Deutschland 2013 · 85 min. · FSK: ab 12 Regie: Fabian Möhrke Drehbuch: Fabian Möhrke Kamera: Marco Armborst Darsteller: Andreas Döhler, Carola Sigg, Levin Henning, Annika Ernst, Wiebke Frost u.a. |
||
Eine Familie zu haben ist doch mehr wert als 22 Millionen |
Die bekannte Binsenweisheit, dass »Geld alleine nicht glücklich macht«, scheint sich zu bestätigen, wenn man eine der vielen Geschichten von frustrierten Millionären hört. Neben diesen Erzählungen von Menschen, denen ihr Reichtum bereits lange zur Normalität geworden ist, gibt es jedoch auch die von Neureichen, die nicht so recht mit ihrem Geld umzugehen wissen. Zu den dramatischsten Storys gehören die von lebenslangen Underdogs, die aufgrund eines Lottogewinns vollkommen ausrasten und bereits nach kurzer Zeit das gesamte Geld wieder verprassen haben. Aber das sind Extreme, mit denen sich die breite Mitte der Gesellschaft nur unzureichend identifizieren kann. Deshalb fragt der Drehbuchautor und Regisseur Fabian Möhrke in seinem Langfilmdebüt Millionen, wie ein Durchschnittsbürger mit einem unverhofften Millionengewinn umgeht.
Der Enddreißiger Torsten (Andreas Döhler) ist ein rundum zufriedener Mann. Er hat einen unspektakulären, aber sicheren Bürojob, in dem er sich wohlfühlt und wo er sich mit seinen Kollegen gut versteht. Zuhause warten seine hübsche Frau Susanne (Carola Sigg) und ihr gemeinsamer Sohn Lutz (Levin Henning) im komfortablen Eigenheim auf ihn. Torsten und Susanne haben mit dem Paar Carsten (Godehard Giese) und Doreen (Annika Ernst) zwei beste Freunde. Auch im örtlichen Fußballverein ist Torsten gern gesehen. Weil es alle seine Kollegen in der Firma machen, spielt Torsten ebenfalls regelmäßig Lotto. Deshalb fällt er aus allen Wolken, als er eines Tages tatsächlich sechs Richtige hat. Aber nicht nur das: Er hat als einziger einen Jackpot in der Höhe von 22 Millionen Euro geknackt.
Anders als viele andere hat sich der Protagonist von Fabian Möhrkes Millionen niemals ernsthafte Gedanken darüber gemacht, was er mit einem plötzlichen Millionengewinn anfangen würde. Eigentlich ist Torsten ganz zufrieden mit seinem Leben und spürt überhaupt keinen Drang zur Veränderung. Was zunächst einmal positiv erscheint ist jedoch auch Ausdruck einer passiven Grundhaltung, einer Verbindung aus mangelndem Elan und dem schlichten Unwillen aus der Reihe zu fallen. Torsten ist überhaupt erst an den Gewinn gekommen, da er Lotto spielt, »weil alle es tun«.
Aufgrund des plötzlichen, unverhofften Reichtums ist Torsten gleich in mehrerer Hinsicht überfordert. Zunächst hat er schlicht keine Idee, wie er das viele Geld sinnvoll verwenden kann. Er kauft sich einen schicken Porsche und ein luxuriöses Ferienhaus. Zugleich spürt Torsten in seiner Umgebung die großen Erwartungen, die alle mit seinem Gewinn verknüpfen »jetzt etwas aus seinem Leben zu machen«. Susanne eröffnet zu Selbstverwirklichungszwecken ein Geschäft für Kindermöbel in Kreuzberg, aber Torsten wäre es am liebsten, wenn sein Leben einfach so weiter laufen würde, wie bisher.
Bei der Arbeit stellt man sich jedoch bereits darauf ein, dass Torsten jeden Moment einfach aufhören könnte. Der Sohn verlangt auf einmal ein üppiges Taschengeld und den Eltern fallen nicht so recht schlüssige Argumente ein, warum das für ihn nicht gut ist. Obwohl Torsten seinen Reichtum geheim zu halten versucht, sickert doch schnell etwas durch und er bekommt den Neid im Fußballverein zu spüren. Nur Carsten und Doreen werden in die neue Situation eingeweiht und bekommen vom Gewinn als »Freundschaftsgeschenk« eine Million ab. Da sich das befreundete Paar im Umgang mit diesem Geld als wesentlich fantasiereicher als Torsten erweist, macht ihn dieser Versuch einer gekauften Freundschaft jedoch auch nicht glücklich.
Millionen ist ursprünglich für das Kleine Fernsehspiel des ZDF entstanden und ist kein Film, der von seiner gestalterischen Seite zwingend auf die große Leinwand drängt. Fabian Möhrke packt seine Geschichte in präzise, aber unspektakuläre Bilder, in denen ein mausgrauer Grundton vorherrscht. Dies ist einerseits ein passender Ausdruck für die Kleinheit von Torstens Welt und die Beschränktheit seines Horizonts. Als Vergleich fallen einem die optisch ebenfalls sehr zurückhaltenden Werke eines Götz Spielmann (Oktober November) ein. Aber während bei Spielmann immer ein Mehr an Poesie und an Sinnhaftigkeit unter der schlichten Oberfläche steckt, ist Fabian Mörkes Debüt Millionen nicht mehr als genau das, was der Film ganz offen zeigt.