Dänemark/GB 2004 · 98 min. · FSK: ab 0 Regie: Hella Joof Drehbuch: Lotte Andersen, Jannik Johansen Kamera: Eigil Bryld Darsteller: Lotte Andersen, Malik Yoba, Ditte Gråbøl, Kurt Ravn u.a. |
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Dänischer Gospel | ||
(Foto: MFA+) |
Ein Haus irgendwo in der dänischen Provinz. Der Mann ist bei der Arbeit, die Wasserleitung defekt. Hannah, um die vierzig Jahre alte Hausfrau, verbringt gerade einen ihrer vielen gleichförmigen Tage, als im Radio die Karten für das Konzert eines New Yorker Gospelchors in der Nachbarstadt verlost werden. Für das Kirchenchormitglied Hannah wäre das eine schöne Sache. Schon ist sie in der Leitung des Senders, muss nur noch die Quizfrage beantworten: welchen Musikstil prägte die britische Band Queen? Für Hanna ist die Antwort natürlich kein Problem: Symphonischer Rock.
Wie man es von einem dänischen Film nicht anders erwarten konnte, geht es auch in Oh Happy Day um einen Haufen treuherziger, aber zur Vereinsamung neigender Gestalten. Sie sind die einzigen Mitglieder des winzigen Kirchenchors, der auf eine ernste Probe gestellt wird, als Hannah vom Fahrrad fällt, während sie vom Gospelkonzert nach Hause radelt. Durch eine Vollbremsung verletzt sich dabei auch Moses Jackson, der Leiter des Gospelchors, der im örtlichen Krankenhaus bleiben muss und kurzerhand von Hannahs Schwägerin Grete zum neuen Chef des Kirchenchors ernannt wird, weil dieser Posten gerade vakant ist. Dänischer Gospel? Der übermütige Musik-Fan Lasse findet das ganze natürlich cool, ergeht sich im Schwall aus Anglizismen. Die hochgeschlossene Shirley, sich eigentlich schon als neue Chorleiterin wähnend, hält nichts von der schwarzen Musik und tritt aus. Die schrille Grete hat längst ein Auge auf den stattlichen Jackson geworfen. Der stille Brillenträger Krüger im Ringelpulli ahnt, dass es mit dem Stimmvolumen der Gruppe nicht zum besten steht. Und Hannah, mit ihrer dunklen Prinz-Eisenherz-Frisur stets angespannt wirkend, hält sich wie immer zurück.
Hella Joof traut sich mit ihrem zweiten Film Oh Happy Day einiges. Die Figuren sind allesamt typische Kleinstädter, so dass der Film auf dem schmalen Grat zwischen langweiligem Klischee und ächzender Normalität balancieren muss. Da es außerdem um einen zum Leben erweckten dänischen Gospelchor geht, also ein frommer Prediger aus Harlem ein paar weiße Schafe dazu bringt, in einer Dorfkirche mit Inbrunst »Oh happy Day« zu singen, ist die Gefahr eines allzu sentimentalen Kultfilms für Volkshochschul-Gesangsgruppen natürlich ebenso gegeben. Dank der liebevoll gezeichneten Charaktere und vor allem des humorvollen Blick auf das Geschehen umgeht Oh Happy Day aber diese Fallen. Mit einem wunderbar feinem Kamerablick, wie man ihn derzeit nur im kleinen Autorenfilm finden kann, folgt Joof dagegen ihren Helden. Wie Lotte Andersen als Hannah verloren in ihrer Bushaltestellenmuschel sitzt und ganz symmetrisch von der einsamen Weite umschlungen wird. Oder Malik Yobas Jackson, dessen nackter, dunkler Leib in der Badewanne zu versinken droht, und an den sich die Kamera von Eigil Bryld nur ganz sachte heran wagt. Jede Kamerafahrt, jede Momentaufnahme erzählt eine eigene Geschichte von herben Enttäuschungen und verpassten Chancen.
Dass der Chor mit der spirituellen Hilfestellung von Jackson zu sich selbst und zu neuer Kraft findet, dass eine von der Gesellschaft verstoßene junge Mutter mit Engelsstimme bei ihnen aufgenommen wird, dies alles gehört zur schönen Erweckungs-Geschichte. Aber wie sich die scheue Hannah und der starke Jackson nahe kommen, sie dafür große Opfer bringen muss, das ist ein ernstes Wagnis. Auch hierfür findet Joof in einer surrealen Nachtsequenz in der Kirche ganz außerordentliche Bilder, die sich aber schnell als verstörend real erweisen. Oh Happy Day versteckt sich nicht hinter Träumen, sondern meint es ernst mit den Menschen. Dazu singt ein erwachsen gewordener Rick Astley im Hintergrund mit tiefer Stimme getragene Pop-Songs. Dass Astley in den 80er Jahren als Weißer mit einer schwarzen Stimme zum Hitparaden-Stürmer wurde, ist ein weiteres der vielen vergnüglichen Details des Films.