Deutschland 2017 · 96 min. · FSK: ab 12 Regie: Susanne Bohlmann Drehbuch: Susanne Bohlmann Kamera: Lars Filthaut Schnitt: Martin Kayser-Landwehr, Anna Baranowski, Susanne Bohlmann |
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Lass den Elefanten in dir raus! |
Der Lehrer bellt: »Your brain is a piece of shit!« Bei ihm heißt es, Hirn ausschalten – und rein in die Hingabe. Es ist die Hingabe an das eigene tiefste Sein und an diesen Meister, der seine Eingebungen seinen Worten zufolge direkt von Gott erhält. Das Ergebnis: Erfolgsgierige Schauspielschüler, die sich wimmernd und schreiend auf dem Boden wälzen und sich die Kleider vom Leib reißend wilde Luftsprünge vollführen, um nur ja nicht von »Bernie« ausgesiebt zu werden. Willkommen in der Bernhard-Hiller-Masterclass!
Die deutsche Regisseurin Susanne Bohlmann ist die erste, die das wilde und oftmals groteske, erschütternd-ekstatische Treiben in Bernhard Hillers Schauspielerworkshops in filmischer Form festhalten durfte. Dabei wurde der zunächst seltsam anmutende Titel Pink Elephants nicht von ungefähr gewählt. Denn dem von seinen Anhängern liebevoll Bernie genannten Coach geht es genau darum, solch ein freudestrahlender positiver pinker Elefant zu werden – und kein miesepetriger grauer oder gar schwarzer Rüsselträger zu bleiben. Deshalb macht er seinen Schülern gleich zum Kursauftakt klar, dass er jeden rausschmeißen wird, der eine negative Haltung an den Tag legt – oder der gar ihn zu kritisieren wagt. Selbstverständlich bekommen solche Verlierer auch nicht ihr Geld zurück.
Susanne Bohlmann stellt in ihrem Film einige aus Deutschland, Frankreich und England stammende Teilnehmer an einem von Bernies Workshops vor. Der findet in diesem Fall in London statt, dauert gerade einmal drei Tage und verlangt von seinen Teilnehmern trotzdem absolut alles an emotionalen Kräften ab. Für viele sind diese Workshops jedoch nicht nur das bestmögliche Schauspieltraining und für manche sogar quasi religiöse Erweckungserlebnisse. Einige Anhänger sprechen Bernies Methode eine das gesamte Leben revolutionierende Wirkung zu – und pilgern von einem Workshop zum nächsten.
Diese Workshops folgen einer bis ins letzte Detail durchgeplanten Choreografie, die alle, die bis zum Schluss durchhalten, in ein Wechselbad der Gefühle taucht, in dem mal vor tiefster Trauer und schwärzester Verzweiflung und dann wieder vor unendlicher Erleichterung und tiefster Beglückung in Strömen die Tränen fließen. Die Kamera fängt das Geschehen – zwischen Farbe und Schwarzweiß wechselnd – mal in der nüchternen Totalen, mal in hochemotionalen Nahaufnahmen ein. Hierbei haben insbesondere die Close-ups von ineinander verkeilten, mit sich und dem Gegenüber bis in die letzte Faser ihres Seins ringenden Körpern eine emotionale Wucht, die in manchen Momenten an Martin Scorseses Boxerdrama Wie ein wilder Stier (1980) gemahnt.
Im Verlauf von Pink Elephants durchleben nicht nur die Workshopteilnehmer, sondern auch die Filmzuschauer immer neue Höhen und Tiefen. Anfangs beeindruckt, wie sehr Hiller – ganz im Geiste von Lee Strasbergs Method-Acting-Methode – seine Schüler beim Gedenken an ihren eigenen tiefsten persönlichen Schmerz im Leben vollkommen aus sich herausgehen lässt. Doch gleich darauf erweckt Hiller aufgrund seines knallharten autoritären Auftretens und seiner an Gehirnwäsche grenzenden manipulativen Methoden tiefste Abscheu. Daneben zeigt sich Bernie immer wieder als ein charismatischer Typ, dem man tatsächlich abnimmt, dass er es als seine persönliche Mission betrachtet, möglichst vielen Menschen zu ihrem tiefsten Glück zu verhelfen. Diese extreme Ambivalenz macht die spezielle Faszination von Bernie und von Pink Elephants aus.
Dabei überlässt es Susanne Bohlmann dem Urteil des Betrachters, in welche Richtung das Pendel seiner Ansicht nach letztendlich ausschlägt. Doch unabhängig davon, ob man Bernhard Hiller am Ende als einen gewissenlos mit Menschen spielenden Manipulator oder als einen modernen Messias und großen Menschenfreund betrachtet, wird vermutlich vielen europäischen Zuschauern das sehr amerikanische Erfolgskonzept des gebürtigen Argentiniers sauer aufstoßen. Ganz selbstverständlich setzt er maximalen Erfolg im Leben damit gleich, in Hollywood groß herauszukommen. Und die einzig wichtige Voraussetzung dafür ist Hiller zufolge der unbedingte Wille, absolut alles für dieses Ziel zu geben.
An seinen eigenen Maßstäben gemessen erscheint Hiller selbst als Schauspieler nur mäßig erfolgreich gewesen zu sein. Zwar trat er in bekannten Broadway-Stücken wie »West Side Story« auf. Doch in Hollywood beschränken sich Bernies wichtigste Referenzen auf Dinge, wie einer Nebenrolle in dem drögen TV-Film »Meyer-Lansky – Amerikanisches Roulette« (1999). Aber wahrscheinlich ist das nur deshalb so, weil Hiller da bereits erkannt hatte, dass ihn Gott für noch größere Aufgaben auserwählt hat.