USA 2002 · 81 min. · FSK: ab 16 Regie: Joel Schumacher Drehbuch: Larry Cohen Kamera: Matthew Libatique Darsteller: Colin Farrell, Kiefer Sutherland, Forest Whitaker, Radha Mitchell u.a. |
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Schlecht aufgelegt: Colin Farrell |
Es wurde Zeit, dass sich jemand dieser Idee angenommen hat, bevor Phone Booth ein Historienfilm geworden wäre: Hitchcock hat einst – halb im Scherz – bemerkt, man müsse mal einen Film machen, der komplett nur in einer Telefonzelle spiele. Im Handyzeitalter aber sind die Fernsprecherboxen rar geworden, und dieser Film verbannt seinen Protagonisten in die letzte von New York, am Tag, bevor auch sie abmontiert wird.
Der Siegeszug des Mobiltelefons ist auch für das Kino ein bedeutender kulturgeschichtlicher Einschnitt. Telefon und Film verbindet eine lange gemeinsame Tradition; beides technologische Kinder des 19. Jahrhunderts, beides Instrumente zum Überwinden von Raum. Schon in der Stummfilmzeit gab es darum etliche Filme, in denen Telefone eine zentrale Rolle spielten, gab es unzählige Experimente damit, wie man filmsprachlich die potentielle Verwirrung verhindert, die dadurch entstehen könnte, dass eine Handlung, ein Dialog plötzlich an zwei (und da es damals noch das Fräulein vom Amt gab: oft drei) weit entfernten Orten gleichzeitig spielt.
Selbstverständlich, dass der Tonfilm, selbst gerade in seinen Anfangstagen oft wie eine Geisterbeschwörung empfunden, dann mit noch größerer Begeisterung das Thema der entkörperlichten Stimme aufnahm, es zur komödiantischen Verwechslung oder zu unheimlichem Thrill nutzend. Klar, was Hitchcock an seiner Telefonzellen-Idee interessiert hätte: Das Spiel mit der radikalen Beschränkung – er war immer ein Meister, der sich darin gefiel, künstliche Zwänge aufzustellen und dann zu beweisen, wie virtuos er innerhalb dieser (oder auch mit diesen) Begrenzungen auftrumpfen konnte. Und das Spiel damit, wie Kamera und Schnitt auch auf einem Quadratmeter »realen« Boden ganz eigene Leinwandräume schaffen können. Und kein Zweifel: Wenn Hitchcock in der Ära des Handys gelebt hätte, dann hätte er auch mit dem Unterschied der Paradigmen gearbeitet – hier der extrem stationäre Fernsprecher, dessen Nummer einen festen Ort bezeichnet, dort das mobile Telefon, das anzurufen die Verbindung mit einer konkreten Person verspricht.
Joel Schumacher aber (nach einigen überraschend schönen, aber leider erfolglosen Filmen wie Tigerland zum zynischen Auftrags-Schlonz zurückgekehrt) scheint die Grundidee dieses Films nicht etwas zu sein, das man auzureizen hätte, sondern dem man entrinnen muss. Er entwickelt noch viel schneller Klaustrophobie als sein Protagonist Stu Shepard (Colin Farrell als heftig bemühte Grundierung für viel Kunstschweiß), den ein anonymer Heckenschütze im Visier, am Hörer und damit in der Zelle gefangen hält. Ins Weltall zu Telekom-Satelliten, quer durch die Stadt schießt die Kamera gleich zu Anfang: Dauernd derart in Angst, die restriktive Vorgabe könnte zu Langweile führen, dass der Reiz ihrer Eingeschränktheit überhaupt nie ausgekostet wird. Und wie noch immer allzuviele Filme scheut er sich davor, wirklich durchzudenken, was die Existenz des Handys für liebgewonnene Filmkonventionen bedeutet: Mobiltelefone werden anfangs kurz eingeführt, um nicht in den Verdacht zu geraten, die Filmemacher hätten von ihnen noch nichts mitbekommen, aber dann geht es schnell nur darum, alle erreichbaren soweit aus dem Verkehr zu ziehen, dass sie den Plot nie am Funktionieren hindern können. Wenigstens läuft das hier nicht ganz so platt wie in den meisten Horrorfilmen oder Thrillern heute, wo stets der Akku leerwerden muss oder die Senderreichweite überschritten, bevor die Bedrohung über den/die einsamen Protagonisten/in hereinbricht.
Auch vor der kribbelnden Perversität der Heckenschützen-Situation tritt Phone Booth schnell die Flucht an: Da darf keine Willkür, kein Zufall walten, darf eben nicht die pure Anonymität eines öffentlichen Fernsprechers mitten in der Großstadt herrschen. Die höhere Macht einer alttestamentarisch-strengen Moral sorgt dafür, dass es mit dem PR-Mann Stu schon den Richtigen trifft. Er ist kein unschuldiges Opfer – seine Telefonzellen-Tortur ist letztendlich ein vor Publikum ablaufendes, läuterndes Strafgericht über seine Überheblichkeit, seine Flunkerei. Und vor allem darüber, dass der Verheiratete einen Seitensprung... – nein, nicht einmal begangen, sondern – Schockschwerenot! – erwogen hat.