USA 2014 · 125 min. · FSK: ab 12 Regie: J.C. Chandor Drehbuch: J.C. Chandor Kamera: Bradford Young Darsteller: Oscar Isaac, Jessica Chastain, David Oyelowo, Alessandro Nivola, Albert Brooks u.a. |
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Charakterstudie & Stadtporträt zugleich |
Manhattan ist nur am Horizont zu erkennen. Die vibrierende Großstadt ist zwar akustisch wahrnehmbar, aber die verheißungsvollen Lichter sind niemals zu sehen in dem in Sepiafarbtönen gehaltenen Drama A Most Violent Year, das ein dunkles Kapitel der amerikanischen Traummetropole einfängt. Der Titel von Regisseur J.C. Chandors drittem Regiewerk spielt dabei direkt auf das Jahr 1981 an, in welchem in New York, der offiziellen US-Verbrechensstatistik zufolge, die meisten Übergriffe, Vergewaltigungen und Morde seit Beginn der Kriminalaufzeichnungen registriert wurden. In diesem verheerenden Jahr der Verunsicherung und Gewalt siedelt Chandor die Geschichte eines ehrgeizigen Geschäftsmannes an, der zwar mit allen Wassern gewaschen ist, aber sein Heizöl-Unternehmen unbedingt mit legalen Mitteln und reinem Gewissen zum Imperium ausbauen will.
»You should know that I have always taken the path that is most right. The result is never in question for me. Just what path do you take to get there, and there is always one that is most right.« (Abel Morales)
Der von Oscar Isaac (Inside Llewyn Davis) extrem charismatisch verkörperte Abel Morales ist ein überzeugender Geschäftsmann, der seine Mitarbeiter zu motivieren versteht und Geldgeber sowie Kunden mit Leichtigkeit um seine Finger wickelt. Aber zugleich ist der kolumbianische Einwanderer auch strikter Verfechter eines selbstauferlegten Ehrenkodexes, der besagt, dass alles in seinem Business legal und geordnet ablaufen soll. Bereits in Chandors vorangegangenen Filmen Margin Call und All Is Lost mussten seine Protagonisten sich als entschlossene Kämpfer in Angesicht der vernichtenden Finanzkrise beziehungsweise der unbeugsamen Naturgewalten beweisen. In A Most Violent Year steht nun Abel Morales Ringen um seine finanzielle Existenz sowie seinen hehren Moralkodex in dreißig schicksalhaften Tagen im Jahre 1981 im Mittelpunkt, in denen Morales sich im schmutzigen Kampf gegen Geschäftspartner, Konkurrenten und Verbrecher behaupten muss. New York ist dabei ein Mekka der Korruption und Gewalt, der Heizölsektor in fester Hand von zwielichtigen Familien und auch Morales Ehefrau Anna (Jessica Chastain) ist alles andere als zimperlich, wenn es um die Sicherheit oder den Erfolg der Familie geht. Zudem scheint der aufstrebende, junge Staatsanwalt Lawrence (David Oyelowo) merkwürdigerweise gerade Morales Unternehmen ins Auge gefasst zu haben, um an der gesamten Branche ein Exempel zu statuieren. A Most Violent Year funktioniert dabei sowohl als Porträt eines von wirtschaftlichen Problemen und Kriminalität gezeichneten New York, als auch als eindringliche Charakterstudie eines integren Geschäftsmannes, der in einer korrupten Welt um seine Existenz kämpft.
»I've always been more afraid of failure than I am of anything else.« (Abel Morales)
Das subtile Spannung heraufbeschwörende Drama scheint inszenatorisch mit seinen gediegenen Kamerafahrten, langsamen Schnitten sowie seiner Dialogfokussierung förmlich aus der Zeit gefallen zu sein. Die anachronistisch anmutende Erzählweise und der düstere Schauplatz der Millionenmetropole lassen Erinnerungen an Serpico oder Prince of the City aufkommen, während Bradford Youngs elegante Kameraführung, die dunklen Interieurs sowie die durchdachte Lichtsetzung an Gordon Willis Arbeit an Francis Ford Coppolas Mafia-Trilogie angelehnt sind und dem Film einen stilvoll-zeitlosen Charakter verleihen.
Die Selbstbeherrschung und akribische Ruhe des Protagonisten, der beständig dazu gezwungen ist sich mit Drohungen und Konfliktsituationen auseinanderzusetzen, spiegelt sich dabei auch in der nüchtern-urteilsfreien Inszenierung sowie einem zurückgenommen Erzählstil wieder. So setzt Chandol, trotz des gewaltverheißenden Titels, in seinem reduzierten Thriller-Drama vor allem auf seine hervorragenden Darsteller und die knisternde, unheilvolle Atmosphäre, während sich die Gewalt im Hintergrund abspielt. Kommt es doch einmal zu einer, der sich beständig anzubahnen scheinenden Gewalteskalationen, geraten diese dann umso schmerzlicher und eindrücklicher. Dem vortrefflichen Schauspielerensemble gelingt es dabei ein ums andere Mal in den konfrontativen Unterredungen und Streitgesprächen eine ungeheure Spannung zu generieren. Allen voran Hauptdarsteller Oscar Isaac, der in A Most Violent Year die wohl beste Leistung seiner bisherigen Karriere zeigt. Neben ihm wissen David Oyelowo (Selma) in der kleineren Rolle des karrierefixierten Staatsanwalts und insbesondere Jessica Chastain (Zero Dark Thirty), als Morales gerissen- manipulative Ehefrau Anna besondere Akzente zu setzen. So bietet J.C. Chandors dritter dramatischer Spielfilm stilvolles sowie hochatmosphärisches Schauspielerkino vor dem Hintergrund eines von Kriminalität und Gewalt gezeichneten New Yorks in den frühen 1980er Jahren.