USA 2015 · 91 min. · FSK: ab 0 Regie: Kyle Balda, Pierre Coffin Drehbuch: Brian Lynch Musik: Heitor Pereira Schnitt: Claire Dodgson |
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Geballte Neutronenbombe des Kindsein |
Erst waren sie Sidekicks in Ich – Einfach unverbesserlich, dann stahlen sie in der Fortsetzung Ich – Einfach unverbesserlich 2 ihrem Ex-Bösewicht-Chef Gru fast die Show. Jetzt ist es soweit: Nach Kinderzimmern, Schulranzen und Büroräumen ist jetzt die Kino-Eroberung der gelben Armee im Alleingang dran. In Minions zeigen Pierre Coffin (der der ganzen Truppe wieder seine Stimme borgt) und Kyle Balda die Vorgeschichte der schulterlosen Winzlinge, bevor sie Gru begegneten.
Weit vor Schurkengedenken beginnt die jeweils ein- und zweiäugige Suche nach dem einzig wahren bösen Vorgesetzten, dem sich bedingungslos dienen lässt. Nach vielen fruchtlosen Geschäftsbeziehungen, zum Beispiel mit einem Tyrannosaurus Rex oder Napoleon Bonaparte, und mitten in einer Massen-Schaffenskrise, kommt Anführer Kevin die rettende Idee: Gemeinsam seinen Brüdern, dem kleinen ungestümen Stuart und dem anhänglichen, noch kleineren Bob bildet er die Vorhut, um jenseits des großen Teichs und Jahrhunderte überspringend weiter Ausschau zu halten. In der hundsgemeinen Scarlet Overkill scheint das Trio die ideale Meisterin gefunden zu haben. Zunächst.
Minions zeigt: Die Winzlinge haben, aberwitzig-unabhängig von Zeit und Raum schon so viele Berge und Täler gesehen, dass ihre Lebensgeschichte „vor Gru“, wie es im Film heißt, für ein Bio-Pic randvoll mit Slapstick-Salven und Turboquatsch reicht. Allein: kann sie auch vor strengen Augen erfahrener Kinogänger bestehen? Wir haben die Gelegenheit beim dreihaarigen Schopf gepackt und einen der Minions, „den schönsten Dritten von links“ (Name von der Redaktion geändert) kritisch zum Film befragt. Die Übersetzung aus dem Minionesischen (dessen Grammatik mit jedem Film strukturierter zu werden scheint, Klingonisch bekommt als Kunstsprache folglich ernsthafte Konkurrenz) erfolgte aus dem Bauch heraus, sie ist also mehr als wahr:
Interviewerin: Okay, wo sind die Protagonisten des Films?
Schönster Dritter von links: Auf Minionesisch, erst freundlich, dann anklagend.
Interviewerin: Ach so, die sind im Untergrund und produzieren Autogramme am Fließband. Und du bist der Abgesandte für Europa, und musst heute noch 100 Gespräche absolvieren. Wir machen’s kurz: Wie kamt ihr damit klar, dass der Film seinen Schwerpunkt auf die Abenteuer des Trios gelegt hat? Ihr Minions
macht doch alles gemeinsam …?
Schönster Dritter von links: Auf Minionesisch, macht dazu ein würdevolles Gesichtchen
Interviewerin: Das stimmt nicht, meinst du, der Film wechselt die Schauplätze so fix, dass ihr genauso zu eurem Recht gekommen seid wie die drei Brüder. Warum ward ihr eigentlich von Beginn an schon so scharf darauf, mit Bösewichten gemeinsame Sache zu machen?
Schönster Dritter von links: Blickt mal finster drein, mal
imitiert er lauthals Kampfszenarien, um sich dann kringelig zu lachen.
Interviewerin: Ach so, du meinst, dass ihr damals mit denen wohl mehr Spaß hattet. Vor allem, weil die immer tollen Bösewicht-Zubehör hatten. Ja, ich muss zugeben, auch in diesem Film gibt es wieder einen „Mad Scientist“, der euch und seine Frau Scarlet Overkill perfekt ausrüstet mit Gadgets und Folgeschäden, die man zuvor noch nicht gesehen hat. (Den Zeigefinger hebend) Was ich übrigens
wieder sehr sympathisch finde: der jeweilige Gegner wird stets mit äußerst originellen Mitteln an seinem Tun gehindert, ohne wirklich vernichtet zu werden …
Schönster Dritter von links: Rückt das Brillenband vor seinem Auge zurecht, zuckt mit den Schultern.
Interviewerin (leicht irritiert, räuspert sich): Äh … ein Problem, ein Plan ein Ziel, dazwischen unzählige Hindernisse – Ihr Minions macht ja schon sowas wie eine klassische
Heldenreise. Sogar die Auswahl eures typischen Latzhosen-Outfits erinnert an mittelalterliche Versepen, wo es für den Ritter erst mit Anlegen seiner Rüstung so richtig losgehen kann. (Stimme wird leicht zickig) Zweifelsohne seid ihr Helden, aber jetzt mal ehrlich: euer Film beweist doch nur, dass ihr schon immer der anarchisch-subversive Rabaukenhaufen ward, der von innerer Veränderung nichts wissen will?
Schönster Dritter von links: Redet sich in Rage. Pause. Dann
bricht er ab und ergeht sich mit einem Minion-Pruster in Gelächter und zeigt mit dem gelben Finger auf die Interviewerin.
