Ponyo – Das große Abenteuer am Meer

Gake no ue no Ponyo

Japan 2008 · 101 min. · FSK: ab 6
Regie: Hayao Miyazaki
Drehbuch:
Musik: Joe Hisaishi
Kamera: Atsushi Okui
Faszinierender Animations-Kosmos

Kinder an die Macht?

Körper-Muta­tionen, mani­pu­la­tive Eingriff in die Natur, zwei getrennte Welten, die sich nicht verstehen können, und doch mitein­ander auskommen müssen – es ist wieder einmal alles drin im neuen Film von Hayao Miyazaki: Ponyo – Das grosse Abenteuer am Meer. Dabei ist dies vor allem ein hoch­poe­ti­sches Märchen in wunder­baren Bildern, das natürlich an Andersens Geschichte von der »kleinen Meer­jung­frau« erinnert. Wie bei der Heldin Ponyo bleibt bei Miyazaki nichts, wie es war. Aber so wie es ist, ist es großartig.

Miyazaki ist der unbe­strit­tene Meister der Anime genannten japa­ni­schen Zeichen­trick­filme: In Japan feiert man ihn als den »Einstein des Anime«, inter­na­tional gilt er als Nach­folger Disneys, und sowieso als wich­tigster und popu­lärster Filme­ma­cher Japans, bekannter sogar als Takeshi Kitano und so geachtet wie Akira Kurosawa. Seine ungemein detail­rei­chen, extrem fanta­sie­vollen Filme sind der ulti­ma­tive Gegen­ent­wurf zu asep­ti­scher US-Indus­trie­ware wie Mada­gascar, und selbst ein Werk wie Shrek, bei dem sogar manche Möch­te­gern­in­tel­lek­tu­ellen ins Jauchzen kommen, verblasst ange­sichts der Kraft von Miyazakes Kino­träumen. Allmäh­lich wird er auch im Westen entdeckt: Chihiros Reise ins Zauber­land gewann 2002 in Berlin den Goldenen Bären. In seiner japa­ni­schen Heimat sorgt Miyazaki regel­mäßig für Kassen­re­korde, schlägt sogar Filme wie E.T. oder Titanic.

So war es auch mit seinem neuen Film, Ponyo – Das grosse Abenteuer am Meer, das nun in die deutschen Kinos kommt – und wer weiß: Viel­leicht trällern bald auch die deutschen Kinder den Ohrwurm: »Ponyo Ponyo, sakana-no-ko«, »Ponyo, Ponyo, Fischkind«. Den dieser Zeichen­trick­film ist zual­ler­erst einmal die Rückkehr Miyazakis zu seinen Ursprüngen im Kinder­film: Ein Werk, das so bezau­bernd und poetisch ist, so ganz und gar auf die Wahr­neh­mungs­weisen von Kindern abge­stimmt, dass die Erwach­senen gut beraten sind, sich den Film danach von ihren Kindern erklären zu lassen – erst dann werden sie ihn ganz verstehen.

Dabei ist Ponyo... selten kindisch: Der Film hat, wie alle guten Märchen, auch ernste Seiten. Im Zentrum steht ein Gold­fischmäd­chen, Brunhilde (!!!). Es sieht immer durch das Wasser auf das Leben an Land, und träumt klamm­heim­lich immer davon, ein Mensch zu werden – so wie manche Kinder gern bei den Tieren leben möchten. Allein schon wie virtuos und mit welcher Detail­freude Miyazaki diesen Unter­was­ser­kosmos erzählt, ist wunderbar: In milden Farben begegnet man sonder­baren Wasser­schlangen und Kraken, bunten Korallen, gutge­launten Krebsen und einem Qual­len­bal­lett und dem Gold­fisch­könig, Brun­hildes Vater, einem Unter­was­ser­zau­berer. Die Tochter hat sich ein paar Tricks abge­schaut, daher gelingt ihr die Meta­mor­phose ans Land, wo sie den Fischer­jungen Sosuke trifft, von ihm gerettet wird. Und vor allem anver­wan­delt: Nun heißt Brunhilde Ponyo, und weil es an Land Schinken gibt, den Fische ja nicht essen, der ihr aber über alle Maßen gut schmeckt, will Ponyo nicht mehr zurück. Aber ihr Vater setzt Himmel und Erde, vor allem aber die See in Bewegung, um sie zurück­zu­holen: Sogar ein Tsunami wird entfes­selt, und Ponyo, die inzwi­schen ein bisschen wie ein Mensch aussieht, wird für die Menschen gefähr­lich...

Ponyo ist das Binde­glied zwischen Mensch und Natur, ein Mädchen, und damit eine echte Miyazaki-Gestalt, wie Chihiro, wie Mononoke, wie Nausikaä. Der Film ist durchaus ein Vergnügen, aber manchmal auch enttäu­schend: Ponyo ist eben eine Fünf­jäh­rige, und welchen Erwach­senen nerven die nicht auf Dauer? Auch der Harmo­nie­kitsch und die Naivität Miyazakis, wirkt hier eher retar­diert, im Vergleich zu manch anderen Miyazaki-Filmen. Kinder an die Macht? Das dürfte in der Wirk­lich­keit nicht ausrei­chen, um die Beziehung von Mensch und Natur zu regeln. Also wird alles weiter­gehen wie bisher und werden die Miyazakis dieser Welt der Indus­trie­ge­sell­schaft solche kompen­sa­to­ri­schen Filme zur Seite stellen.