Non-Stop

USA/F 2013 · 106 min. · FSK: ab 12
Regie: Jaume Collet-Serra
Drehbuch: , ,
Kamera: Flavio Martínez Labiano
Darsteller: Liam Neeson, Julianne Moore, Anson Mount, Michelle Dockery, Lupita Nyong'o u.a.
Hochspannung auf engstem Raum

Nervenschlacht über den Wolken

Im Verschwö­rungs­thriller Unknown Identity (2011) irrt Hollywood-Star Liam Neeson als Mann ohne Gedächtnis durch ein winter­li­ches Berlin. Auf der Suche nach der eigenen Identität. Und gejagt von wort­kargen Killern. Ein klas­si­sches Hitchcock-Szenario, das nicht nur mit unglaub­li­chen Wendungen aufwarten kann, sondern ebenso krachende Explo­sionen und virtuos insz­e­nierte Kampf­ein­lagen zu bieten hat. Allzu ernst nimmt Regisseur Jaume Collet-Serra das rasante Treiben nicht, was den Film letztlich sympa­thisch und unter­haltsam macht. Mit Non-Stop stellen Neeson und der talen­tierte Spanier nun erneut unter Beweis, dass sie das Thriller-Handwerk beherr­schen. Auch unter verän­derten Bedin­gungen.

Im Gegensatz zu ihrer ersten Zusam­men­ar­beit, die ständige Orts­wechsel und waghal­sige Flucht­se­quenzen propa­giert, zeichnet sich der neue Reißer vor allem durch eine bemer­kens­werte Reduktion aus. Nahezu die komplette Handlung spielt an Bord eines Flugzeugs, das mitten über dem Atlantik keine Möglich­keit zur Landung hat. Altmeister Hitchcock hätte diese Versuchs­an­ord­nung sicher Freude bereitet. Immerhin expe­ri­men­tierte er selbst in Das Rettungs­boot (1944) und Cocktail für eine Leiche (1948) mit räumlich begren­zten Plots. Ähnlich wie in Unknown Identity wird der von Neeson verkör­perte Prot­ago­nist einmal mehr in eine undurch­schau­bare Verschwö­rung hinein­ge­zogen, in deren Verlauf er zunehmend unter Druck gerät.

Den Boden für diese Entwick­lungen legen schon die ersten Einstel­lungen, die den Air Marshal Bill Marks als Alko­ho­liker und gebro­chenen Menschen charak­te­ri­sieren. Er ist ein vom Leben gebeu­telter Mann, der seinen Job als verdeckter Sicher­heits­be­amter nur äußerst ungern ausübt. Wie immer verkrampft sich sein Magen, als das Flugzeug abhebt, das er von New York nach London begleiten soll. Bills Anspan­nung bleibt seiner sympa­thi­schen Sitz­nach­barin Jen Summers (Julianne Moore) nicht verborgen, weshalb sie ihn in ein unver­fäng­li­ches Gespräch verwi­ckelt. Eine will­kom­mene Ablenkung, die jedoch nicht allzu lange Bestand hat. Denn kurze Zeit später erhält Marks auf sein Dienst­handy mehrere Text­nach­richten eines Unbe­kannten, der 150 Millionen Dollar verlangt. Sollte das Geld nicht auf ein bestimmtes Konto über­wiesen werden, muss alle 20 Minuten ein Passagier sein Leben lassen. Was nach einem schlechten Scherz klingt, nimmt der Sicher­heits­be­amte umgehend ernst. Anders als die Behörden am Boden, die den Geld­transfer nur zögerlich in die Wege leiten wollen. Um eine Kata­strophe an Bord zu verhin­dern, macht sich der Air Marshal schließ­lich – unter­s­tützt von Jen Summers und den Crew­mit­glie­dern – auf die Suche nach dem Erpresser, der sich in unter den Flug­gästen befinden muss.

An die Stelle einer hals­bre­che­ri­schen Flucht durch eine fremde Stadt tritt hier also der uner­bitt­liche Wettlauf gegen die Zeit. Ein beliebtes und effek­tives Genre-Motiv, das den Thriller gleich auf erhöhte Betriebs­tem­pe­ratur bringt. Geschickt mit den Ängsten der 9/11-Anschläge spielend, stellt das Drehbuch seinen Prot­ago­nisten vor die unlösbare Aufgabe, schnell und gründlich nach dem Verfasser der Text­nach­richten suchen zu müssen, ohne dabei die Passa­giere unnötig in Panik zu versetzen. Wie nicht anders zu erwarten, lassen sich die verdeckten Nach­for­schungen jedoch nicht lange verbergen. Spätes­tens mit dem zweiten drama­ti­schen Wende­punkt schlägt die Handlung in eine offene Konfron­ta­tion um, die eine sich stetig verän­dernde Gemen­ge­lage an Bord des Flugzeugs zur Folge hat.

All das erlebt der Zuschauer fast ausschließ­lich aus der einge­schränkten Perspek­tive des sichtlich über­for­derten Air Marshals, den Haupt­dar­steller Liam Neeson glaub­würdig zwischen wach­sender Verzweif­lung und zupa­ckender Entschlos­sen­heit spielt. Nicht nur die Nähe zum Sicher­heits­be­amten lässt die Spannung immer weiter ansteigen. Auch sein zunehmend rabia­teres Auftreten und das klaus­tro­pho­bi­sche Setting an sich sorgen für reichlich Nerven­kitzel. Bevor der Ermittler selbst als Urheber der Erpres­sung ins Visier gerät – ein weiteres häufig einge­set­ztes Thriller-Element –, bietet Non-Stop eine Reihe anderer poten­zi­eller Täter­fi­guren auf. Darunter auch einen musli­mi­schen Arzt, der buchs­täb­lich als üblicher Verdäch­tiger herhalten muss.

Die Haken, die der Film unab­lässig schlägt, um das Interesse des Zuschauers aufrecht­zu­er­halten, mögen zwar nicht immer voll­s­tändig plausibel sein, erfüllen letztlich aber jedes Mal ihren Zweck. Gebannt, da keine Zeit zum Nach­denken bleibt, folgt man dem stetig eska­lie­renden Geschehen, dessen Auflösung erfreu­li­cher­weise nicht übermäßig hane­büchen ausfällt. Die in der Moti­va­tion des Täters anklin­gende Gesell­schafts­kritik ist freilich nicht mehr als ein spora­di­scher Wink in Richtung Relevanz. Collet-Serra und seine Mitstreiter wissen nur zu gut, dass ihr Werk ein reines Unter­hal­tungs­pro­dukt ist, bar höher­flie­gender Ambi­tionen. Offen zu Tage tritt dieser Umstand, wenn die vornehm­lich psycho­lo­gi­sche Spannung gegen Ende dem Exzess weichen muss. Handfeste Action­szenen und ein kleines Effekt­feu­er­werk schließen den insgesamt eindring­li­chen Flug­zeug­thriller ab und huldigen damit dem Lein­wan­di­mage, das Liam Neeson seit einigen Jahren umgibt. Gebraucht hätte es diese über­stei­gert-melo­dra­ma­ti­sche Demons­tra­tion aller­dings nicht.