USA 1994 · 89 min. · FSK: ab 16 Regie: Michael Almereyda Drehbuch: Michael Almereyda Kamera: Jim Denault Darsteller: Elina Löwensohn, Peter Fonda, Suzy Amis, Martin Donovan u.a. |
Begeht keinen Fehler, glaubt nicht einfach alles, was in der Zeitung steht! Trotz der heute (3.7.'96) in der SZ erschienenen gegenteiligen Behauptungen Tobias Kniebes halte ich den in der Reihe »Off Limits« laufenden Vampirfilm Nadja von Michael Almeyreda nämlich für überaus sehenswert. Recht hat er zwar, wenn er bei den sehr schönen s/w-Bilder einen etwas überambitioniert künstlerischen Anspruch bemerkt. Doch auch wenn diese verständlicherweise meist sehr dunkel sind, so sind sie nicht unbedingt duster; eher strahlen sie die Faszination und Lähmung aus, die die Wahrnehmung eines einmal den Vampiren Verfallenen bestimmt. Was den zeitweiligen Einsatz einer Fisher Price Spielzeugkamera angeht, so halte ich dies ebenfalls für äußerst fragwürdig. Ausschlaggebend war da wohl eher die Freude des Regisseurs an der Einzigartigkeit seiner Idee, als eine wirkliche dramaturgische Begründung.
Weniger verständlich ist Kniebes Vorwurf, die Handlung käme nur schleppend voran, – es ist gar nicht Absicht des Films, eine Geschichte mit Anfang, Ende und Climax zu erzählen. Es scheint beinahe so, als ob die Handlung zum Verständnis dieser Nicht-Geschichte völlig nebensächlich sei. Ebensowenig gibt es richtige Dialoge: die Akteure monologisieren in schönster Hal-Hartley-Manier vor sich hin, in den Raum, die Zeit, die ratlose Ewigkeit hinein. Wer den nächtlichen Weisheiten der schönen unglücklichen Vampirin Nadja genau zugehört hat, der hat vielleicht das wahre Thema dieses Films erahnen können: die Einsamkeit des zum nächtlichen Streunen verdammten Wolfes; die Weigerung, das einem zugewiesene Schicksal zu akzeptieren; den Wunsch, sich von jeder Determinaton freizumachen.
Nadja und ihr Bruder Edgar sind von Geburt an Gestalten der Nacht, unfähig zu lieben ohne zu zerstören. Nach dem Tod ihres Vaters versucht jeder auf seine Weise, ein neues Leben anzufangen. Während Edgar die einzige Lösung zur Vernichtung des von ihm ausgehenden Übels im Verzicht auf sein Leben sieht, möchte Nadja ihre Liebe ausleben und begeht dabei die gleichen egoistischen Fehler wie zuvor. so sind die beiden klassische tragische Figuren in einem unentrinnbaren Kampf zwischen Schicksal und Individualität.
Der Regisseur hat für diesen dennoch mit einem gewissen Humor inszenierten Film nicht umsonst zwei aus Hal Hartley-Filmen bekannte Darsteller engagiert: wie immer überzeugend Elina Lowensohn und Martin Donovan in den Hauptrollen. (Fraglich ist in diesem Zusammenhang allerdings, inwieweit der von Almereyda gewählte Erzählstil nur als von Hartley beeinflußt oder gar als dessen Kopie eingestuft werden kann.) Getragen werden die Bilder des Films von der traurig-schönen Musik von Portishead. Wer diese schonmal nicht mag, wird auch mit dem Film nichts anfangen können.