Deutschland 2001 · 140 min. · FSK: ab 6 Regie: Caroline Link Drehbuch: Caroline Link Kamera: Gernot Roll Darsteller: Juliane Köhler , Merab Ninidze, Lea Kurka , Karoline Eckertz |
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(Foto: Constantin) |
Man kann die junge Frau verstehen. Aus dem winterlichen Breslau ist Jettel mit ihrer kleinen Tochter in die Hitze Kenias gekommen, und mag sich nicht an die neuen Verhältnisse gewöhnen. »Wenn Du mit mir sprechen willst, musst Du schon Deutsch reden« herrscht sie Owuor an, als ob es für den kenianischen Koch tatsächlich irgendeinen Grund dafür gäbe. Dann hängt sie ein paar Stiche in der Hütte auf, kleine Fragmente der verlorenen Heimat, denn Jettel ist Jüdin, und in Deutschland wäre sie nicht mehr sicher. Doch das sich tatsächlich um eine Reise ohne Wiederkehr handelt, scheint sie unverständlicherweise doch noch nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, allen Nachrichten und beunruhigenden Gewissheiten zum Trotz. »Das Porzellan brauchst Du nicht auszupacken« sagt sie dem erstaunten Owuor, »wir bleiben ja nicht lang.«
Nirgendwo in Afrika, der dritte Spielfilm von Caroline Link, nach der autobiographisch gefärbten Romanvorlage Stefanie Zweigs, ist die Geschichte eines mehrfachen Lernprozesses. Der mühsame Weg der Annährung durch Erkenntnis war schon bisher ein Leitmotiv ihrer Filme, ebenso wie Eltern-Kind-Verhältnisse. Wie in Jenseits der Stille und der Kästner-Verfilmung Pünktchen und Anton, ist auch her eine der Hauptfiguren ein kleines Mädchen, das voller Klugheit weiter sieht, geistig flexibler und offener ist, als die Erwachsenen. Aber das Interesse der Regisseurin hat sich verlagert: Stärker im Zentrum steht diesmal die Eltern-Generation, ein Paar, das seine erste Verliebtheit schon hinter sich hat, und nun unter den radikal veränderten Lebensumständen in einer fremden, fast feindlichen Umgebung, wie dem britischen Afrika der 30er Jahre, prüfen muss, ob die Beziehung trägt, auch für längere Zeit.
Ob sich die kühle blondgelockte höhere Tochter, die ihre Ansprüche an ein feines, zumindest kultiviertes Leben auch im verarmten Exil nicht aufgeben will und der pragmatischere Walter, der früher als Anwalt arbeitete, und die Familie nun als Verwalter auf britischen Farmen durchbringt, überhaupt lieben, das bleibt lange, bis zum Ende vielleicht, offen. »Einer liebt immer mehr« sagt der Schwiegervater schon früh. Wenn es denn Liebe sein sollte zwischen beiden, dann ist sie den Umständen, auch den inneren, vor allem ertrotzt.
Juliane Köhler und Merab Ninidse spielen dieses ungleiche Paar so distanziert und einander fremd, wie es die Geschichte fordert. Ganz selten fällt Köhler, die schon in Aimée & Jaguar perfekt die Rolle der Großbürgerin erfüllte, die unter Verhältnissen überleben muss, die gerade das Großbürgerliche nicht mehr zulassen, zwar noch in theatralische Gestik zurück, doch passt dies hier gut zum
Charakter einer Frau, die sich vor ihrer eigenen Hysterie ins Melodramatische oder einfach Zickige flüchtet. Bis zum Ende bleibt sie, die auch allein im Zimmer die Maske nicht fallen lässt, ein wenig fremd, mag der Zuschauer vieles auch gut verstehen. Die Regisseurin unterstützt das, indem sie manchmal gerade dort wegschaut, wo vielleicht doch etwas preisgegeben würde, etwa in der Szene, in der sie sich mit einem englischen Offizier einlässt, um ihren Mann aus dem
Internierungslager herauszuholen.
