Planet der Affen: New Kingdom

Kingdom of the Planet of the Apes

USA 2024 · 148 min. · FSK: ab 12
Regie: Wes Ball
Drehbuch: , , ,
Kamera: Gyula Pados
Darsteller: Freya Allan, Owen Teague, Dichen Lachman, Kevin Durand, William H. Macy u.a.
Filmszene »Planet der Affen: New Kingdom«
Viel Holz, wenig Feuer...
(Foto: Disney)

Im Schatten des Messias

Im vierten Teil des Reboot-Franchises wird ein Affe zu Jesus und die Menschheit wieder zu Sprechenden, dennoch bleibt Wes Balls Fortschreibung des Dystopieklassikers eine blasse Angelegenheit

Jane: »Jane.«
Tarzan: »Jane.«
Jane: »And you? You?«
Tarzan: »Tarzan! Tarzan!«
Jane: »Tarzan.«
Tarzan: »Jane. Tarzan. Jane. Tarzan.«

– Sprach­kurs in Tarzan, der Affen­mensch (1932)

Die Stärke an Fran­chises jeder Art ist, dass sie über die Jahre, die sie ihr Stamm­per­sonal und die Kern­ge­schichte immer wieder repro­du­zieren, tages­ak­tu­elle Politik mit einfließen lassen und damit zu einem spie­le­ri­schen Seis­mo­gra­phen unserer Gegenwart werden. Das Planet-der-Affen-Franchise ist eines der längsten Fran­chises der Film­ge­schichte und damit ein ganz beson­deres Instru­men­ta­rium, um den Wandel unserer Zeit besser verstehen zu können. Das auf Pierre Boulles 1963 erschie­nenen Roman »La Planète des Singes« aufset­zende Franchise ist seit dem ersten Planet der Affen-Film aus dem Jahr 1968 (mit Charlton Heston in der Haupt­rolle) zu fast so etwas wie einer »Kino­the­ra­pie­couch« unserer kranken, west­li­chen Gesell­schaft geworden. Denn abhängig von den jewei­ligen »Hot Spots« hat es das Franchise immer wieder verstanden, sich zu wandeln, mal auf Rassismus, Kalten Krieg, Ökologie, Tier­rechte oder Genetik zu fokus­sieren und durchaus kritisch an der bestehenden Moral zu rütteln.

Inzwi­schen sind wir – dem Lauf der Zeit ange­messen – bei dem zehnten Film ange­kommen, doch muss die Zeit­rech­nung hier ein wenig diffe­ren­zierter ange­schaut werden, denn Planet der Affen: New Kingdom ist der vierte Teil des Reboots der früheren Filme, dessen letzter Teil Planet der Affen: Survival bereits 2017 in den Kinos lief und nicht nur wegen Andy Serkis und Woody Harrelson viel­leicht der beste Film des Fran­chises ist. Vor allem die mora­li­schen Fragen waren so aufregend wie das eisige Szenario: Auf der einen Seite der Mensch, der sich zunehmend korrum­piert und selbst kanni­ba­li­siert, auf der anderen Seite das Tier, das darum ringt, der bessere Mensch zu sein. Am Ende sehen wir den sprach­losen Menschen, der erst durch seine Sprach­lo­sig­keit wieder zu sich selbst findet und damit auch erst wieder zu einem Zusam­men­leben mit anderen Spezies fähig zu sein scheint. Damit endet dieser Teil.

Im vierten Teil des Reboot-Fran­chises, das erstmals nicht von Matt Reeves geschrieben und in Szene gesetzt wurde, sondern von Wes Ball, der die letzten drei Maze-Runner-Filme insze­niert hat, ist von der Hoffnung nicht mehr viel übrig, denn die 300 Jahre, die seit dem letzten Teil vergangen sind, haben aus der einstigen, alle Lager verei­nenden Licht­ge­stalt der Affenwelt, aus Cesar, eine gespal­tene Welt werden lassen. Aus Cesar ist ein ferner Messias geworden, an dem sich die nach­fol­genden Gene­ra­tionen von Affen abar­beiten, so wie einst die sich spal­tenden Frak­tionen nach dem Tod Christi. Der biblische Kontext wird noch einmal mehr durch den Namen des neuen positiven Affen-Helden verstärkt, Noah (Owen Teague), der wie Noah in der Bibel aufbre­chen muss, um seine Ethnie zu sammeln und zu retten.

