Die Olchis – Willkommen in Schmuddelfing

Deutschland/B 2021 · 86 min. · FSK: ab 0
Regie: Jens Møller, Toby Genkel
Drehbuch: ,
Musik: Andreas Radzuweit
Schnitt: Paulo Jorge Rodrigues Marques, Sascha Wolff-Täger, Annette Kiener
Filmszene »Die Olchis - Willkommen in Schmuddelfing«
Die beste aller Welten
(Foto: Leonine)

Kontrolliert die Sau rauslassen

Die Verfilmung eines der erfolgreichsten Kinderbücher macht das Beste aus der literarischen Vorlage, aber ein wenig mehr anarchisches Chaos hätte schon sein dürfen

Die Olchis fehlen eigent­lich in keinem Kinder­bücher­schrank. Die inzwi­schen 29 Bände des Kinder­buch­au­tors und Illus­tra­tors Erhard Dietl haben sich – inter­na­tio­nale Auflagen inbe­griffen – inzwi­schen mehr als fünf Millionen Mal verkauft, was nicht wirklich verwun­dert, sind sie doch eine gesell­schaft­lich perfekt ange­passte Weiter­ent­wick­lung von wilden Post-Hippie- und Reform­pä­d­agogik-Figuren wie Müll­tonnen-Oscar oder dem Krümel­monster aus der Sesam­straße. Die grünen Wesen, die all das toll finden, was Erwach­sene eklig finden, sind gewis­ser­maßen das kollek­tive Sprach­rohr unver­stan­dener Kinder­seelen, ein Puffer zwischen asep­ti­scher Seelen­lo­sig­keit und anar­chis­ti­scher, emoti­ons­ge­bün­delter Schmud­del­lust.

Die animierte Verfil­mung unter der Regie von Jens Møller und Toby Genkel zieht aus den Büchern von Dietl dann auch genau die Erzäh­lungs­bau­steine heraus, die wichtig sind, um eine spannende Geschichte zu erzählen – in diesem Fall das holprige und vor allem von über­an­ge­passten Erwach­senen nicht gern gesehene Erscheinen der Olchis auf der Müllkippe von Schmud­del­fing – betont aber, anders als bei Dietl, vor allem auch poli­ti­sche Inhalte, so wie man das von den beiden Regis­seuren in Ansätzen auch aus ihren Vorgän­ger­filmen Mullewapp – Das große Kino­aben­teuer der Freunde (Jens Møller) und vor allem Ooops! 2 – Land in Sicht (Toby Genkel) kennt.

Denn die Olchis werden ja nicht einfach so aus Schmud­del­fing abge­wiesen, sondern vor allem, weil ein klas­si­scher Lobbyist ihr Bleiben verhin­dern will, um die Müllkippe als Baugrund für sich zu gewinnen. Diese politisch-soziale Kompo­nente ist ebenso schön heraus­ge­ar­beitet wie die politisch überaus korrekte Bestands­auf­nahme, was das Übermaß an Müll für unsere Gesell­schaft bedeutet. Dass die Olchis letztlich viel­leicht nicht in der Realität exis­tieren, ist dabei eigent­lich völlig egal, denn es reicht ja im Grund schon ein Olchi im Kopf von jedem von uns, um zu erkennen, wieviel man aus unseren Müll­bergen noch »verwerten« könnte.

Damit schafft es die Verfil­mung dann auch zum durchaus kompa­ti­blen und unter­halt­samen Fami­li­en­film, doch wie so oft im Kontext deutschen Fami­li­en­films und viel­leicht deutschen mora­li­schen Empfin­dens überhaupt wollen es die Macher dann ganz besonders gut machen. Es werden nicht nur die mora­li­schen Schwarz-weiß-Malereien ein wenig über­trieben, um Kindern zu zeigen, wer hier gut und wer hier böse ist, sondern es wird sogar noch weiter gegangen, wird mitten im Film eine an ameri­ka­ni­schen Unis übliche Trigger-Warnung platziert, erzählt völlig aus dem Kontext heraus ein dämlicher Vogel, dass so etwas wie Motorenöl trinken natürlich nur etwas für Olchis ist, denn nur ein Olchi-Magen verträgt so etwas. Das ist so schmerz­haft wie unnötig, aber passt letzt­end­lich zu der aalglatten Ästhetik der Animation, durch die selbst der ekligste Müll nach Instagram-Ästhetik riecht.

Das ist natürlich nicht unrecht, nimmt der eigent­li­chen Idee aber einiges an Spaß und unor­tho­doxer Wucht. Gleich­zeitig unter­streicht sie die Apart­heids-Idee von Dietls Büchern, denn im Grunde lebt der Reiz der Idee ja nicht darin, dass Kinder sich endlich trauen, selbst einmal so richtig rumzu­sauen, sondern dass dies die Stell­ver­treter im Müll-Township nebenan für sie erledigen. Der Film entledigt sich Dietls Dualismus, ersetzt ihn aller­dings nur durch einen Frei­zeit­park, in dem gegen Eintritts­ge­bühr und brav separiert ein Schlammbad genommen werden darf. Auch so bleibt das eigent­liche Zuhause so reinlich wie zuvor – für alle Eltern wahr­schein­lich die beste aller Welten.