Mister Link – Ein fellig verrücktes Abenteuer

Missing Link

USA 2019 · 95 min. · FSK: ab 6
Regie: Chris Butler
Drehbuch:
Kamera: Chris Peterson
Schnitt: Stephen Perkins
Leicht, verspielt & intelligent

Abenteuer in Ambivalenz

Filme des Stop-Motion-Anima­tions-Studios Laika sind eigent­lich immer ein großer, über­ra­schender Spaß, denn anders als die großen Anima­ti­ons­stu­dios von Dream­Works , Disney (zu denen inzwi­schen ja auch Pixar gehört), und Sony ist Laika das Studio, das die pädago­gi­schen Grenzen des für Kinder Zumut­baren am stärksten und äußerst innovativ erweitert hat. Ein Laika-Film war immer auch ein herrlich großer Schrecken, der fast immer lange Gespräche zwischen Kindern und Eltern garan­tierte. Düster und morbide, aber gleich­zeitig auch konstruktiv und aufbauend kritisch thema­ti­sierte Coraline den zunehmend gesell­schafts­fähig werdenden Über- und Heli­ko­pter-Tick von Eltern. In ParaNorman ging Laika ebenso souverän mit Tod, Sexua­lität und Homo­se­xua­lität um und schuf ein grund­sätz­li­ches Plädoyer für das »Anders­sein«, das in Boxtrolls noch mal um die Demagogie poli­ti­scher und gesell­schaft­li­cher Into­le­ranz intel­li­gent und witzig zugleich erweitert wurde. Was für Filme!

Und selbst die letzte Produk­tion Kubo – Der tapfere Samurai – fast schon zu perfekt animiert und vorher­sehbar – wurde gene­ra­ti­ons­über­grei­fend und aufregend ein wichtiges Thema verban­delt: die Trau­ma­ti­sie­rung von Kindern durch den Tod ihrer Eltern bzw. die Abwe­sen­heit von mora­li­schen Bezugs­per­sonen bei der Erziehung gegen­wär­tiger Gene­ra­tionen von Kindern.

Auch die neueste Laika-Produk­tion von ParaNorman-Schöpfer Chris Butler geht wie Kubo nicht ganz den radikalen Weg früherer Laika-Filme und lässt sich deshalb auch ohne Vorbehalt als ganz­heit­li­ches Fami­li­en­ver­gnügen empfehlen. Zwar wird auch in Mister Link – Ein fellig verrücktes Abenteuer der Ernst des Lebens auf den Prüfstand gestellt, wird von bildungs­bür­ger­li­chem Mobbing in Wissen­schaft­ler­kreisen erzählt, sterben Menschen offen­sicht­lich (und nicht anima­ti­ons­tech­nisch verdruckst) und weigert sich Butler, das Ende mit dem üblichen Schmalz ameri­ka­ni­scher Anima­tions-Kultur zu bestrei­chen. Doch andrer­seits über­rascht Mister Link mit einer Leich­tig­keit, ja heiteren Verspielt­heit, die ich bei Laika nie für möglich gehalten hätte.

Denn Mister Link ist pures Abenteuer, das durch kultu­relle Disso­nanzen seinen (Sprach-) Witz entfaltet und sich im Grunde wie die lang erwartete, aber bislang nie reali­sierte Stop-Motion-Variante von Steven Spiel­bergs Indiana Jones ansieht. Ähnlich wie Indiana Jones ist auch Sir Lionel Frost ein exzen­tri­scher Wissen­schaftler, der sich dem Mief und Muff und vor allem dem Neid der akade­mi­schen Welt des späten 19. Jahr­hun­derts zu entziehen versucht und statt­dessen lieber Abenteuer auf seinen Forschungs­reisen erlebt. Da er aber dennoch um Aner­ken­nung ringt, ihm die akade­mi­sche Welt dann doch wichtiger ist, als es ihm selbst lieb ist, entschließt er sich, den legen­dären Vorfahren des Menschen, dessen »Missing Link«, aufzu­spüren. Zwar findet er »Mister Link«, doch das »wie« und vor allem das »dann« sind pures Abenteuer, das vor allem damit garniert wird, dass der Held durchaus ambi­va­lente Züge trägt – nicht nur sympa­thi­scher Außen­seiter, sondern auch exzen­tri­scher Egomane ist, nicht nur klug, sondern auch dumm und immer wieder auch schwach ist.

Gleich­zeitig deko­rieren Butler und sein Team ihr Porträt einer vergan­genen Zeit mit genügend histo­ri­scher Akku­ra­tesse und ironi­schen Bezügen zu unserer Gegenwart, um auch Jugend­liche und Erwach­sene mit ins Boot zu holen, die dabei allemal lernen können, dass Lernen nie aufhört und dass Geschichte immer auch Gegenwart ist. Ein großer Spaß!