des Bösen, tilgt alle Schuld und Befleckung – sein langer Feuerlauf nicht eine Flucht zurück in einsame Wüste, sondern ein Akt der Reinigung und Läuterung der Zivilisation (»By fire – it’s the best way, really,« sagt er). Der Held aus Utah siegt mit Macht – und steigt danach herab zu uns. Er lässt uns nicht allein. Am Ende stehen Gott und Sterbliche, Mann und Frau, schwarz und weiß. Und sind vereint. »Let’s get lost«. In diesem Bild, das von Familien, Kindern nur so wimmelt. In diesem Bild, das sie langsam schluckt, unkenntlich macht. Unter all diesen ganz normalen Menschen. Keine Titanen, kein Monument, kein Stein. Sondern Wärme, Hoffnung, Leben. Immer kleiner wird der HELD, die FRAU. Und sie werden wandeln unter uns, und wir werden sie nicht erkennen, und sie werden sein Blut von unserem Blute, Fleisch von unserem Fleisch. Und sie werden lieben.
Und werden eine Chimäre zeugen.
Finis laus Deo