Neue Geschichten vom Pumuckl

Deutschland 2023 · 77 min. · FSK: ab 0
Regie: Marcus H. Rosenmüller
Drehbuch: , , ,
Kamera: Stefan Biebl
Darsteller: Florian Brückner, Matthias Bundschuh, Ina Meling, Ilse Neubauer, Hans Stadlbauer u.a.
Filmszene »Neue Geschichten vom Pumuckl«
Zwischen vertrauter Vergangenheit und liebevollem Deepfake...
(Foto: Constantin Film)

Zurück in die Zukunft

Marcus H. Rosenmüller gelingt es, mit seinem „neuen“ Pumuckl den „alten“ Pumuckl liebevoll zu reaktiveren, ohne dabei die Vergangenheit allzu sehr zu verraten

„Ich bin ein Kobold, ich darf alles.“ – Pumuckl

Es ist schon mal ein gutes Zeichen, wenn drei ausge­kop­pelte Folgen einer neuer Kinder­serie mit 13 Folgen auf dem Münchner Kinder­film­fest den Publi­kums­preis gewinnen. Erst recht, wenn es um Pumuckl geht, der legen­dären, von Ellis Kaut erdachten Reihe des Meister Eder und seinem Pumuckl, die erst ab 1962 im Baye­ri­schen Rundfunk als Hörspiel­serie ausge­strahlt wurde, dann ab 1965 in Buchform, als Schall­platte und Kassette und schließ­lich von 1982 bis 1988 zur bekannten Fern­seh­serie von Ulrich König wurde, in der Gustl Bayr­hammer den Schrei­ner­meister Eder spielte, dem der kindliche Kobold Pumuckl zuläuft, weil er an dessen Leimtopf kleben geblieben und damit für den Schrei­ner­meister sichtbar geworden war. Zwar gab es kurz nach Bayr­ham­mers Tod 1993 noch einen letzten Spielfilm, Pumuckl und der blaue Klabauter, in dem Bayr­hammer noch einen kurzen Gast­auf­tritt hat. Ab dann wurde es fad, gab es nurmehr Pumuckls Abenteuer als Serie (1999) sowie 2003 Pumuckl und sein Zirkus­aben­teuer ganz ohne den Meister Eder und den alten Witz.

Erfolg hatte jedoch weiterhin die Fern­seh­serie, die in endlosen Loops für jede neue Kinder­ge­ne­ra­tion wieder­holt wurde und wohl auch wegen ihres anar­chis­ti­schen Humors und einem liebe­vollen Blick auf das alte München mit seinen verschro­benen Unikaten bis in die Gegenwart so populär blieb.

Wohl auch deshalb schließen die neuen Geschichten vom Pumuckl die Handlung der späteren Filme aus und setzen 30 Jahre nach der Serie ein. Und selbst­re­dend steht wieder ein Schreiner im Zentrum, nämlich Florian Eder (Florian Brückner), der Neffe des von Gustl Bayr­hammer verkör­perten Schrei­ner­meis­ters Franz Eder, der 30 Jahre nach dem Tod seines Onkels die verlas­sene Schrei­nerei betritt und dort wie sein Onkel auf Pumuckl trifft. Und natürlich ist alles so wie damals und doch ganz anders. Denn Florian hat keine eigene Schrei­nerei, sondern arbeitet als Brett­zu­schneider in einem Baumarkt und die Idee, die Schrei­nerei des Onkels zusammen mit seiner Schwester zu verkaufen, wird zum Anlass genommen, den üblen, durch­ka­pi­ta­li­sierten Wohnungs­markt in München ein wenig auf die Schippe zu nehmen.

H.G. Rosen­müller, der mit „neuen“ Heimat­filmen wie Wer früher stirbt ist länger tot (2006) oder Sommer in Orange (2011) ein Gespür dafür entwi­ckelt hat, baye­ri­schen Lokolk­o­lorit mit frischen Farben zu grun­dieren und der mit Unheim­lich perfekte Freunde (2019) dann auch mit einem Kinder­film überzeugt hat, gelingt mit dem neuen Pumuckl die Grat­wan­de­rung zwischen nost­al­gi­schen Blick und einer Gegenwart, die eigent­lich keinen Raum mehr für Nostalgie bietet.

Wie in den alten Folgen wird dabei wider alle heutige „political Correct­ness“ darauf geachtet, dass Pumuckl der bleiben darf, der er ist, „ein Kobold, der alles darf“. Dazu gehört dann auch, und das muss man sich in diesen Zeiten erst einmal trauen, dass Pumuckl am Grab vom alten Eder zwei Mass Bier trinken will. Und dass die Polizei und Spießer überhaupt zu Schieß­bu­den­fi­guren degra­diert werden, die dann aber doch irgendwie ein Herz haben. So wie die alte Haus­meis­terin Frau Stürtzlinger aus des alten Eders Zeiten, die damals wie heute von Ilse Neubauer gespielt wird. Und wo es die Altschau­spieler nicht mehr gibt, wie die Stimme des 2005 verstor­benen Origi­nal­spre­chers des Pumuckl, Hans Clarin, wird die neue Pumuckl-Stimme des Kaba­ret­tisten Maxi Schafroth durch moderne Audio-Deepfake-Tech­no­logie sehr über­zeu­gend und überhaupt nicht gespens­tisch nach­syn­the­ti­siert.

Dieser wilde Mix aus neuer und alter Zeit macht Spaß, weil auch der Slapstick und die Dödeleien gut getaktet sind und das neue Personal auch das Münch­ne­risch spricht, das man auf den Straßen heute kaum mehr hört. Allein beim Kinder­schau­spieler-Casting hätte man sich ein wenig mehr Sorgfalt gewünscht, geraten gerade die Grup­pen­mo­mente mit ihren schwie­rigen Dialog­kreu­zungen dann doch immer wieder nah an die Atmo­sphäre von münd­li­chen Steg­reif­auf­gaben, in denen mal schlecht und recht aufgesagt wird, was mühsam gelernt wurde.

Nach der Kino­aus­kopp­lung mit drei Folgen, geht es übrigens ab Dezember im Fernsehen bei RTL+ weiter. Auch das ist so wie damals, als noch vor dem Start der Fern­seh­serie der Kinofilm Meister Eder und sein Pumuckl (1980) mit vier notdürftig zusam­men­ge­schnit­tenen Episoden den Teaser für die Serie geben durfte.