USA 2009 · 131 min. · FSK: ab 12 Regie: Chris Weitz Drehbuch: Melissa Rosenberg Kamera: Javier Aguirresarobe Darsteller: Kristen Stewart, Robert Pattinson, Taylor Lautner, Ashley Greene, Peter Facinelli u.a. |
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Keuscher Vampir |
»These violent delights have violent ends and in their triumph die, like fire and powder, which, as they kiss, consume.«
William Shakespeare, Romeo & Juliet
Schön wär’s. Statt Bisse und Knoblauch bietet dieser Film nur Saccharin. Der erste Twilight, bei dem Catherine Hardwicke Regie führte, war zwar alles andere, als eine Kino-Revolution, aber immerhin noch ein leidlich amüsantes Spiel mit Teenager-Herzschmerz und popkulturellen Mythen. Die auf dem Niveau eines Fotoromans erzählte Liebe zwischen einem Vampir und einer Menschenfrau, einmal mehr ein Beispiel jener Mode des Neovampirfilms, in dem die Vampire menschlicher sind als die Menschen, und alles tun, nur eines bestimmt nicht: Blut saugen. Sie sind zu Veganern geworden, entsprechend bleich, bieder und tugendpredigerhaft. Sie haben, was viele Jugendliche heute haben: Essstörungen.
In Twilight hatte all das noch einen gewissen Charme. Es war neu, nie langatmig, und man wusste auch, dass es weniger um Vampire ging, als um eine Romanze – zwischen Hauptdarsteller Robert Pattinson und seinem jungen, weiblichen Publikum. In Twilight: New Moon aber geht es darum, reaktionäre Geschlechtsklischees auszuwalzen und mit amerikanischer Keuschheit zu paaren. Wer Twilight mochte, wird daher mit New Moon noch längst nicht glücklich werden.
Das liegt zwar nicht nur, aber auch am Rausschmiss der Regisseurin. Der diesmal verantwortliche Chris Weitz ist vor allem ein Routinier, wenn auch ein uninspirierter. Die Unterschiede zwischen seinen Filmen, Werken wie The Golden Compass und About a Boy, aber eben auch American Pie, sprechen Bände. New Moon hat nichts mehr von den schlüpfigen, transgressiven Momenten seines Vorgängers, und dessen Romantik ist fest und breitgetreten, bis von ihr nur noch stinkender alter Quark übrig ist.
Die Story, wenn man das so nennen möchte, ist die Vampir-Version von Zweiohrküken: Die Kennenlernphase ist vorbei, der Alltag kehrt ein, und das dürfte vor allem für Vampir Edward recht langweilig sein, muss er doch die zwölfte Klasse gerade zum 92ten Mal wiederholen, schließlich ist der Junge schon 109! Als er zu Bellas 18. Geburtstag seine Familie einlädt, verbessert das die Lage auch nicht gerade, denn sie haben Bella tatsächlich zum Fressen gern – und Edward macht sich aus dem Staub, natürlich nur um die Geliebte zu schützen. Zur Erinnerung: Sie ist ein Mensch, er ein Vampir. Postwendend wird Bella depressiv, verbringt Monate starr vor sich hinglotzend im Schlafzimmer, bevor sie beginnt Motorrad zu fahren und andere gefährliche Dinge zu tun – zum Beispiel sich mit einem Werwolf anzufreunden. Im Klartext geht es also um ein hochpassives, sozial gestörtes Mädchen, das ihre Todeswünsche in Risikosportarten auslebt, und sich als selbstmordgefährdet erweist. Aus der Geschichte einer Frau zwischen Vampiren und Werwölfen, die man sich als Hulk gegen Dracula vorstellen könnte, und die in Underworld noch einen schönen Kinostoff über Rassen und Grenzüberschreitungen bot (aber der war auch was für Menschen, die schon andere Filme gesehen haben), wird hier Gute Zeiten, schlechte Zeiten. In New Moon gibt es kein Zwischen und kein Und, sondern nur Entweder-Oder. Es gibt keinen Sex, sondern nur die vage Aussicht auf ihn, das diffuse Versprechen eines Reiches jenseits der Pubertät. Der Film ist in erster Linie eine Abfolge öder Reden im Wald oder auf Wiesen mit Blumen.