Natürlich ist das nicht einfach, kommen neben den mili­tanten Gefolgs­leuten des »Buches Cesar« auch recht spät die Menschen mit ins Spiel und der weise Orang-Utan Raka (Peter Macon), eine Art Wieder­gänger von Star Wars Yoda , der viel­leicht am stärksten andeutet, dass das Franchise inzwi­schen in den Händen von Disney ist. Wie immer verhan­delt das Franchise tages­po­li­ti­sche Gescheh­nisse, werden neben der christ­li­chen Exegese wie schon in den letzten Teilen unsere gefähr­dete Demo­kratie gespie­gelt und Menschen, denen trotz wieder­ge­fun­dener Sprache die Worte fehlen, um sich verbal aus ihrer sozialen Blase zu eman­zi­pieren. Es ist vielmehr so, dass die Sprache die gleichen Fallen stellt, wie hunderte Jahre zuvor und nicht anders als bei der Ethnie der herr­schenden Affen, Sprache fast so etwas wie die Erbsünde darstellt. Und natürlich stellt sich auch hier so wie bei den Diskus­sionen unserer Gegenwart um das was künst­liche Intel­li­genz sein wird, auch hier die Frage, ob so wie die zukünf­tige KI auch Affen nicht die besseren Menschen sein könnten, so wie das bereits in Planet der Affen: Revo­lu­tion ange­deutet worden ist. Oder ob nicht vielmehr durch die mensch­liche Sprache und mensch­li­ches Denken die immer gleiche mensch­liche Misere nur ein weiteres Mal repro­du­ziert wird.

Dieser zutiefst pessi­mis­ti­sche Gedanke wird am Ende noch einmal verstärkt, erst über die Bilder­bücher mit Zooszenen und Affen hinter Gittern aus alten Menschen­zeiten, die scho­ckie­rende Affen durch­blät­tern und dann einen Blick ins Weltall, aus zwei Perspek­tiven. Ein Blick, der nicht nur ein vager Brücken­schlag zum ersten Planet der Affen-Filme ist, in dem ja explizit nicht die Erde der Ort der Handlung ist, sondern auch ein Brücken­schlag zu den ganz frühen mensch­li­chen Gedanken der ewigen Wieder­kehr, etwa Heraklit: »Und es ist immer ein und dasselbe, was in uns wohnt: Lebendes und Totes und Waches und Schla­fendes und Junges und Altes. Denn dieses ist umschla­gend jenes und jenes zurück und umschla­gend dieses.«

Das alles ist im Grunde ein schönes Ideen-Angebot, doch mangelt es diesem vierten Teil des Reboots an über­zeu­genden Charak­teren und Dialogen, um diese anre­genden Gedanken dann auch über­zeu­gend zum Flirren zu bringen. Cesar ist nur mehr ein Schatten aus alten Zeiten und sein Stell­ver­treter nicht mehr als ein Stell­ver­treter. Und auch die Stell­ver­tre­terin der Spezies Mensch, die junge Nova oder Mae (Freya Allan), die wohl als Referenz an den ersten Film des Fran­chises stehen soll, aber viel mehr einer Wieder­gän­gerin Maureen O’Sullivans in Tarzan, der Affen­mensch (1932) ähnelt, und ihr Charisma aus der Netflix-Serie The Witcher trotz dieses ja an sich wunder­baren Bezugs nicht einmal in Ansätzen ausspielen kann.

Und dann fehlen dem vierten Teil die poeti­schen, die über­ra­schenden Momente, mit denen Matt Reeves allein schon durch seine musi­ka­li­schen Einlagen (The Band, Jimi Hendrix) das Franchise in neue Dimen­sionen geführt hat. Somit bleibt eine solide Dystopie-Variante, die wie immer, wenn es um versun­kene mensch­liche Artefakte geht, nett anzusehen ist, aber trotz guter Ideen leider kaum berührt. Doch wie bei jedem Franchise gilt auch hier, dass die Hoffnung auf bessere Zeiten und einen besseren Film nicht sterben muss. Fort­set­zung folgt.