GB/USA 2022 · 143 min. · FSK: ab 12 Regie: David Yates Drehbuch: J.K. Rowling, Steve Kloves Kamera: George Richmond Darsteller: Eddie Redmayne, Jude Law, Katherine Waterston, Ezra Miller, Mads Mikkelsen u.a. |
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Der bessere Böse: Mads Mikkelsen als Gellert Grindelwald | ||
(Foto: Warner Bros.) |
Nachdem sich die ersten beiden Teile des Harry-Potter-Prequel-Franchises um die ethnologischen Besonderheiten der Zauberei-Innungen in den USA, England und Frankreich und die ja auch im später angesiedelten Harry Potter-Universum omnipräsente Dichotomie zwischen Gut und Böse kümmerten, werden im dritten Teil, Dumbledores Geheimnisse, zwar etliche Handlungsfäden aus den ersten Teilen fortgeführt, aber dennoch ist vieles anders.
Denn es sind etliche Jahre vergangen und wir befinden uns nun in den frühen 1930er Jahren und damit auch im No-Majs-Universum (No-Magic) der Muggels kurz vor der berühmt berüchtigten Zäsur, in der in Deutschland das Böse das Gute ablösen wird. Spiegelbildlich findet diese Zeitenwende auch in der magischen Welt statt, was nicht weiter verwundern dürfte, ist die Grenze zwischen den beiden Welten ja schon immer eine äußerst semipermeable Grenze gewesen. Wobei sich der erste Teil durch eine Neuschreibung auszeichnete, nach der zumindest in der amerikanischen Innung die Durchlässigkeit mit allen Mitteln bekämpft werden sollte, Kontakte zwischen No-Majs und magischen Menschen überhaupt nicht erwünscht waren.
Dieses rassistische Paradigma wird nun wiederaufgenommen und vom bösen Antagonisten der ersten beiden Teile, Gellert Grindelwald, im Rahmen anstehender Wahlen in der Zauberwelt, die den künftigen Herrscher aller nationaler Zauberei-Innungen bestimmen soll, instrumentalisiert und verstärkt. Wegen eines bis heute andauernden Rosenkriegs zwischen Amber Heard und Johnny Depp, in dem sich beide Seiten Gewalttätigkeit des Partners vorwerfen, ist Depp von seiner Rolle als Grindelwald entbunden und von Mads Mikkelsen ersetzt worden. Das tut der an sich ja durchaus ambivalent angelegten Rolle ausgesprochen gut, denn hat Depp der Rolle eher einen wahnsinnigen Akzent verliehen, interpretiert Mikkelsen Grindelwald und dessen Hinwendung zum Bösen und zynisch-populistischen Herrschaftsanspruch komplexer und realpolitischer, zeigt Momente von Melancholie und gerade im Bezug zu seiner früheren Liebesbeziehung zu Albus Dumbledore (Jude Law) eine faszinierende schauspielerische Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz nicht nur gegenüber zu Dumbledore, sondern seinem gesamten Projekt der totalitären Machtaneignung.
Dem wird zwar mit dem aus allen Harry-Potter und Tierwesen-Teilen bekannten Dauer-Schema der »guten Gruppenbildung«, des »gemeinsam sind wir stark« entgegengewirkt, aber es gibt auch hier ein paar Besonderheiten, die Spaß machen. Sei es die überraschend weitergeschriebene Liebesgeschichte zwischen Queenie Goldstein (Alison Sudol) und Jacob Kowalski (Dan Fogler), die sich dieses Mal in einem Umfeld, in dem die Zauberwelt auf den Spuren der Rassengesetze des Dritten Reichs wandelt, durchsetzen muss.
Überhaupt überzeugt das hier groß in Szene gesetzte Berlin der 1930er Jahre, in dem nicht nur die Wahlen stattfinden werden, die Adolf Hitler gewinnen wird, sondern auch der Wahlkampf zwischen den Hauptkandidaten der Zauberwelt tobt. Das mag ein wenig stereotyp klingen, aber endlich einmal wieder Nazi-Unterstützer wie Oliver Masuccis Charakter des Anton Vogel mit deutschem Akzent Englisch reden zu hören, macht genauso Spass, wie den groß in Szene gesetzten Transformationsmomenten zwischen beiden Welten zuzusehen, vielleicht am beeindruckendsten in der großen Kampfszene zwischen Credence (Ezra Miller) und Dumbledore, in der nicht nur einstürzende Häuser und ein ständiges Wechselspiel zwischen realer Welt und Zauberwelt in die Choreografie mit eingebettet werden, sondern auch die biblische Geschichte vom verlorenen Sohne eine neue Facette erhält.
Aber mehr noch wird gerade in diesem politischen Teil und dem Ringen um Wahrheit im Wahlkampf und darum, wessen Worten man Glauben schenken sollte, deutlich, dass der von Harry Potter-Stammregisseur David Yates souverän inszenierte Film nicht nur historisch gesehen werden kann, sondern die Zauberwelt nicht anders als unsere von sozialen Medien und digitalen »Zaubereien« geprägte Gegenwart genauso schwierig zu dechiffrieren ist, die Zauberwelt also im Grunde nichts anderes als unser gegenwärtiges Ringen mit Populismus und manipulierten Fakten darstellt.
Doch das allein macht Phantastische Tierwesen – Dumbledores Geheimnisse noch nicht so sehenswert. Es ist vielmehr die Lösung, die hier angedeutet und in einem großen Finale in fernöstlichen Hochgebirgen auch durchexerziert wird, die unter Yates' Regie und mit dem klugen Drehbuch von Harry Potter-Autorin Joanne K. Rowling und Harry Potter Drehbuch-Urgestein (aber auch Fabulous Baker Boys-Autor) Steve Kloves einen überdurchschnittlichen Film ermöglicht. Denn die Lösung basiert nicht nur im einfach-trotzigen Romcom (Liebes-)-Widerstand gegen jegliche Rassengesetze, sondern vielmehr auf einem Gefühl jenseits des menschlichen Spektrums, dem tierischen Instinkt, der allein noch zu erkennen fähig ist, was Gut und was Böse ist.
Das ist so romantisch wie schön, ist aber im Kern eine düstere Kapitulation vor dem menschlichen »Ur-Dilemma«, den verinnerlichten Naturgewalten von Eros und Thanatos, Lebenstrieb und Todestrieb, die Sigmund Freud so ernüchternd wie klar in seiner Abhandlung Jenseits des Lustprinzips 1920 formuliert hatte und die ja auch ein Kind der Zeit sind, in der Dumbledores Geheimnisse gelüftet werden.