Auch wenn dies als Weihnachtsfilm-Film für 13-jährige »Bravo-Girl-Leserinnen«, zusammen mit angehenden »Netto«- und »Lidl«-Verkäuferinnen, also jenem Prekariat, dass sich tagsüber auf RTL ankeift und -flennt, als Kernzielgruppe konzipiert wurde, ist dies schon in seiner zweiten Folge allenfalls ein Harry Potter für Arme. Und wie Harry Potter, der ja auch mindestens zur Hälfte von den Eltern gelesen wurde, ist auch New Moon vor allem biederes Entertainment für Hausfrauen über 40, ihre Mütter, ihre berufstätigen Freundinnen ab 30+ und ihre schwulen Friseure.
Inhaltlich geht es darum, dass schwache Frauen offenbar Schutz brauchen, und die Männer zu schwach sind, ihn zu geben. Die Väter, weil sie sich nicht wirklich für die Kids interessieren, und ihnen im Zweifelsfall nichts anderes einfällt, als die Rezepte von vorgestern, sprich Polizeimethoden (wobei wir, by the way, endlich im RTL-Empire angekommen sind). Und die gleichaltrigen Jungs sind alle Softies. Sie schminken sich weiß, tragen die Klamotten ihrer Glam-Rock-Onkels aus den 70ern auf, und bewegen bedeutungsvoll die buschigen Augenbrauen. Dabei filmt sie der Regisseur in Zeitlupe, und sagen sie Verse von Keats auf oder von Shakespeares Romeo and Juliet. Hier nun wird der Film, was er wohl für bedeutungsvoll und beziehungsreich hält, was nur zeigt, auf welches Stadium inzwischen auch Hollywoods-Studioautoren degradiert sind.
Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie das in Zukunft noch werden soll, steht doch im dritten Teil dann erstmal eine kitschige Heirat bevor, der entjungfernde Biss mit entsprechenden Folgen – nein, nicht das ewige Leben ist gemeint, sondern das Kind, das dann im vierten Teil geboren wird, nachdem zuvor bereits die Werwölfe versuchen... Egal. Es geht »gut« aus, klar, happy family und happy end. Das Ganze ist also im Prinzip eben ein weiblicher Harry Potter minus Liberalität – eine education sentimentale für junge Mädchen, in der diese lernen, Jungfräulichkeit, Heim, Herd und Kinder zu lieben, auf ihren Beruf zu verzichten... Dieser völlig durchgeknallte Plot mag sich albern anhören, ist aber (un-)todernst gemeint. Mit Ironie hat es die jugendliche Fantasy-Community sowieso noch nie gehabt, von kleinen Minderheiten abgesehen.
Twilight war eine angenehme Überraschung, ein Film mit Einfällen und Sensibilität für jugendliches Lebensgefühl. New Moon ist allenfalls ein Phänomen. Ein Phänomen, das ganz und gar einer Formel folgt, billig gemacht und gelangweilt mit sich selbst, eine Maschine, die allein am eigenen Erhalt interessiert ist, also darin, den dritten und vierten Teil zu gewährleisten. Im Prinzip also ein gerade in seiner schleimigen Geschmeidigkeit einfach nur totalitärer Film.
Um das zu konstatieren musste man nur die Form und den Stil beschreiben, noch nicht einmal auf den ideologischen Gehalt des Films kommen. Den gibt es aber natürlich auch. Nicht weil Stephanie Meyer, die Autorin der Romanvorlagen, Mormonin ist, die die Bücher zur Hülle ihrer Überzeugungen macht. Sondern weil das produzierende Hollywood-Studio sich diese Überzeugungen mehr oder weniger ungebrochen zueigen macht. Schon wahr: Allerlei langatmige Morallektionen des Buches wurden für den Film radikal gekürzt, oder ganz weggelassen. Aber immer noch blieb genug übrig.
So erlebt man eine Geschichte der Leerstellen, ein Nihilismus auf Primitivstniveau, in dem alles untot und blutleer geworden ist: Jugendliche wollen keinen Sex, Männer kämpfen nicht mehr, Politiker machen keine Politik, Linke sind nicht mehr links und Liberale nicht liberal – insofern sind die Vampire, die hier kein Blut mehr schlürfen und in der Sonne nicht verbrennen, nicht weiter, als ein verdammt durchschnittliches Zeichen unserer Zeit.