Niederlande/J/I 2002 · 87 min. Regie: Johan Kramer Drehbuch: Johan Kramer Kamera: Lex Brand Darsteller: Mtthijs de Jong, Wangay Dorji, Charles Thompson u.a. |
Wer hätte gedacht, dass Fußball so spannend sein kann, besonders für Menschen, die dem momentanen EM-Hype verständnislos gegenüber stehen noch dazu ein Match, das nicht darüber entscheidet, welche Nation zur Zeit die beste Mannschaft stellt. Im Gegenteil, im Dokumentarfilm des Niederländers Johan Kramer geht es um ein Spiel zwischen den letztplatzierten der FIFA-Weltrangliste, um ein Match zwischen den Mannschaften so unbeachteter Nationen wie Montserrat und Bhutan. Wenige Stunden vor dem Endspiel der letzten WM zwischen Brasilien und Deutschland maßen sich am 30.6.2002 im bhutanischen Stadion die Spieler der beiden kleinen Staaten.
Die Geschichte dieses Ereignisses wird hier erzählt. Ausgangspunkt war die Idee einiger Niederländer um den Regisseur und den Organisator Mathijs de Jong, die ihre Enttäuschung über die Nichtteilnahme der eigenen Nationalmannschaft verwinden mussten. Warum sollten nicht auch einmal Nationen um den letzten Platz spielen? Der Blick ins Internet zeigte, dass dies die Karibikinsel Montserrat (Rang 203) und das Himalaya-Königreich Bhutan (Rang 202) waren, und in beiden Staaten stieß die Anregung auf großes Interesse. Sowohl auf der noch zu Großbritannien gehörenden Insel als auch im kleinen, lange isolierten Land zwischen Indien und China ist Fußball eine eher vernachlässigte Sportart, Nationalsport sind Kricket oder Bogenschießen. Zudem leidet Montserrat unter den Folgen eines Vulkanausbruchs: 1997 begruben die 7 tätigen Vulkane in den Soufriere-Bergen ein Drittel der Insel, darunter die Hauptstadt, unter Lavaströmen, immer noch ist die Luft voller Asche. Auch das Stadion ist dabei unbenutzbar geworden, der Neubau weist zwar ein fertiges Spielfeld auf, doch von dessen Begrenzung oder gar Tribünen ist 2002 noch nichts zu sehen. Deshalb müssen Montserrats Spieler einiges auf sich nehmen, um in Bhutan anzutreten. Problem ist dabei weniger die fünf Tage dauernde umständliche Anreise als die ungewohnte Höhe: Das Changlimithang-Stadion in Bhutans Hauptstadt Thimphu liegt 2250 m über dem Meeresspiegel.
Genauso wenig, wie wir über die kleinen Länder wissen, wussten sie zu Beginn übereinander, inzwischen kann jedes Schulkind in Bhutan und Montserrat sagen, wo der Gegner des »anderen Finales« zu Hause ist. Dieser Film ist mehr als die Geschichte eines Fußballspiels, selten wurden die verbindenden Aspekte des Sports so packend dargestellt. Hier geht es nur am Rande um einen Wettkampf, im Mittelpunkt steht die Begegnung, deshalb ist es nur konsequent, dass am Ende keiner ohne Pokal nach Hause geht. Und man fiebert mit Spielern und Organisatoren, ob auch alles klappen wird, wenn die Unbedarftheit von Funktionären, ungewohntes Essen, Ausfall von Trainern oder die Probleme der Schiedsrichter-Beschaffung den Erfolg in Frage stellen.
Interessant ist neben der überraschend vielseitigen Vorgeschichte auch die visuelle Umsetzung des Films, unterhaltsam-assoziative Bilder, die so gar nichts von trockenem Dokumentarstil haben. Johan Kramer, der zuvor Kurzfilme, Werbung und Musikclips drehte, schafft es mühelos, den Spannungsbogen auch über die Länge eines abendfüllenden Filmes zu halten. Der Ball verbindet Bilder und Menschen, er rollt durch vulkanische Asche ebenso wie den Sitz des Außenministers von Bhutan, der erfreut die Gelegenheit nutzt, sein Land einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Man sieht viel von Bhutan und auch von Montserrat, und man hört viel aus beiden Ländern, deren Musik sich mit dem spritzigen Soundtrack zu einem eingängigen, gut gelaunten Hörerlebnis verdichtet.
Montserrat hält auch heute das Ende der Rangliste und steht auf Platz 205. Bhutan dagegen hat immerhin Rang 189 erreicht. Wer das alternative Finale 2002 gewonnen hat? Wird nicht verraten – man gehe und sehe selbst.