Mumien – Ein total verwickeltes Abenteuer

Mummies

Spanien/USA 2022 · 89 min. · FSK: ab 6
Regie: Juan Jesús García Galocha
Drehbuch: ,
Musik: Fernando Velázquez
Schnitt: Emily Killick
Filmszene »Mummies«
Walk like an Egyptian...
(Foto: Warner Bros.)

Die Vergangenheit der Gegenwart

Juan Jesús García Galochas Familienanimationsfilm überrascht mit einer witzigen Melange aus Mummenschanz und historischem Culture-Clash

»All the school kids so sick of books
They like the punk and the metal band
When the buzzer rings (oh whey oh)
They’re walking like an Egyptian«

– The Bangles, Walk Like an Egyptian

Mumien und Film, das ist seit Boris Karloffs legen­därem Auftritt 1932 als rachsüch­tiger Priester Imhotep in Karl Freunds The Mummy eine so alte wie gruselige Liebes­ge­schichte, die alle paar Jahre aufge­frischt wurde. Mal mit Humor wie in Abbott und Costello als Mumi­en­räuber (1955), Monster Squad (1987) und Bubba Ho-tep (2002), als Indiana Jones-Verschnitt in Die Mumie (1999) oder als knall­harter Horror von Chris­to­pher Lee in The Mummy (1959) bis zum indischen Kannada-Verschnitt von Mummy.

Dass es auch fast ganz ohne Horror-Elemente geht, zeigt der spanische Anima­ti­ons­film Mumien – Ein total verwi­ckeltes Abenteuer, mit dem Juan Jesús García Galocha, der zuletzt künst­le­ri­scher Leiter von Tad Stones und das Geheimnis von König Midas war, sein Debüt als Regisseur gibt. Wie Tad Stones ist auch Mumien in ein histo­risch liebevoll skiz­ziertes histo­ri­sches Panorama einge­bettet, das auch erklärt, warum so viele ägyp­ti­sche Gräber ohne Mumien gefunden wurden. Die Stadt der Mumien, eine Art Refugium vor Grab­räu­bern und anderem Übel der Zeit­ge­schichte, wird jedoch schon sehr schnell mit unserer Gegenwart, einem Indiana Jones-artigen »modernen Grab­räuber« konfron­tiert, der in die Paral­lel­welt einbricht und einen rituellen Hoch­zeits­ring entwendet und damit eine Verfol­gungs­jagd in das London unserer Gegenwart auslöst.

Galocha bügelt hier alte, schon oft erzählte Geschichten erfri­schend gegen den Strich, zeigt eine schnar­chende Prin­zessin, die sich genauso wenig verhei­raten lassen will wie der trau­ma­ti­sierte Wagen­lenker, mit dem sie ihre Zeit- bzw. Kultur­reise antreten muss. Galocha und seine beiden Dreh­buch­au­toren Javier Barreira und Jordi Gasull lassen die beiden und den kleinen Bruder des Wagen­len­kers und ein kleines Schoß­kro­kodil dann aller­dings nicht nur mit dem Londoner Alltag kolli­dieren, sondern bieten auch aktu­ellste, alles und jeden hinter­fra­gende Bezie­hungs­ge­spräche, die die Muster klas­si­scher roman­ti­scher Komödien genauso persi­flieren, wie die Geschichte des Forschers und Grab­räu­bers Lord Carnaby, der sich seiner symbio­ti­schen Mutter­bin­dung ebenso wenig entziehen kann wie das ägyp­ti­sche Pärchen seiner omni­prä­senten Vergan­gen­heit bzw. paral­lelen Gegenwelt.

Das wäre aller­dings noch nicht ausrei­chend, um einen der besseren animierten Fami­li­en­filme abzu­lie­fern. Aber Galocha und sein Team über­ra­schen zusätz­lich mit Ideen und Zitaten, die über die dämliche Durch­schnitts­ware hinaus­rei­chen. Sie dekon­stru­ieren leicht­füßig Indiana Jones und die Musical-Welt des Londoner Westends, sinnieren verspielt über Verklei­dungen und die Macht der Kleider und streuen über die Anrufe der Mutter von Lord Carnaby sogar noch etwas Psycho und Hitchcock in die Handlung ein und erklären damit, weit von üblicher Stamm­tisch­psy­cho­logie entfernt, wie und warum miss­brauchte Menschen ihre Mitwelt terro­ri­sieren. Damit werden dann auch die Erwach­senen erreicht.

Und wem das nicht genügt, kann sich über die passende Inte­gra­tion des alten Bangles-Hits Walk Like an Egpytian freuen und muss nur dann und wann auch eine Träne des Bedauerns vergießen: etwa, dass der Produk­tion nicht das Budget einer Pixar-Produk­tion zustand und die Anima­tionen nicht die charak­ter­liche Tiefe erreichen, die man sich wünscht, obwohl der Film gerade über die limi­tierten Mittel dann und wann auch wieder kreativ umzu­dis­po­nieren versteht, etwa als es über das Meer nach England geht. Bedau­er­lich ist bei aller Über­ra­schung dann eigent­lich nur noch, dass es am Ende dann doch wieder die alte Geschichte eines Happy Ends ohne Feuer und Zunder ist, die hier erzählt wird. Da hätte man sich dann doch den radikalen Mut von Guillermo Del Toros Pinocchio gewünscht.