Moonfall

USA/CDN/China 2021 · 132 min. · FSK: ab 12
Regie: Roland Emmerich
Drehbuch: , ,
Kamera: Robby Baumgartner
Darsteller: Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley, Michael Peña, Donald Sutherland u.a.
Filmszene »Moonfall«
Es kann einfach nicht sein, dass das, was wir hier sehen, ernst gemeint ist...
(Foto: Leonine)

Der Mond ist abgegangen

Dann macht es Wumms: Roand Emmerichs Moonfall ist putziges Old-School-Kino – oder einfach eine großartige Selbstparodie

Wieder geht sie unter! Und wieder größer, heftiger, bombas­ti­scher, brutaler, schreck­li­cher, tödlicher. Was ist nicht alles schon passiert in Filmen von Roland Emmerich: Spätes­tens seit 25 Jahren, seit seinem Welterfolg mit Inde­pen­dence Day gilt der Schwabe Emmerich in Hollywood als der »Master of Disaster«. Und denen, die ihn etwas weniger mögen, immer noch als »das Spiel­bergle aus Ludwigs­burg«, an dessen Film­hoch­schule er einst studierte.

Dass die Erde untergeht, jeden­falls beinahe, das eine Mensch­heits­ka­ta­strophe droht, und nur unter uner­mess­li­chen Opfern in letzter Sekunde noch zu vermeiden ist, das ist nach Filmen wie GodzillaThe Day After Tomorrow und 2012 eigent­lich irgendwie eine Selbst­ver­ständ­lich­keit bei diesem Regisseur. Die einzig entschei­dende Frage bleibt das Wie?

Mal waren die Außer­ir­di­schen schuld, mal der Klima­wandel, mal ein schreck­li­ches Monster wie eben Godzilla, und mal eine geheim­nis­volle Prophe­zeiung – ein bisschen Wissen­schaft ist gern dabei bei Roland Emmerich, aber auch eine gehörige Prise Esoterik und Mystery. »Dieser Planet hat fünf Extink­tionen durch­ge­macht. Das wird diese sechste.« sagt eine Figur in diesem Film, als redete sie über Emmerichs Karriere.
Und jetzt der Mond!

Der Mond, so kurz und knapp die Handlung von Emmerichs aller­neu­estem Science-Fiction-Kata­stro­phen­film Moonfall droht, auf die Erde einzu­stürzen. Herab­fal­lende Mond-Brocken zerschmet­tern bereits im Nu größere Teile der Welt, sorgen für Riesen-Tsunamis und andere Kata­stro­phen. Es gibt trotzdem eine kleine Rettungs­chance und ein Haufen verwe­gener Außen­seiter versucht, diese zu nutzen.

Darunter sind vor allem ausge­mus­terte NASA-Mitar­beiter. Nach einer Space-Shuttle Beina­he­ka­ta­strophe bekam die Astro­nautin Jo Fowler (Halle Berry) einen Schreib­tischjob, und Brian Harper (Patrick Wilson) flog raus, worauf er auch noch Frau und Wohnung verliert, und wegen des Todes eines Kollegen von Schuld­ge­fühlen geplagt ist.

Auch diesmal befolgt Roland Emmerich den Ratschlag der alten Handwerks-Leute und macht stur einfach weiter das, was er am besten kann: Er zerstört die Erde. Er vernichtet die Mensch­heit, entfaltet die große Kata­strophe in allerlei kleinen Unter­gangs-Orgien mit vielen Special Effects, gleißenden Explo­sionen, Feuer­bällen, Menschen, die entweder selbstlos über sich hinaus­wachsen, oder wimmernd in der Ecke kauern, oder gar als Egoisten mit dem Tod bestraft werden. Gewürzt wird das alles mit der Emmerich-Mischung aus Bombast-Dialogen, viel Melodram und Herz­schmerz, und ein bisschen Heldentum aus der Motten­kiste der B-Movies der 50er Jahre.

