USA 2018 · 86 min. · FSK: ab 16 Regie: Diederik van Rooijen Drehbuch: Brian Sieve Kamera: Lennert Hillege Darsteller: Shay Mitchell, Grey Damon, Kirby Johnson, Nick Thune, Louis Herthum u.a. |
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Ein echter Screamer! |
Der zukünftige Stellenwert des Kinos in der gegenwärtigen Blütezeit des Streamings ist schon lange umstritten. Besucherzahlen gehen deutlich zurück, zum erneuten Male deuten wilde Prognosen den Tod des Kinos an. Das Problem: Bequeme Couch-Serien mit Laufzeiten von je zehnstündigen Staffeln haben die Zuständigkeit für komplexe und ausgedehnte Dramaturgien längst übernommen. Die Leinwand ist auf der Suche nach einer neuen Identität. Doch bis dahin halten Blockbuster das Geschäft am Laufen. Wer im Jahr nur die durchschnittlichen ein bis zwei Kinotickets lösen möchte, erwartet immer auch ein besonderes Ereignis – einen Adrenalin-Bombast, der in die Stühle presst und die besonders großen Dimensionen auszunutzen weiß. Das Kino hat damit beinahe zu seinem Ursprung als Jahrmarktsattraktion zurück gefunden.
The Possession of Hannah Grace setzt alle Karten auf diese Hypothese. Und trotzdem klingt die Leitidee noch recht innovativ: Ein Possession -Film, welcher dort beginnt, wo er normalerweise enden müsste: beim Exorzismus. Zwei Priester versuchen dem jungen Mädchen Hannah Grace (Kirby Johnson) den Teufel auszutreiben. Als das Prozedere jedoch schief geht und einer der Beiden umkommt, beschließt Hannahs Vater (Louis Herthum) dem ein Ende zu setzen und sie kurzerhand zu ersticken. Ende gut, alles gut? Nicht so ganz. Denn die totgeglaubte Hannah beschließt nun eben ihr Unwesen im Leichenschauhaus zu treiben. Dort macht sie der frisch im Nachtdienst eingeteilten Ex-Polizistin Megan (Shay Mitchell) und deren Kollegen das Leben zur Hölle. Das Verzehren von Menschen scheint ihr zu alter Stärke zurück zu verhelfen.
Ein Leichenschauhaus als Arena des Grauens. So genial wie offensichtlich, dass es schmerzt. Aber groß um den heißen Brei herum geredet wird hier eben nicht. Die wenigen Figuren werden zackig eingeführt und gleich in der ersten Nacht geht der Spuk auch schon los. Zunächst überschlagen sich die Spannung ankurbelnden 'Jump-Scares' durch herumblödelnde Kollegen oder defekte Föhns. Doch dann folgt der echte Horror und Hannah fordert erste Opfer. Die Betreffenden machen es ihr aber auch nicht unbedingt schwer, verhalten sich, wie es sich eben für einen ordentlichen Horrorstreifen gehört: dumm wie Brot. Zeitweise scheint die Untote gar gelangweilt und zieht die immer gleichen Register wie das andauernde Öffnen ihrer Leichenschublade oder lässt diverse Lichter ausfallen. So viel Spaß ihr der Schabernack auch zu bereiten scheint, so unkreativ geht sie dabei vor. Und sie hat sich ohnehin mit der Falschen angelegt: Megan läuft selbst bewaffneten Einbrechern unerschrocken entgegen, um sich diesen mithilfe ihrer Karate-Fertigkeiten zu messen. Da ist das Wrestlen mit einem Zombie nur so etwas wie der nächste Level im Spiel des Lebens.
Auf den ersten Blick scheint die Protagonistin sich mit ihrem neuen Job allerdings ordentlich etwas vorgenommen zu haben, schließlich wurde ihr die tabellarische Hintergrundgeschichte eines gebrochenen Ex-Cops aufgedrückt: Durch einen Fehler ihrerseits ist ein damaliger Kollege im Einsatz getötet worden. Sie fühlt sich verantwortlich, zieht sich aus dem Beruf zurück und verfällt der Tablettensucht. Da scheint ein Leichenschauhaus natürlich die beste Möglichkeit zur
Trauma-Verarbeitung zu sein – nicht.
Den Verantwortlichen sei’s verzieh'n – das Tempo ist ohnehin zu schnell, um über derartige Nichtigkeiten nachdenken zu können. So schnell tatsächlich, dass selbst Megan im ganzen Stress andauernd vergisst, über den Tod von ihr nahestehenden Menschen zu trauern. Im Gegensatz zu den kindischen Nachtwächtern, einer engstirnigen Freundin oder dem misstrauischen Exfreund bekämpft sie das Böse sogar recht effektiv und
überwindet damit ihr Trauma: »Nothing can stop me now«, philosophiert sie noch, bevor der Abspann den Zuschauer vom Grauen auf verschiedenen Ebenen erlöst.
The Possession of Hannah Grace ist ein stark kontextabhängiges Werk und kompromisslos auf ein explizites Zielpublikum zugeschnitten. Während die inhaltliche Auseinandersetzung nämlich nicht gerade ein Bestreben nach künstlerisch ausgeklügelter Finesse erkennen lässt, wird der Film dafür zum effektiven Vehikel für Emotionen per Knopfdruck. Regisseur Diederik Van Rooljen möchte mit dem zigsten Exorzismus-Film also vor allem eines: Kurzen und schmerzlosen Horror mit all seinen Klischees. Für 1,5 Stunden wird sich gegruselt und anschließend alles wieder vergessen, um problemlos in den Alltag zurückzukehren – beinahe das Äquivalent zum Trashfilm der Action-Rubrik.
Die Ironie bei der Sache: Während der Film zielsicher zu schocken weiß, wiegt er den Zuschauer gleichzeitig in allzu geordneter Sicherheit. Man bekommt, was man erwartet. Das perfekte Wechselbad der Gefühle für Soft-Adrenalin-Junkies eben und der Spaßfaktor einer Achterbahnfahrt. Nicht mehr und nicht weniger. Aber wer will schon den Verlust der Kunst im Austausch für einen falschen Herzinfarkt verantworten?