Deutschland 2017 · 99 min. · FSK: ab 0 Regie: Christian Theede Drehbuch: Dirk Ahner Kamera: Ngo The Chau Darsteller: Marleen Quentin, Ruben Storck, Luke Matt Röntgen, Emilia Flint, Leo Gapp u.a. |
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An der herrschenden Moral mitschreiben |
Es geht auch ohne, versprochen! Ohne Vorwissen, ohne auch nur von einer der 13 Staffeln, deren erste 1999 in der ARD lief, je gehört zu haben. Und da wegen dem jugendlichen Personal, das zielgruppenkonform nicht viel älter werden durfte, eh alle zwei Jahre die Hauptdarsteller ausgetauscht werden mussten, dürfte es auch für die Hardcore-Fans kein Problem sein, sich erfolgreich auf die erste Kinoversion des Nachwuchs-Detektiv-TV-Serien-Klassikers Die Pfefferkörner und der Fluch des Schwarzen Königs einlassen zu können. Es geht also auch mit.
Und was geht, ist überraschend viel. Zumindest für den, der sich auf eine an FSK 0 angepasste James Bond-Geschichte einlassen mag, dem schnelle Schnitte wenig ausmachen und der auch die im klassischen Bond verankerte Reise um die Welt genießen kann. Bei den Pfefferkörnern ist diese Reise zwar auf die Hamburger Speicherstadt – die Heimat der Pfefferkörner – und die Bergwelt Südtirols beschränkt, doch im Grunde liegt in dieser Beschränkung vielleicht auch die eigentliche Stärke des Films, bleibt so Raum für die Entwicklung der Charakere und eine erfrischende Dekonstruktion alter Enid Blyton-Werte, der Urmutter aller Mini-Bonds.
Ähnlich wie Detlev Bucks Bibi & Tina-Variation, setzt auch Christian Theedes Regie und Dirk Ahners Drehbuch der Pfefferkörner auf etwas, das leider immer noch zu selten in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft anzutreffen ist: starke Mädchen und ein Plot, der nicht nur dumm rumblödelt, sondern seine jungen Darsteller und ihre Geschichte ernst nimmt.
Beides wird überzeugend eingeflochten. Nicht nur, weil endlich auch einmal wieder alle Nachwuchs-Darsteller schauspielerisch überzeugen können, sondern weil Ahner sein Drehbuch mit so ziemlich allem angereichert hat, was unsere Moderne ausmacht, und mit dem Jugendliche nicht nur konfrontiert, sondern nicht anders als Erwachsene konsequent überfordert werden: der Doppelbödigkeit des Kapitalismus und den Versuchungen und Chancen digitalen Lebens.
Die Pfefferkörner erzählt nämlich nicht nur eine an den Nestlé-Konzern angelehnte dystopisch angehauchte Geschichte eines Konzerns, der im Notfall auch bereit ist, über Kinderleichen zu gehen, um sich Wasserrechte zu sichern und Produkte zu lancieren, die irrwitzigste Profite versprechen, sondern stellt fast utopisch das Potenzial der heutigen Jugend dagegen, sich über die fast schon »natürliche«, spielerische Begabung, mit moderner Technik umgehen zu können, diese Dystopie auch bekämpfen zu können.
Das dabei Mädchen und Jungen gleichermaßen eingebunden sind, das der angedeutete soziale Graben zwischen reich und arm ein wenig zu schnell überwunden, Außenseiter etwas zu hastig integriert werden, klingt vielleicht ein wenig naiv und an der Realität vorbeigeschrieben, doch sollte man nicht die Macht des Narrativs unterschätzen.
Denn auch Enid Blytons Bücher, ihre Vertonungen und Verfilmungen haben genauso wie Magda Trotts Pucki-Bücher die herrschende Moral nicht nur für junge Generationen überhaupt kompatibel gemacht, sondern sie auf äußerst subtile Weise auch zu reproduzieren geholfen. Und an der herrschenden Moral mitschreiben zu können, sie zu torpedieren und auch verändern zu können, ist vielleicht das größte Chance des Kinder- und Jugendfilms. Die Pfefferkörner ergreifen sie.