Frankreich 2003 · 95 min. · FSK: ab 6 Regie: François Dupeyron Drehbuch: François Dupeyron, Eric-Emmanuel Schmitt Kamera: Rémy Chevrin Darsteller: Omar Sharif, Pierre Boulanger, Gilbert Melki, Isabelle Renauld u.a. |
||
Auf der Suche nach den Blumen im Koran |
Paris in den frühen 60er Jahren: Man schaut dem 13-jährigen Moise zu, wie er zu Radiomusik selbstvergessen in der Wohnung tanzt, sich sein bestes Hemd anzieht, und After-Shave auflegt, um die Straßenmädchen in seiner Rue Bleue zu beeindrucken – irgendwann wird er mit seinem offenen Charme ihr Liebling. Alles beginnt in den ersten Minuten wie eine nostalgische Zeitreise: Töne und Mode längst vergangener Jahre dominieren, ja fast scheint deren Geruch und Geschmack wahrnehmbar. Ein sanfter Humor durchzieht alles, sogar noch wenn Moise beim Ladenhändler um die Ecke eine Weinflasche klaut – was der längst bemerkt, aber stillschweigend geschehen lässt.
Doch bald schleichen sich kleine Wermutstropfen in die heitere Atmosphäre: Moise, merkt man, lebt allein mit seinem Vater, und der sieht die Liebe seines Sohnes nicht, ist unnahbar und hart – während der Zuschauer sieht, dass eher der Sohn sich um den Vater kümmert, als umgekehrt. Auch ist zu wenig Geld da, was der wahre Grund ist, warum Moise klaut. Der 15jährige Pierre Boulanger spielt diesen Jungen mit für sein Alter unglaublicher Präsenz und berückender Präzision. Und nur solch ein aus dem Nichts auftauchender Jung-Darsteller ist in der Lage dem wahren Star dieses Films adäquat Paroli zu bieten. Denn Omar Sharif, der alte Kino-Casanova, ist Monsieur Ibrahim, der persische – moslemische – Ladenbesitzer, mit dem sich – der jüdische – Moise allmählich anfreundet, und der für ihn zum Ersatzvater wird. Wie das geschieht, voller Zartheit und gelassener Ruhe, ist wunderschönes Kino.
Regisseur Francois Dupeyron gelingt es, mit Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran die unaufdringliche Atmosphäre des Romanbestsellers von Eric-Emmanuel Schmitt auf die Leinwand zu bringen. Für Sharif ein Traumauftritt: Ein orientalischer Nathan der Weise, der mit Strubbelbart und Zahnlücken, mit lächelnder, alles Unbill relativierender Melancholie von den Botschaften des Korans erzählt, den er wahrscheinlich nie gelesen hat. Mit seiner versöhnlichen, menschenfreundlichen Botschaft könnte es leicht zum Rührstück werden, doch Dupeyron betont immer wieder die kleinen Brüche, das Bittersüße seiner Geschichte. Und durch Omar Sharifs Gesicht hindurch erblickt man noch einmal seine großen Rollen: Doktor Shivago und Lawrence von Arabien, auch die Spieler und zwielichtigen Orientalen, die er zwischen und nach solchen Höhepunkten darstellen musste, seine Frauen und viele trunkene Nächte – what an man! All das fliesst in diesen Auftritt ein, macht Altersweisheit wie Melancholie endgültig plausibel, und rundet »Monsieur Ibrahim...« zu einem bezaubernden kleinen Film, der trotz aller Sentimentalität nie kitschig wird.