USA 2013 · 123 min. · FSK: ab 12 Regie: Jim Jarmusch Drehbuch: Jim Jarmusch Kamera: Yorick Le Saux Darsteller: Tom Hiddleston, Tilda Swinton, Mia Wasikowska, John Hurt, Anton Yelchin u.a. |
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Irma Vep Tilda Swinton |
Mancher moderne Physiker weiß davon zu berichten, wie das Vorhandensein von Wurmlöchern zu so unerwarteten, wie unwahrscheinlichen Verbindungen im Raum-Zeit-Kontinuum führen kann. Vielleicht ist der ewige New Yorker Querkopf Jim Jarmusch vor 12 Jahren in ein solches Wurmloch gesprungen, um in eine Dimension zu gelangen, die sich gegenüber seiner radikalen Zeitkritik Only Lovers Left Alive aufgeschlossener zeigt, als die in diesem Werk angeprangerte extrem oberflächliche Gegenwart. Denn es kann eigentlich nur einer höchst unwahrscheinlichen Fluktuation im 10-dimensionalen Raum zu verdanken sein, dass ausgerechnet ein so glattgebügeltes Zeitgeist-Phänomen, wie die Twilight-Saga dazu geführt hat, dass der schöngeistige Auteur Jarmusch nun seinerseits einen Film realisieren konnte, der genau diese kurzlebige Trendiness kritisiert. Auf der anderen Seite zeigt genau diese Entwicklung, dass Jarmusch vielleicht recht hat, wenn er sein Alter Ego Adam die Mehrheit der Menschen als bloße Zombies verdammen lässt. Und Adam muss es schließlich wissen, denn er ist ein Vampir...
Adam (Tom Hiddleston) ist ein Musiker, der in einer so alten, wie heruntergekommene Villa in Detroit wohnt. Die Nächte verbringt er mit dem Komponieren innovativer Indie-Musik, vor dem Tageslicht flüchtet er sich in den Schlaf. Auch seine Villa ist für Adam ein Zufluchtsort, wo er sich vor den von ihm verhassten Menschen versteckt. Er trifft sich nur mit sehr wenigen Menschen und auch dann nur, wenn er etwas von ihnen benötigt. Blutkonserven haben dabei die höchste Priorität. Denn Adam ist ein Vampir, aber einer, dem der klassische Biss in den Hals zu unkultiviert geworden ist. Die Pflege der Kultur und die eigene Selbstverfeinerung sind für ihn alles. Sie geben seinem ewigen Leben erst ihren Sinn. Doch was nützt es, wenn man über Jahrhunderte hinweg an sich und seiner Kunst arbeitet, wenn man nur von kulturlosen Banausen umgeben ist, welche dies nicht zu schätzen wissen. So versinkt Adam immer tiefer in Depressionen und denkt bereits daran, seiner Unsterblichkeit ein Ende zu bereiten. Dies spürt seine Freundin Eve (Tilda Swinton) über Tausende von Kilometern hinweg, bis nach Tanger, wo sie wohnt. Sofort reist sie nach Detroit, um Adam wieder aufzumuntern. Sie genießen die Zweisamkeit so lange, bis Eves aufgedrehte Schwester Ava (Mia Wasikowska) aus L.A. angereist kommt...
Die Stadt Los Angeles verkörpert für Adam alles, was er hasst. Für ihn ist die glitzernde Westküstenmetropole nur die »Hauptstadt der Zombies«. Mit »Zombies« wiederum bezeichnet er all die oberflächlichen Menschen dieser schnelllebigen Zeit. Sicherlich meint der Filmemacher und Ostküstenbewohner Jim Jarmusch mit L.A. auch Hollywood, die Welthauptstadt des kommerziellen Kinos, die der New Yorker zutiefst verabscheut. Im Gegensatz zu seinem Alter Ego Adam, ist Jim Jarmusch zwar erst 60, anstatt mehrere Hundert Jahre alt. Aber für viele gehört er damit bereits zu den Dinosauriern. Doch der quirlige Künstler ist weit davon entfernt sich zur Ruhe zu setzen. Das kreative Feuer brennt noch immer und der Gedanke an all die Filme und an all die Songs, die er noch nicht kennt und von daher noch für sich entdecken kann, versetzt Jarmusch nach eigener Aussage in Entzücken. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass für ihn die Vorstellung der Unsterblichkeit nichts Erschreckendes, sondern eher etwas sehr Verlockendes hat.
Jim Jarmusch ist ein Musiker und ein Schöngeist, der in Only Lovers Left Alive von dem schöngeistigen Musiker Adam verkörpert wird. Ein Teil der Musik im Film stammt von Jarmuschs eigener Band Sqürl. Es sind sehr langsame, atmosphärische und analoge Sounds die sich über die bereits sehr stimmungsvollen Bilder legen und dem Film eine einmalige Dichte und Schwere verleihen, wie die eines sehr erlesenen alten Weins. Wie einen guten Rotwein genießen Adam und Eve auch das Menschenblut aus fein geschliffenen kleinen Gläsern. Dieses kostbare Elixier ist für sie nicht nur lebensnotwendig, sondern auch eine berauschende Droge. Deshalb genießen sie diesen Trunk nur in kleinen Schlückchen. Nur Eves Schwester Ava muss gleich alles auf einmal hinunterkippen. Aber sie kommt ja auch nicht umsonst aus der Hauptstadt der Zombies...
Mit Only Lovers Left Alive geht Jim Jarmusch den Weg weiter, den er bereits mit seinem letzten Film The Limits of Control eingeschlagen hat. Die nur sehr rudimentäre Handlung dient lediglich als ein loses Gerüst, in das Jarmusch all das hineinpackt, was ihm persönlich besonders am Herzen liegt. Und im Falle dieses Filmkünstlers handelt es sich dabei in erster Linie um Kunst und Kultur. Das fängt hier im wahrsten Sinne des Wortes bereits bei Adam und Eva an und erstreckt sich über Shakespeare, Lord Byron, Fibonacci, Goethe, James Joyce, Deutscher Expressionismus, Stanley Kubrick und und und... Das dicht geflochtene Netz an Referenzen scheint sich immer weiter in unendlichen Fraktalen zu winden. Solch eine unendliche Drehbewegung wird bereits durch die zu Beginn Adam und Eve umkreisende Kamera evoziert. Hinzu kommt der satte, analoge Sound. Eine hypnotische Sogwirkung entsteht. Das Kreisen verwandelt sich in eine Pulsieren. Es ist ein uralter, so lässiger, wie kraftvoller Beat. Leben heißt Erschaffen, Voranschreiten und Verfeinern. Bloßes Konsumieren, kopflose Betriebsamkeit und reiner Hedonismus sind hingegen der Tod.