Frankreich 2014 · 108 min. · FSK: ab 12 Regie: François Ozon Drehbuch: François Ozon Kamera: Pascal Marti Darsteller: Romain Duris, Anaïs Demoustier, Raphaël Personnaz, Isild Le Besco, Aurore Clément u.a. |
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Der bezaubernde Romain Duris |
Was für ein toller, virtuoser Beginn: Eine Abfolge nur von Nahaufnahmen eines Frauenkörpers: Zunächst Lippen, die von einem Lippenstift geschminkt werden, dann ein Augenpaar, auf das sorgsam Mascara aufgetragen wird, Haut, die Puder bedeckt, Ohrringe, die Ohren verschönern, ein paar Knöpfe und andere Details eines Haute-Couture-Kleides, Finger, die Ringe angesteckt bekommen, dann erklingt Hochzeitsmusik – die Sache scheint klar.
Und doch sind diese Auftaktbilder nur ein
Trompe-l'Œil, eine Täuschung der Augen des Zuschauers, wie noch manches im weiteren Verlauf dieses Films. Denn als das Brautkleid zugeknöpft ist, zoomt die Kamera aus der Großaufnahme zurück, dreht sich dabei und wird zu einer Totalen: Und man sieht, dass die so prächtig zurechtgemachte Braut in einem weißen Sarg liegt, der mit rotem Samt ausgeschlagen ist.
François Ozons Film beginnt mit der Beerdigung einen jungen Frau, und der Trauerrede der besten Freundin, die sie offensichtlich geliebt hat: »à la vie, à la mort.« Es ist keine sexuelle Liebe, sondern die enge Beziehung zweier ungleicher Kindheitsfreundinnen, deren Freundschaft nun im Schnelldurchlauf rekapituliert wird, bis zum Punkt der Beerdigung.
Eine virtuose Inszenierung, die eine rothaarige Burschikose namens Claire zusammenführt mit Laura, der blonden Prinzessin, Händchenhalten, Blutsschwesternschaft, dem ersten Kinobesuch, der ersten Liebe, den Blicken in der Disco, ihrer Hochzeiten, der Taufe des Kindes, der Krankheit der Mutter Lauras und ihrem Tod – dazu melodramatische Musik.
François Ozon ist ein Meister der Mittel. Nur die wenigsten können dies ähnlich souverän; so, dass derart viel gesagt wird in jedem Bild, und dass die Figuren nach wenigen Minuten glaubhaft stehen und im Kopf des Betrachters verankert sind.
Claire (Anaïs Demoustier), die Überlebende, erzählt am Sarg, dass sie Laura versprochen habe, sich um das Baby Lucie und Witwer David zu kümmern. In den folgenden Wochen ist ihr immer wieder, als ob ihr Laura begegnen würde. Draußen ist Herbst und das Herbstrot des Waldes korrespondiert mit ihrem rostroten Haar – Ozon macht nicht nur Filme »wie früher«, wie ein Familienmelodrama aus den 1950er Jahren. Er ist auch ein Könner des Schönen, der ausgefeilten Gestaltung jedes Bildes.
Sehr bald kommt Claire hinter das Geheimnis ihrer sonderbaren Déjà-vus: Es ist David, der von Romain Duris gespielte Witwer, der ihr in Frauenkleidern begegnet, den Kleidern der Toten. Und auf die etwas schlichte Erklärung, ein Kind brauche schließlich auch die Mutter, folgt bald das Geständnis: Laura habe gewusst, dass David gern Frauenkleider trage.
So hat Claire nun für ihren Gatten und für die Umwelt »eine neue Freundin«. Und diese wiederum verliebt sich in Claire. So ist dieser Film eine Crossdressing-Komödie ist eine Schneewittchen-Geschichte, nicht nur weil hier am Anfang eine junge Frau im Sarg liegt, sondern weil immer wieder Figuren vor dem Spiegel stehen, im langen Schlaf oder einmal sogar im Koma liegen. Claire weckt sie auf, in dem sie sie akzeptiert, wie sie ist. Nicht David, sondern Claire ist die zentrale Figur, die
Stellvertreterin des Publikums.
David, der Mann, der gern wie eine Frau ist, fühlt sich nicht von Männern angezogen. Sein Bedürfnis, sich als Frau zu kleiden, ist einfach da, erfrischend selbstverständlich. François Ozons neuer Film meidet endgültige Erklärungen; scheint es welche zu geben, dann entpuppen sie sich oft genug als Schein, als Nicht-Erklärungen.
Ozon garniert seine hochunterhaltsame Komödie mit berühmten Disco-Songs aus den 1970er Jahren, wie »Follow Me« von Amanda Lear und »Une femme avec toi«. Gegen Ende entführt uns der Film »sieben Jahre später«. Lucie ist ein Schulkind und hat lange blonde Haare, wie die Mutter. Neben ihr gehen – zwei Frauen.