Interviewerin: … die Gags sind toll, sagst du, supergeile Jagdszenen und Massenaufläufe, und wenn man denkt, jetzt ist der Spaß vorbei, setzt ihr immer noch eins drauf. Was?!? Ich soll mich bloß nicht so anstellen, du hast mich von der Leinwand aus beobachtet, wie ich mich die ganze Zeit so kaputtgelacht habe, dass sich sogar die Kinder
verwundert nach mir umgedreht haben?!? (Verlegen) … oh ich muss dringend zu meinem nächsten Termin, vielen Dank für das Gespräch.
Schönster Dritter von links: Macht den berühmten Minion-Lippenfurz, lacht dreckig und rutscht vom Stuhl.
Man muss die ersten beiden Minion-Filme nicht gesehen haben, um den dritten Minion Film zu sehen. Aber das hätte man auch vom zweiten Teill sagen können, der ohne das Wissen um den ersten durchaus anarchischen Spaß bereitete. Doch den ersten sollte man vielleicht ohne den dritten nicht gesehen haben. Und das nicht, weil der dritte Teil klassischer Spin-off ist, in dem in einer atemberaubenden Achterbahnfahrt erzählt wird, woher die Minions eigentlich kommen und warum sie schließlich ins Leben von Gru treten, um einen Superschurken in ein völlig neues Wesen zu verwandeln. Nein, Teil 3 ist vor allem deshalb sehenswert, weil deutlich wird, was passiert, wenn man einem völlig runden Konzept seinen antagonistischen Kern nimmt.
Denn die zwei ersten Teile von Ich – Einfach unverbesserlich sind vor allem eine klassische, vielschichtige Coming-of-Age-Geschichte, in der sich zum einen Gru als einst Superböser über einen endlosen Parkour des Leidensslapsticks in einen neuen Menschen verwandelt. Seine moralischen Grundsätze, die guten wie die schlechten, sind vor allem deshalb einzigartig grotesk, weil sie sich in jedem Fall an der völlig infantilen Moral der Minions reiben. Sei es Schadenfreude, dämlichste Scherze und Peinlichkeiten – eine Art geballte Neutronenbombe des Kindseins – einfach nichts kann bizarr genug sein, um die herrschende Moral von ihrem Thron zu stoßen.
Dass Reizvolle an dem Konzept »Minions« ist dabei vor allem der fast schon absolutistisch zementierte Gedanke der ewigen Jugend, einer nicht enden wollenden Kindheit und ihrer Verheißungen, ihrer scheinbar nicht versiegenden Kraft, die alles umzustoßen vermag und vor nichts zurückschreckt, weil sie nichts zu fürchten hat. Was in Penny Marshalls BIG mit Tom Hanks vor fast 30 Jahren noch ein vergleichsweise harmloses Gedankenspiel war, ist im Minion-Universum auf die Spitze getrieben und mit ein wenig bösem Willen liest sich das ganze fast schon wie ein Manifest zur Diktatur der Infantilität. Denn bei aller Freude steckt ein schon fast gnadenloser, anarchistischer Ernst hinter den Kulissen: was dem Spaß- und Infantilitätswillen unserer Mainstream-Popkultur widerspricht, wird gackernd platt gemacht.
In Teil 3, schlicht Minions betitelt, ist das nicht nur das ganze Holozän, sondern auch noch gleich die britische Königskrone. Gru als Widerpart, zu Bekehrender und Partner ist – historisch bedingt – nicht vorhanden; er ist noch nicht geboren bzw. steckt noch in seinen Kinderschuhen. Stattdessen gibt es Minions pur. Der historische Mega-Exkurs bis in die Steinzeit, ihr Eintauchen in die jüngste Verhangenheit der Hippi-Ära und ihr Herantasten an das, was sie in unserer filmischer Gegenwart geworden sind, wird dieses Mal politisch korrekt über eine weibliche Gegenspielerin, Scarlet Overkill, abgehandelt.
Doch anders als Gru ist Scarlet eine fertige Person, die an Veränderungen nicht interessiert ist, sondern einfach nur auf ewig böse sein will. Das bedeutet, dass die Minions sich an ihr nicht reiben können, sondern in einer Art Leerlauf verharren, egal wie blöd und aberwitzig ihre mangelnde Impulskontrolle auch durchschlägt. Diese Mangel kompensiert der Film im ersten Teil durch seinen tatsächlich kreativen historischen Exkurs und eine atemberaubende Zitierwut aus unserem popkulturhistorischem Fundus.
Doch wie jede Best-Of-Sammlung eines Musikers entwertet auch in den Minions das Zuviel an Gutem die eigentliche Qualität, ist der Film mehr Zitat als Plot. Und das wenige, was an Erzählbarem bleibt, richtet sich aus Mangel an Reibung an Blockbusterstereotypen aus. Was umgesetzt heißt: wenn nicht grad ein Lied der Doors oder eines von Hendrix zitiert wird, müssen die Minions einfach nur laufen und laufen und laufen und plappern und plappern und plappern. Erst am Ende, als endlich deutlich wird, warum und wieso die Minions überhaupt auf Gru stoßen, entzündet sich so etwas wie ein Funken, aber dann ist der Film auch schon aus. Doch wie schon gesagt: genau deshalb sollte man Teil 3 vor Teil 1, den dann aber ganz bestimmt sehen!