Oblivion

USA 2013 · 125 min. · FSK: ab 12
Regie: Joseph Kosinski
Drehbuch: , ,
Kamera: Claudio Miranda
Darsteller: Tom Cruise, Morgan Freeman, Olga Kurylenko, Nikolaj Coster-Waldau, Andrea Riseborough u.a.
Filmszene »Oblivion«
Verblüffend neue Sichtweisen
(Foto: Universal Pictures)

Flotter Dreier im Gulag der Zukunft

»One of their methods of punis­he­ment for the person they hated was as follows. First they prepared their weapon: They took a thick board, about 1.5 to 2 meters (4.9 to 6.6 foot) long, and drove a very big, long nail into the end of it. Then, they would manage somehow to clear the barracks of its inha­bi­tants for a short while. Once the place was empty, the prisoner who was to carry out the sentence, waited for the doomed person near the barracks' doorway, holding the board by its other end. As the doomed man approa­ched the barracks, someone gave a signal. Then, as soon as he opened the door and stepped inside, he was hit on the head with a very strong blow of the board. The nail would break right through the skull and cause immediate death. And no matter how hard or how long the Chekists (the security detail) inves­ti­gated this crime, they could never find out who had commited this murder.«
(Gyodor Vasi­le­vich Mochulsky, Gulag Boss, A Soviet Memoir)

Joseph Kosinski hat bereits mit seiner Neuauf­lage von Tron Spielwitz und einen gewissen Hang zur filmi­schen Vergan­gen­heits­be­wäl­ti­gung gezeigt, mit Oblivion wagt er noch mehr. Er kehrt einer weiteren Sequel-Variante den Rücken und nimmt sich einem für Radical Comics von ihm selbst geschrie­benen, aber nie veröf­fent­lichten Comic-Script an und trans­for­miert es in ein filmi­sches Science-Fiction Spektakel, das schon wie Tron: Legacy mit SF-Ästhe­tiken und Inhalten mehrerer Jahr­zehnte spielt und damit keines­falls das Rad neu erfindet, aber dennoch dem Genre Science Fiction einige verblüf­fend neue Sicht­weisen abringt.

Das „Neue“ in Oblivion ist vor allem die atem­be­rau­bende dysto­pi­sche, Gulag-gleiche Land­schaft, deren Grund­lagen Kosinski während der nahezu nacht­losen Sommer­mo­nate auf Island gefunden und digital mit archi­tek­to­ni­schen und Hardcore-SF-Elementen versetzt hat, die einer­seits völlig neu sind, andrer­seits aber auch auf die Wurzeln des Genres wie Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum oder Tarkow­skis Solaris verweisen.

Einge­bettet in diese Land­schaft ist ein Plot, der erheblich weniger verpu­z­zlet daher­kommt als Rian Jonhsons ebenfalls strikt dysto­pi­sche Looper, doch immerhin bis kurz vor dem Ende die Hand­lungs­fäden so vage verspinnt, dass nicht nur die hand­lungs­be­tonte Variante des Films im Vorder­grund steht.

Hier brilliert vor allem der Techniker Jack (Tom Cruise), der sich zusammen mit Victoria (Andrea Rise­bo­rough) darum kümmert, dass mit dem Rohstoff­nach­schub zum Saturn-Mond Titan alles reibungslos funk­tio­niert. Denn dorthin ist nach einem Angriff von Außer­ir­di­schen die Mensch­heit migriert, nachdem sie die Außer­ir­di­schen zwar besiegt, die Erde dabei aber unbe­wohnbar gemacht hatte. Aber auch die Nach­schu­büber­wa­chung hat ihre Tücken, denn sie wird immer wieder von versprengten „Plün­de­rern“, übrig­ge­blie­benen Horden der besiegten außer­ir­di­schen Armee gestört. Als dann auch noch ein Jahr­zehnte lang verschol­lenes Raum­schiff notlandet und mit ihm eine weitere Frau (Olga Kurylenko) auf der Erdober­fläche erscheint, entspinnt sich nicht nur ein wirklich unge­wöhn­li­cher, flotter Dreier, sondern nimmt auch die weitere Handlung deutlich an Fahrt auf, u.a. durch eine wohl­tu­ende Erwei­te­rung eines bis dahin kammer­spiel­ar­tigen Plots (aufgelöste Verschach­te­lungen, Realitäts­di­ver­genzen), des Personals (Morgan Freeman) und der Sozi­al­mu­ta­tionen, die mitunter beklem­mende Erin­ne­rungen an die repres­sive Welt des sovie­ti­schen Gulags wecken.

Leider funk­tio­nieren die zum Ende hin zunehmend einge­streuten frag­men­ta­ri­schen Katharsis-Effekte nicht so gut, wie der vorbe­rei­tende Weg dahin. Wohl auch, weil sie durch einen seltsam deplat­zierten Glamour-Rock-Sound­track kontra­pro­duktiv ausge­he­belt werden, weil es immer wieder logische Aussetzer gibt und zudem die Ähnlich­keit mit Genre-Arbeiten wie etwa Duncan Jones Moon dann doch fast ein wenig irritiert. Da aber schau­spie­le­risch auf fast allen Ebenen die Erwar­tungs­hal­tungen völlig erfüllt werden – es sei denn, man ist einge­schwo­rener Tom Cruise-Verächter – stört das nur am Rande. Zudem gelingt es Kosinski am Ende, auch inhalt­lich das Ruder noch einmal herum­zu­reißen: mit einem völlig roman­ti­schen Exkurs über die Bedeutung des Erinnerns, einem Moment großer Rührung.