So grandios tatsäch­lich vieles hier wieder aussieht mit den Big-Budget-Ausstat­tungs-Sequenzen, die Hollywood seinem Emmerich immer noch finan­ziert, so ist doch der Gesamt­ein­druck ziemlich schal. Man hat das alles einfach in den letzten 25 schon viel zu oft gesehen. Nicht nur von diesem Regisseur, sondern von den Legionen seiner größeren und kleineren Epigonen und von den paar Leuten, die viel­leicht auch einfach besser sind als er. Die richtig guten Science-Fiction-Filme sind sowieso längst keine Desaster- und Kata­stro­phen­filme mehr, sondern viel eher poetische Zukunfts-Fantasien wie etwa Chris­to­pher Nolans »Inter­stellar«.
Das liegt auch daran, dass Emmerichs Weltbild, das schon immer etwas putzig aus der Zeit gefallen ist, inzwi­schen reichlich verstaubt wirkt: Dass die Politik nur Gutes im Sinn hat, der Präsident ein sorgender Vater der Nation, und Indus­tri­elle echte Visionäre sind – das glauben heute nur noch ein paar neoli­be­rale Ideologen. Fundierte Kritik an solchen Heile-Welt-Märchen hätte es ja nicht sein müssen, aber etwas Distanz zum Gegen­stand schadet Regis­seuren nie. Emmerich nimmt alles zu ernst: Nicht nur die Welt­ret­tung, auch die Gaga-Idee, dass der Mond innen hohl ist, und auf die Erde stürzt. Ange­sichts ironi­scher Endzeit-Komödien wie Don’t Look Up wirkt Moonfall dagegen einfach nur naiv.
Tolle Schau­spieler wie neben Patrick Wilson und Halle Berry auch der ehrwür­dige Donald Suther­land in einem wunder­baren Kurz­auf­tritt können diese innere Leere auch nicht wett­ma­chen.

Etwas anderes Neues kommt diesmal dafür hinzu. Noch nie war ein Emmerich so voller Paranoia und Verschwö­rungs­theorie. Bereits im Trailer heißt es raunend: »Sie versuchten es zu leugnen. Sie versuchten es zu erklären.« Im Film geht es dann weiter mit einer der plat­testen aller bekannten Verschwö­rungs­theo­rien: Der Mond­lan­dung. Sie hat zwar statt­ge­funden. Aber angeblich hat die Besatzung von Apollo 11 an diesem Tag etwas gefunden, das 50 Jahre lang versteckt gehalten wurde.

Wir haben es also auch noch mit Regie­rungs­ver­sagen oder Schlim­merem zu tun: Mit einer riesen­großen Verschleie­rung der Wahrheit. Menschen, die mehr wussten haben die große Mehrheit der Mensch­heit getäuscht – manchmal glaubt man in diesem Film, man befindet sich gerade auf einer Quer­denker Demo.

Was sich aus diesem Beispiel lernen lässt, das ist, dass man immerhin etwas über das »Rezept-Emmerich« erfährt: Was der Mann nämlich durchaus tut, das ist, dass er das 08/15-Zerstö­rungs­muster, die Hardware archai­scher Erzähl­theorie sozusagen, überaus clever mit der jewei­ligen neuesten Software anrei­chert, mit Mode und Zeitgeist. Das kann mal die Klima­sorge sein, mal verschwur­belte Esoterik und ist diesmal eben die allge­meine Paranoia, die offenbar mit unserem derzei­tigen Pandemie-Zustand einher­geht.

Was wir bisher aber noch nicht wussten, was uns dieser Film ebenso unmiss­ver­ständ­lich lehrt: Roland Emmerich ist nicht etwa ein die Stirn in Falten legender Denker und Intel­lek­tu­eller, sondern er ist offenbar vor allem ein großer Humorist. Ein selbst­iro­ni­scher Komödien-Regisseur, einer der über sich selber am meisten lachen kann. Denn es kann einfach nicht sein, dass er das, was wir hier sehen, ernst meint.

Moonfall ist einfach eine großar­tige Selbst­par­odie aller bishe­rigen Emmerich-Filme. Hoffent­lich eine absicht­liche.