Kanada/USA/GB 2003 · 104 min. · FSK: ab 0 Regie: Richard Kwietniowski Drehbuch: Maurice Chauvet Kamera: Oliver Curtis Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Minnie Driver, John Hurt, Maury Chaykin u.a. |
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John Hurt und Philip Seymour Hoffman |
Owning Mahowny ist ein Spielerfilm, und also ein Film über das Glück. Doch es geht ihm nicht um das Glück IM Spiel, sondern das Glück BEIM Spiel: Dan Mahowny ist nicht gerade der Typ, der im Casino Fortuna als (Spiel-)Tischdame hat. Und dennoch ist er dort, behauptet er jedenfalls, glücklich. 100 von 100 möglichen Punkten erreicht das Spielen bei ihm auf einer Befriedigungs-Skala, wo der komplette Rest seines Lebens, Liebens selbst an Höhepunkten irgendwo bei 20 rumdümpelt.
Das Verrückte nur: Nichts von dem Glück sieht man ihm an, so wie der grandiose Philip Seymour Hoffman (Magnolia) ihn spielt. Ein Schaulaufen für den »sympathischsten Unsympathen« des US-Kinos, wie er mal treffend beschrieben wurde. Sein Mahowny ist ein zwanghaft Getriebener, fast autistisch von der Außenwelt Abgeschotteter, der kaum mal den Blick von den eigenen Schuspitzen hochkriegt. Nach außen dringt höchstens seine Nervosität, was in ihm an Gefühlen kocht, dünstet nur als schwitzige Aura an die Oberfläche.
Es geht ihm überhaupt nicht ums Gewinnen – Mahowny würde nur gewinnen, damit er wieder Geld zum Verlieren hat, sagt mal jemand im Film über ihn. Es gibt ja auch nichts, was er mit gewonnenem Geld anzufangen wüsste. Als das Casino den verlierfreudigen Stammgast mit allerlei Luxus hofieren will, ist ihm das nur störende Ablenkung. Sex, Alkohol – was will ihm das schon auf seiner Skala. Die 100 ist das einzige Ziel, er will, er muss spielen, sonst nichts.
Das Geld dafür schleppt er kofferweise an – von der Bank, für die er arbeitet. Dort erfindet er Risikokredit-Kunden, um Kapital für seine Sucht zu haben. Owning Mahowny ist nicht nur ein Film über das Glück, sondern auch über die Gier. Mahowny giert nach Glück – seine Vorgesetzten hingegen macht die Gier auf Geld zu (Wunsch-)Gläubigen. Und letztlich ist Mahowny deswegen eine arme Sau, weil er auf zu kleiner Ebene spielt, während die verantwortungslosen Chefs ungeschoren größer zocken.
Die Ironie: Mahowny ist ein beschissener Spieler, aber ein begnadeter Betrüger – wäre es ihm nur um Reichtum gegangen, hätte er nie ein Casino betreten müssen. (Der Film beruht übrigens auf einem wahren Fall, der sich 1982 in Toronto ereignete.) In Richard Kwietnioswskis (Love & Death on Long Island) präzise inszeniertem, mit trockenem Humor bestaubtem Film sind Casino- und Bank-Business eng verwandt, sind das Roulette-Rad und das Rad am Banktresor Cousins. Der Unterschied ist nur, dass das Casino das sicherere, besser überwachte, genauer kalkulierbare Spiel betreibt.
Owen Mahowny wird das zum Verhängnis, was anderen als Eingangstür zu einem besseren Leben dient. Als der gewissenhafte Zahlenzauberer in einer kanadischen Bank auf eine verantwortliche Position befördert wird, hat er plötzlich Zugriff auf die hohen Beträge. Der unauffällige Mann hat so gar nichts von einem großen Betrüger, doch Schulden bei seinem Buchmacher lassen den schon lange Spielsüchtigen seine Hemmungen überwinden: er fälscht die erste Unterschrift.
»Ich habe kein Spielproblem, ich habe einen finanziellen Engpass« – nicht einmal sich selbst kann er seine Abhängigkeit eingestehen: Der Reiz des Spielens liegt nicht im Gewinn. Und nicht in den Annehmlichkeiten, die der Geschäftsführer des Casinos in Atlantic City dem neuen Kunden zukommen lässt. Obwohl ihm klar sein müsste, dass bei dem kleinen Angestellten mit den hohen Einsätzen etwas nicht stimmt.
Richard Kwietniowskis Film, nicht ohne ironische Spitzen, wirft unter anderem die Frage auf, ob Mahowny nicht auch pervertiertes Produkt seiner Umgebung ist: Sowohl in der Bank als auch im Casino ist er im Grunde ein wohlfunktionierendes Rädchen im Getriebe der Geldumwälzungsmaschinerie. Und doch lässt der Regisseur keine Sekunde daran zweifeln, das der Spieler krank ist. Philip Seymour Hoffman ist seit seiner Rolle als verschlagenes reiches Söhnchen in Der Duft der Frauen einer der eindrücklichsten Nebendarsteller im amerikanischen Kino, einprägsam auch in Magnolia und 25th Hour. Seine Darstellung des monomanischen Spielers, der verzweifelt bemüht ist, seine Leidenschaft vor den Kollegen, besonders seiner Freundin Belinda (Minnie Driver), zu verstecken, ist meisterhaft. Den finsteren Widerpart, der die Spielsucht mit allen Mitteln zu befeuern versucht, gibt als Casinobetreiber John Hurt.
Richtig behaglich zeichnet der Film keinen seiner Schauplätze, weder die marmorne Kälte der Bank noch der banale Flitterglanz des Casinos wirken einladend. Der ganze Film ist durch die geballten Hässlichkeiten der frühen 80er Jahre gekennzeichnet, in denen sich zutrug, was der Journalist Gary Stephen Ross als »true crime« aufzeichnete und Drehbuchautor Maurice Chauvet hier für den Film ausgestaltete. Nicht in allen Punkten folgt der Plot dem wahren Geschehen – so ist der hohe Baccarat-Gewinn Mahownys eine dramaturgische Überspitzung. In Wirklichkeit hieß der Spieler Molony, und wie der Hochstapler in Catch Me If You Can verdient er nach Verbüßen seiner Haftstrafe sein Geld im Betrugsdezernat.
Vieles wird man als real wiedererkennen, wenn man jemals selbst in einem Casino stand und die fieberhaften Betriebsamkeit um den Roulettetisch beobachtet hat. Faszinierend der Zufall, in dem jeder Regelhaftigkeit zu erkennen versucht. Das minutiöse Anzeigen jeder Zahl und jedes Croupiers-Wechsels befeuern Aberglauben und Systemsuche. Der größte Kitzel liegt in dem Moment, wenn die Kugel rollt, wenn noch alles offen ist – hier spürt man einen Hauch der Passion, die Mahowny umtrieb.
Dies ist keine augenzwinkernde Gaunergeschichte über einen unterschätzten Helden, der Bank und Casino austrickste, um in Reichtum zu leben. Owning Mahowny, mit allen komischen Details, ist das einfühlsame Portrait eines Getriebenen, der jeden Groschen in seine Passion steckt. Seine Sucht und den daraus entstehenden Realitätsverlust sind eine Schwäche, an der sich andere Bereichern. Zu wenige können sich der Casinotechnik des Schmeichelns und Überwachens entziehen.