Frankreich/B 2016 · 91 min. · FSK: ab 12 Regie: Thomas Kruithof Drehbuch: Thomas Kruithof, Yann Gozlan Kamera: Alex Lamarque Darsteller: François Cluzet, Denis Podalydès, Sami Bouajila, Simon Abkarian, Alba Rohrwacher u.a. |
![]() |
|
François Cluzet als Ulrich Mühe |
Ein einsamer frustrierter Mann in mittleren Jahren, der in einer leeren Wohnung die Tonbandaufnahmen von geheimen Abhörmaßnahmen mit einer elektrischen Schreibmaschine abtippt: Der französische Agententhriller Operation Duval – Das Geheimprotokoll beginnt als eine recht spröde Variante von Florian Henckel von Donnersmarcks Abhördrama Das Leben der Anderen.
Doch die visuelle Kargheit und die gedämpfte Stimmung sind in dem von Thomas Kruithof geschriebenen und inszenierten Film mit Bedacht gewählt: Der von François Cluzet (Kein Sterbenswort) auf äußerst lebensnahe Art verkörperte Duval ist ein trockener Alkoholiker, der nach zweijähriger Arbeitslosigkeit ein verlockendes Jobangebot erhält. Er wird sehr gut dafür bezahlt, dass er Tag für Tag nichts anderes tut, als mit maximaler Präzision geheime Aufzeichnungen abzutippen.
Allerdings muss Cluzet bald feststellen, dass sein mysteriöser Auftraggeber Clément (Denis Podalydès) gute Gründe dafür hat, den genaueren Charakter dieser Operation so sehr unter Verschluss zu halten, dass nicht einmal Duvals direkter Vorgesetzter Gerfaut (Simon Abkarian) die Gesamtzusammenhänge durchschaut. Und kaum, dass Duval eine Ahnung davon bekommt, in was für ein finsteres Spiel er hier hineingeraten ist, sieht er sich vor die fast unmöglich erscheinende Herausforderung gestellt, trotzdem eine halbwegs weiße Weste zu behalten und dabei nicht selbst unter die Räder zu kommen.
Operation Duval – Das Geheimprotokoll ist ein Neo-Noir, der zugleich in der Tradition klassischer Paranoiathriller, wie Francis Ford Coppolas Der Dialog und Alan J. Pakulas Zeuge einer Verschwörung (beide 1974) steht. Das Thema ist die Ohnmacht des kleinen Mannes, der sich in dem Spinnennetz einer ebenso mysteriösen, wie mächtigen Organisation verfängt. Zugleich erinnern die kafkaeske Grundstimmung sowie die Verwendung einer antiquierten Technik an Terry Gilliams groteske schwarze Komödie Brazil (1985). Nur gibt es in Operation Duval wahrlich nichts zu lachen.
Der intelligente französische Agententhriller hebt sich auf sehr angenehme Art von dem Großteil seiner aktuellen Artverwandten made in Hollywood ab: Anstatt auf maximale Reizüberflutung in Form tumber Action und unmotivierter Schnittgewitter setzt Kruithof auf sein durchdachtes Drehbuch und auf einen so ökonomischen wie effektiven Minimalismus. Spannung entsteht hier nicht durch wilde Autoverfolgungsjagden oder wüstes Maschinengewehrsperrfeuer, sondern durch die sich immer stärker in Cluzets Gesicht zeigende Zerknirschung angesichts der Konfrontation mit dem übermächtigen Gegner.
Kruithof zeigt uns in kühlen Farben eingefangene leere Räume, welche die Einsamkeit und das Gefühl des Ausgeliefertseins des Protagonisten spiegeln. Anstatt gegen Ende das Tempo deutlich hochzufahren, dreht Kruithof im letzten Filmdrittel die Farbregler so weit herunter, dass die bereits anfangs tristen Töne immer weiter entsättigt werden. Die Farbstimmung korreliert mit Duvals wachsender Erkenntnis, dass dieses perfide Spinnennetz noch wesentlich weiter gespannt ist, als er zunächst geglaubt hatte.
Zugleich akzentuieren die betont nüchternen Bilder und die präzisen Makroaufnahmen der mechanischen Elemente der verwendeten Abhör- und Aufzeichentechnik die kalte Mechanik eines skrupellosen Machtapparats, in dem der einzelne Mensch weniger wert ist, als eine Schachfigur auf einem Spielbrett. Denn zumindest die Spielfigur ist nicht so ohne Weiteres austauschbar. Die unerbittliche Logik der äußeren Mechanik kontrastiert Kruithof mit dem mit einer tiefen Humanität empfundenen inneren Kampf des Protagonisten gegen seine persönlichen Unzulänglichkeiten und seine inneren Dämonen.
Irgendwann wird dieser brutale innere Kampf für Duval dermaßen unerträglich, dass er auf offener Straße zusammenbricht. Die Konfrontation mit dem äußeren Gegner erweist sich als eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Schwäche. Es ist ein Kampf, der nur zwei mögliche Ausgänge erlaubt: innere Reifung oder finaler Untergang.