USA 1998 · 169 min. · FSK: ab 6 Regie: Robert Redford Drehbuch: Eric Roth, Richard LaGravenese Kamera: Robert Richardson Darsteller: Robert Redford, Kristin Scott Thomas, Sam Neill, Scarlett Johansson u.a. |
Robert Redford und Pferde: eine gute Kombination wie man meinen möchte, insbesondere wenn man Zwei Banditen (Butch Cassidy and the Sundance Kid) und Der elektrische Reiter (The Electric Horseman) gesehen hat. Aus dem ersten sind einem rasante Verfolgungsjagden zu wunderbar säuselndem Easy-Listening von Burt Bacharach im Gedächtnis geblieben, aus dem zweiten das Bild vom elektrisch illuminierten Reiter, der nächtens mit seinem Pferd aus der Stadt flieht. Also warum sollte nicht auch Der Pferdeflüsterer, nach dem gleichnamigen Bestseller von Nicholas Evans, zu einem visuellen Erlebnis werden? Daß Redford dabei selbst Regie geführt hat, sollte dem nicht im Wege stehen, denn er hat mit Filmen wie Milagro und Quiz Show bewiesen, was er kann. Vermutlich ist ihm aber die Geschichte im Weg gestanden, von der er möglichst viele Aspekte in den Film aufgenommen hat. Einzeln betrachtet sind die Themen und Figuren größtenteils nicht uninteressant: der Cowboy Tom Booker (Redford), der die Pferde bei der Dressur nicht bricht, sondern versucht, sich ihnen einfühlsam zu nähern. Eine Mutter (Scott Thomas), die versucht, ihre Tochter (Johansson) und deren Pferd nach einem furchtbaren Reitunfall wieder in die Welt zurückzubringen und dabei selbst eine Wandlung vom New Yorker Workaholic zum Mädel vom Lande durchmacht. Daß sie sich natürlich in den feschen aber doch ziemlich in die Jahre gekommenen Cowboy verliebt, muß man den Unterhaltungskonventionen zuschreiben, daß aus dieser Liebe nichts wird, liegt am edlen Reitersmann, der in weiser Voraussicht feststellt, er könne auf Dauer doch nicht in der Stadt leben und sie nicht auf dem Land – außerdem gibt es ja noch die Tochter und den Ehemann (Neill).
Spätestens durch die blasse Figur des Ehemanns wird deutlich, daß es Redford nur oberflächlich gelungen ist, die Themen des Films zu verweben – obwohl er sich dabei angenehm viel Zeit gelassen hat. Bis auf die drastische Darstellung des Reitunfalls im Prolog bleibt der Film nett und angenehm, und es entsteht kein Zweifel darüber, daß der Westerner schon alles richten wird. Der Prolog ist in kalten Farben gedreht und mit harten Schnitten montiert: Szenen einer distanzierten Ehe von Besserverdienenden sind gegen den Unfall der Tochter geschnitten. Ganz klar, diese Welt von entfremdeten Menschen, in der kleine Mädchen auf ihren Pferden von Lastwagen zermalmt werden, krankt an ihrer Zivilisation. Dem gegenüber steht im scharfen Kontrast die heile(nde) Natur des Westens, wie sie nur noch in wenigen Gegenden existiert: in aufwendigen, sehr ästhetisierten Bildern fliegt und reitet der Zuschauer über »Eldorado«.
Falsch ist an der Rechnung Zivilisation vs. Natur schon die Begrifflichkeit, denn es geht um zwei Formen von Kultur, die sich in ihrem Verhältnis zur Natur unterscheiden. An den Pferden wird dies besonders deutlich: Pferde sind insofern Teil unserer Kultur, da sie von Menschen zu verschiedenen Zwecken gezüchtet und trainiert werden, der Mensch ihnen also einen anthropozentrischen Sinn verleiht, der sich im Lauf der Generationen und Kulturen immer wieder verändert hat. Kein Wildpferd wäre je von selbst auf die Idee gekommen, Wagen zu ziehen oder Reiter zu tragen – im Zweifelsfall kann man ja 'mal ein Zebra befragen. Daß die Geschichte vom Pferdeflüsterer nun davon erzählt, daß es eine bessere Kultur gibt, als die der Gewalt, Macht und Unterwerfung, ist grundsätzlich ein schönes Unterfangen. Leider verharrt der Film dann aber in einer naiv idealisierenden Naturromantik, weil er nichts von den beschwerlichen oder bedrohlichen Seiten des Lebens in der Natur zeigt und letztlich wie ein zweieinhalbstündiger Marlborospot daherkommt, in dem nur nicht geraucht wird.
Moment, höre ich jemanden sagen, bei Marlboro sind die Cowboys doch hartgesottene Burschen, die ihren Gäulen gern und oft die Sporen geben – nicht immer, muß man entgegnen, denn so lief vor kurzem auch ein Spot, in dem ein »Pferdeflüsterer« ein Fohlen liebevoll aufzog und vermutlich noch heute mit ihm fröhlich durch die Wälder tollt. In der Werbung wurde also der Cowboy schon vor einiger Zeit reformiert und das dürfte so ungefähr zu der Zeit gewesen sein, als der Roman von Evans zum Renner wurde. Wenig überraschend prangt nun auch das rot-weiße Zigarettenlogo auf einigen Filmplakaten des Pferdeflüsterers. Redfords Aussage, er wollte einen Film machen gegen die »synthetischen, unauthentischen Verhältnisse«, in denen wir leben, nimmt sich vor diesem Hintergrund wie blanker Zynismus aus, wobei ihm nicht unbedingt Absicht zu unterstellen ist – schließlich hat er ja auch nicht absichtlich einen so schwachen Film gedreht.