Deutschland 2006 · 119 min. · FSK: ab 0 Regie: Martin Gypkens Drehbuch: Martin Gypkens Kamera: Eeva Fleig Darsteller: August Diehl, Chiara Schoras, Fritzi Haberlandt, Janek Rieke, Stipe Erceg u.a. |
![]() |
Die Kamera scheint zu schweben, gleitet durch den Raum. Zunächst ist es Musik, die diese fünf Geschichten verbindet, die in verschiedenen Ländern, über Meere und Kontinente hinweg spielen. Doch bald kristallisieren sich Motive heraus, gemeinsame Lebens- und Gefühlslagen, Momentaufnahmen aus dem Leben der 30-Jährigen in Deutschland – das Portrait unterfüllter Sehnsüchte.
Nach Motiven aus dem gleichnamigen Erzählungen-Band der Berliner Schriftstellerin Judith Herrmann präsentiert der Berliner Regisseur Martin Gypkens Momentaufnahmen aus dem Leben deutscher Thirtysomethings. Diesmal sind die Deutschen im Ausland, und wie im Bildungsroman wird die Reise hier zum Prozess der Selbstentdeckung, einer zarten, meist nur visuell angedeuteten, nur für die Kamera erkennbaren freilich, schließlich dauern Reisen heute ja auch weniger lange als zu Goethes Zeiten.
Gypkens hat fünf Stories ineinander aber nicht miteinander montiert, sie bleiben isoliert, aber der Regisseur schält den Rahmen ihres gemeinsamen Grundgefühls heraus, bis er sichtbar wird: Es ist der Ennui, die wohlbestallte, abgedämpfte Langeweile von Bildungsbürgern, die sich ein bohemien-haftes Leben leisten können, denen ihre Bürgerlichkeit aber im Zweifel wichtiger ist, als ihre Bildung, und Freundschaft im Zweifelsfall wichtiger als Liebe.
Das Problem dieser Wohlstandsmenschen ist, dass sie kein Problem haben, dass keiner so richtig weiß, wozu er lebt – aber um sich umzubringen, ist die Welt zu schön, macht diese Melancholie immer noch zuviel Spaß. Ein Film, der von Leere handelt, von schlechtgelaunten, nicht immer sympathischen Menschen. Und ein Film über Beziehungen im Übergang. Manchmal merkt man den Dialogen ihre Herkunft aus dem Reich der Literatur zu sehr an, dann wirken sie geschrieben und erklären etwas, das man besser gezeigt hätte – ein Mangel, den man schon an Hermanns Geschichten bemerkte. Manchmal wirkt das Benehmen der Charaktere auch etwas arg unter Druck, geradezu hysterisch, und erscheint so aufgesetzt.
Diese Aufgesetzte ist allerdings nicht nur der Vorlage eigen, sondern auch der Zeit und dem Milieu, von dem sie handelt. Wenn Menschen keine Not mehr zu wenden und keine fremden Welten mehr zu erobern haben, wenn sie ihren eigenen Leidenschaften nicht mehr glauben, dann ist eine Befindlichkeitscollage eben plötzlich etwas unglaublich Authentisches. Gypkens versucht jedenfalls nicht, die saturierte Leere unserer Gegenwart mit Lärm und falscher Fröhlichkeit, mit behaupteter guter Laune zu überspielen.
Bereits zum zweiten Mal nach seinem Debüt Wir beweist Gypkens aber sein Talent dafür, mehrere Episoden a la Short Cuts zu verknüpfen, zu einem Ganzen zu verdichten und einen filmischen Erzählfluss entstehen zu lassen, der das Publikum in Bann zieht. Jessica Schwarz, Karina Plachetka, August Diehl und Walter Kreye spielen einige der Hauptrollen in dem ehrgeizigen Projekt. Und die Münchnerin Brigitte Hobmeier verkörpert in einem ihrer seltenen Filmauftritte eine Touristin, die beim Urlaub auf Jamaica eine Affäre mit einem Einheimischen ins Auge fasst – skrupulös hin- und hergerissen zwischen exotischer Anziehung und dem Wissen, damit seine Familie zu zerstören bleibt der Mann dabei ganz Objekt ihrer Träume. Der Hurrikan, der sich gleichzeitig der Karibikinsel nähert, ist dabei keineswegs Metapher für Gefühlsstürme.
Vor allem ist es aber eine großartige Regieleistung, wie Gypkens die verschiedenen Orte und seine Schauspieler zu einer Einheit verknüpft. Die mit Abstand beste Episode bleibt aber bezeichnenderweise die, die in Deutschland spielt: Karina Plachetka verleiht dem Girl, das mit dem Lover ihrer Freundin etwas anfängt, betörende Intensität.