Midnight In Paris

Spanien/USA 2011 · 94 min. · FSK: ab 0
Regie: Woody Allen
Drehbuch:
Kamera: Darius Khondji
Darsteller: Owen Wilson, Kathy Bates, Adrien Brody, Carla Bruni, Marion Cotillard, Rachel McAdams u.a.
Ingmar Bergmann-Psychologie ist das nicht

Auf einem netten, vergnüglichen Nostalgietrip

Ein netter Film. Ist „nett“ ein abwer­tendes Urteil? Das kommt auf die Erwar­tungen an...

Mit netten Post­kar­ten­mo­tiven und der hinläng­lich bekannten Jazz­un­ter­ma­lung führt uns Woody Allen jeden­falls in seiner 42. Regie­ar­beit auf die denkbar platteste Weise in die Touris­ten­stadt Paris ein. Alles signa­li­siert unkom­pli­zierte Unter­hal­tung, aber auch eine gewisse Lieb­lo­sig­keit bei der Location-Suche. Der erfolg­reiche Hollywood-Dreh­buch­autor Gil Pender (Owen Wilson) ist mit seiner Verlobten Inez (Rachel McAdams) in der Stadt der Liebe, um seine Hochzeit vorzu­be­reiten. Schnell zeigt sich aber, dass die beiden überhaupt nicht zusam­men­passen, keine Sekunde wirken sie als verliebtes Paar. Das kennen wir aus vielen ameri­ka­ni­schen Filmen, in denen der Zuschauer nach dem ersten Griff in die XXL-Popcorn­tüte merken soll, dass hier keine echte Liebe­s­op­tion vorliegt. Ingmar Bergmann-Psycho­logie (immerhin ein früheres Vorbild von Allen) ist das nicht.

Gil will mit einem ambi­tio­nierten Roman den billigen Erfolgsweg als Dreh­buch­autor verlassen und echte Literatur schreiben. Seine Verlobte will Shoppen, Tanzen und Spaß haben und schließt sich sehr schnell ihrem Jugend­freund Paul an, der mit seiner Partnerin auch zufällig in Paris ist. Dieser Paul (schön unsym­pa­thisch gespielt von Michael Sheen) erweist sich als wandelndes Lexikon und Kultur­genie, er kann ebenso durch Versailles führen wie bei der Weinprobe bril­lieren oder die Frem­den­füh­rerin (harmlos: Carla Bruni) auf kleine Fehler hinweisen. Gil überlässt ihm das Terrain, sondert sich zunehmend ab und wandert allein durch Paris.

Durch magische Umstände, und hier nimmt der Film wirklich Fahrt auf, gelangt Gil plötzlich in das Paris der Zwanziger Jahre. Gil kann sein Glück kaum fassen, denn ihm begegnen im Minu­ten­takt seine kultu­rellen Helden. Zur Musik von Cole Porter feiert er mit den Fitz­ge­ralds, disku­tiert mit Hemingway oder dem verspon­nenen Salvador Dali. Gertrude Stein liest seinen Roman Korrektur und die hinreißende Adriana wird seine Muse, nachdem sie mit Picasso Schluss gemacht hat. Dieser nost­al­gi­sche Zeit­sprung lässt natürlich kein Klischee aus, aber er macht, vor allem dank der erst­klassig besetzten Rollen, einen Riesen­spaß. Während Owen Wilson in diesem bunten Treiben ein Fremd­körper bleibt – den roman­ti­schen Nost­al­giker und auch den feurigen Liebhaber nimmt man ihm nicht ab – haben Marion Cotillard als sinnlich-geheim­nis­volle Adriana, Corey Stoll als vital­d­reister Hemingway, Kathy Bates als burschi­kose Gertrude Stein und Adrien Brody als durch­ge­knallter Dali herrliche und witzige Auftritte.

Zurück im heutigen Paris, muss sich Gil ständig neue Ausflüchte einfallen lassen, um ein Doppel­leben führen zu können, das Ende der Beziehung zu Inez ist vorpro­gam­miert...

Woody Allen nimmt uns mit auf einen vergnüg­li­chen Nost­al­gie­trip in eine von ihm selbst verklärte Zeit der ameri­ka­nisch-europäi­schen Kultur­blüte. Bekannte Themen seines Werkes wie der Autor mit Schreib­hem­mung, das nicht zusam­men­pas­sende Paar treffen hier auf magische Elemente, wie wir sie aus Purple Rose of Cairo oder Alice kennen. Die mögliche Botschaft: Bekenne dich zu deinen Vorlieben, sie können ein schöner Traum sein, aber auch Menschen zusam­men­bringen (wie Gil und die süße Platten-Verkäu­ferin Gabrielle am roman­ti­schen Ende des Films). Sein Elter Ego Owen Wilson übernimmt dabei aus Allens Stan­dard­re­per­toire die liebens­werte Schus­se­lig­keit und Harm­lo­sig­keit und das oft ratlose Agieren, hat aber insgesamt wenig typische Allen-Pointen, ein nettes Aussehen und darüber hinaus wenig Inter­es­santes anzu­bieten. Viel­leicht ist das ein Grund, warum der Film dann doch nur nett geworden ist.