Water Lilies

Naissances des pieuvres

Frankreich 2007 · 80 min. · FSK: ab 12
Regie: Céline Sciamma
Drehbuch:
Kamera: Crystel Fournier
Darsteller: Pauline Acquart, Louise Blachère, Adèle Haenel, Warren Jacquin, Christelle Baras u.a.
Wechselbad der Gefühle

Zeit der Chimären

Wie Seerosen sehen sie von oben aus, explo­si­ons­artig öffnen sie ihre weiten rosa Blätter, Ein explo­sives Kinobild voller Wucht und Poesie, das den Takt vorgibt für diesen Film.

Das Debüt der jungen Französin Céline Sciamma ist eine kleine Sensation, es atmet einen einma­ligen Flair; man spürt sofort, das man hier Zeuge von etwas ganz Beson­derem wird: der selten glückenden Verbin­dung von fran­zö­si­scher Sensi­bi­lität und ameri­ka­ni­scher Passion. Man fühlte sich glei­cher­maßen erinnert an die besten, freiesten Filme von Rohmer und an die Leich­tig­keit und das Drifter-Lebens­ge­fühl von Sofia Coppolas The Virgin Suicides.

Denn Water Lilies sind keine Wasser­pflanzen, sondern Synchron­schwim­me­rinnen. Die Schönste von ihnen ist Floriane (Adèle Haenel), eine abgrün­dige, scheinbar kalte, in Wahrheit nur verun­si­cherte Verfüh­rerin, ein weib­li­cher Dandy, wenn es so etwas gibt. Unter den Jungen ihres Jahrgangs gilt sie als frühreif. Aber in Marie (Pauline Acquart) hat sie noch eine heimliche Vereh­rerin, die noch nicht weiß, ob sie eine beste Freundin will, oder eine Geliebte.

Der ganze Film ist erfüllt vom unklaren Flair der Jugend, der Ort, an dem weite Teile der Handlung sich ereignen ist das Wasser­schwimmbad, in dem die Mädchen trai­nieren. Mehr als nur eine Sport­halle: Ein magischer Raum, erfüllt von feuchtem Zauber, an dem man gemeinsam Duschen geht, an dem die Grenze zur völligen Nacktheit nur durch den feinen dünnen Stoff eines Bade­an­zugs gezogen wird, mit seinen Umklei­de­ka­binen, die Verstecke sein können wie Fallen, Orte des Rückzugs wie der Sünde...

Wenn man typi­sieren möchte, ist Water Lilies ein Coming-of-age-Film, ein Film über jene kurze Zwischen­spanne in der Kinder zu Menschen werden, sich selbst und ihre Sexua­lität entdecken, ein zauber­haftes Horror­land.

Sciamma fängt den Zauber und den Horror glei­cher­maßen ein, sie zeigt ihre Haupt­fi­guren als Chimären aus Kindern und Erwach­senen, seltsame Geschöpfe, in denen Unschuld und Bosheit, völlig blinde Egozen­trik und absolute Selbst­lo­sig­keit, Frage und Antwort zusam­men­fallen.

Ein zu Herzen gehender, stilis­tisch reifer, wunder­schöner Film voll prickelnder Sinn­lich­keit und bitterem Schmerz, wenn die Seerosen sich plötzlich öffnen.