Auch wenn solche Momente und die Geschichte des Paares, sein langsamen Hinübergleiten in einen neuen Konsens, Caroline Link hier zweifellos am meisten interessieren, bleibt es doch auch ein Film über Afrika, der mit der Herausforderung zu kämpfen hat, wie und ob sich Afrika überhaupt filmen lässt. Will man den kolonialen Blick ablegen, der selbst noch unser Unterbewusstsein prägt, in dem sich exotistisches Fasziniert-sein mit dem Gefühl
absoluter Fremdheit paart, dann ist das gar nicht so einfach.
Caroline Link beginnt mit Schnee. Nicht der auf dem Kilimanscharo, sondern der in Breslau. Erst über diesen Umweg, erst indem sie die Zumutungen zeigt, die diese absolute Lebensumstellung für die Menschen bedeutete, nähern sich Regisseurin und Film dem Schauplatz Afrika: von Außen, zögerlich, aber interessiert.
Zögerlichkeit gilt freilich nicht für Links Inszenierung. Im Gegenteil: Die Regisseurin versteht es, mit Hilfe der geschmeidig fließenden Kamera Gernot Rolls, mit
Überblendungen, mit knappen, präzisen Bildern, ihre Zuschauer schnell ins Geschehen hineinzuziehen. Dabei ist Links Kino zwar wie bisher emotional, aber doch kühler, zurückgenommener geworden. »Spröder« findet die Regisseurin selbst ihren Film, erwachsener und »weniger lieblich« den Blick. Sie selbst möchte zu einem Kino finden, das vom »Vertrauen in das Unspektakuläre« geprägt ist, wie das von Sautet »oder die ernsteren Filme Woody Allens«. Schon für diesen Film gilt jedenfalls,
dass Link letztlich das Umgekehrte von dem tut, was viele Kollegen machen: Sie benutzt den großen Bogen ihrer Geschichten, um von Momenten zu erzählen.
Die persönlichen schwierigen Lebensumstände, die Differenzen zwischen dem Paar dominieren. Hier zeigt sich die Regisseurin als genaue Beobachterin, ihr Kino ist eines der Augenblicke und Strukturen, nicht des rauschhaften Melodrams. Über weite Strecken gelingt ihr trotzdem zugleich eine europäische Variante von Jenseits von Afrika, ein Film, der einiges von dem Zauber des schwarzen Kontinents einfängt, ohne ihn dabei je zu verkitschen. Es gibt keine »Safaribilder«, keine wilden Tiere, und keine kettenrasselnden Eingeborenen. Vielmehr bewältigt Link die Aufgabe vorzüglich, Fremdheit und Anderssein einzufangen, ohne in Klischees zu verfallen – weder als arme Ausgebeutete, noch als glückliche Primitive erlebt man die Kenianer, sondern als normale Menschen, die eben anders sind.
Es gibt auch Einschränkungen. Die erste ist eigentlich noch ein Lob: Man hätte sich den Film einfach länger gewünscht, hätte gerne für manches mehr Zeit gehabt. So wirken einige Szenen mitunter zu sehr aneinandergereiht, zu illustrativ, als ob nur etwas schnell bebildert werden darf, was ausführlicher gezeigt werden müsste. Auch braucht Film ein stärkeres Auf und Ab der Emotionen, mehr Konsequenz, wo das Buch auf präzise Höhepunkte verzichten darf. Schließlich stützt sich Link
manchmal zu sehr auf die Musik; etwas mehr Ruhe und Stille hätten zwischendurch nicht geschadet.
Insgesamt aber ist es gut geglückt. Und es gehört zu den angenehmsten Erfahrungen beim Ansehen von Nirgendwo in Afrika, dass hier wirklich intensives Kino gelungen ist und kein verkapptes Fernsehen.