USA 2012 · 112 min. Regie: Kelly Reichardt Drehbuch: Kelly Reichardt Kamera: Christopher Blauvelt Darsteller: Jesse Eisenberg, Dakota Fanning, Peter Sarsgaard, Alia Shawkat, Logan Miller u.a. |
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So jung und schon so finster dreinblickend |
Erfahrenen Kinogängern könnte der Titel durchaus bekannt vorkommen. Denn Night Moves (in Deutschland als Die heiße Spur bekannt) ist auch ein grimmiger Neo-Noir von New-Hollywood-Legende Arthur Penn, in dem die Unsicherheiten der Post-Watergate-Ära immer wieder spürbar werden. Unnachgiebig umschlingen sie den von Gene Hackman verkörperten Protagonisten. Einen hoffnungslos überforderten Privatdetektiv, der jegliches Verständnis für die größeren Zusammenhänge verloren hat. Emblematisch und erschütternd ist das vielsagende Schlussbild des Films, das eine ziellos im Kreis treibende Yacht zeigt, auf der sich der verwundete und manövrierunfähige Ermittler befindet.
In Kelly Reichardts Thriller-Drama taucht ebenfalls ein Boot auf, das eine zentrale Rolle spielt und noch dazu den Namen »Night Moves« trägt. Die einzige Gemeinsamkeit der beiden Werke, so scheint es zunächst. Je weiter der Plot um drei unbeirrbare Umweltaktivisten jedoch voranschreitet, desto klarer schälen sich zusätzliche Parallelen heraus. Hier wie dort lugen gesellschaftliche Fehlentwicklungen hervor, werden aber nie platt oder moralisierend ausgewalzt. In beiden Fällen schleicht sich ein diffuses Paranoia-Gefühl in die Geschichte ein. Und überdies finden sowohl Reichardt als auch Penn zu einem eigenwilligen Umgang mit den Regeln des jeweiligen Genres.
Obwohl es in Night Moves um nichts Geringeres als einen Terroranschlag geht, mit dem die Hauptfiguren ihre Mitmenschen endlich auf die stetig voranschreitende Zerstörung der Natur aufmerksam machen wollen, bleiben Inszenierung und Erzählhaltung betont nüchtern. Ähnlich wie in ihren früheren Regiearbeiten (unter anderem dem reichlich unkonventionellen Western Meek’s Cutoff) verweigert sich Reichardt effekthascherischer Mittel, um die Spannung ihres Films künstlich zu verstärken. Vielmehr fängt sie mit präzisem Blick und ausreichend Geduld die Vorbereitungen der wild entschlossenen Öko-Kämpfer ein: Gemeinsam mit der aus wohlhabenden Verhältnissen stammenden Dena (Dakota Fanning) und dem Ex-Marine Harmon (Peter Sarsgaard) plant der schweigsame, von der Ignoranz seiner Umwelt angewiderte Josh (Jesse Eisenberg), einen hydroelektrischen Staudamm in die Luft zu sprengen. Ein Unterfangen, das – so viel sei verraten – eine unvorhersehbare wie schreckliche Wendung nimmt und damit die im Kern guten Vorsätze der drei Aktivisten massiv untergräbt.
Vorboten der Katastrophe gibt es zuhauf: Schwierigkeiten bei der Beschaffung des für die Bombe benötigten Kunstdüngers, gelegentliche Meinungsverschiedenheiten und das zufällige Auftauchen unbeteiligter Personen. Wie Reichardt dann allerdings das Fiasko inszeniert, ist überraschend und fesselnd zugleich. Anstatt – üblichen Genre-Mustern folgend – den fatalen Wendepunkt ins Bild zu rücken, spart sie ihn einfach aus und bleibt stets nah bei ihren Figuren, die zunächst nicht ahnen, dass ihr Handeln dramatische Konsequenzen nach sich zieht. Hat das Ausmaß ihrer Tat die drei Umweltterroristen einmal eingeholt, stehen plötzlich brennende Fragen im Raum, die sich nicht zuletzt an den Betrachter richten: Heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Und taugt der Anschlag ernsthaft, um die Gesellschaft wachzurütteln? Auch im Folgenden rückt die Regisseurin nicht von ihrer unaufgeregten Herangehensweise ab. Lässt eine Wertung des Geschehens zumeist außen vor und konzentriert sich ganz auf die Verunsicherung, die nun von Josh Besitz ergreift. Schleichend, aber unaufhaltsam.
Mehr und mehr wandelt sich der Öko-Thriller zu einem Psychodrama, das jedoch nur selten in den Kopf seines Protagonisten eindringt, sondern dessen Destabilisierung vor allem durch sorgenvolle Blicke und kleine Gesten spürbar macht. Auch wenn Jesse Eisenbergs Spiel wohltuend zurückgenommen bleibt, ist doch zu vermuten, dass der verbohrte Idealist schon bald die Nerven verlieren wird. Zu groß ist die Schuld, die er auf sich geladen hat. Zu schmerzhaft das plötzliche Zerbröckeln seiner Weltanschauung und damit seines Selbstbildes. Während Josh in der zweiten Filmhälfte klar im Zentrum steht, verschwinden seine Mitstreiter leider zunehmend in der Versenkung. Insbesondere Denas Reaktion auf den ungeplanten Ablauf ihres Anschlags hätte Reichardt umfassender beleuchten können, da gerade sie die endgültige (etwas abrupt erscheinende) Eskalation heraufbeschwört. Gelungen sind dann wiederum die letzten Einstellungen dieses ungewöhnlichen Thriller-Dramas, die den für erzählerische Leerstellen empfänglichen Zuschauer zur Reflektion herausfordern, ohne allzu prätentiös daherzukommen.