Deutschland 2006 · 83 min. · FSK: ab 16 Regie: Birgit Grosskopf Drehbuch: Birgit Grosskopf, Daniela Hilchenbach Kamera: Kolja Raschke Darsteller: Irina Potapenko, Henriette Müller, Desirée Jaeger, Amina Schichterich u.a. |
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Suche nach Identität |
In der S-Bahn beginnt der Film, auf öder, langer Zwischenstrecke, zwischen gesichtslosen Betonburgen: Plötzlich Bewegung, ein paar schnelle Schläge, Blut fließt, Lachen und abfällige Worte sind zu hören. Die Straßen sind böse und hart, die Herzen hinter der coolen Fassade um so weicher.
Prinzessin zeigt etwas, das man in unserem Kino lange nicht gesehen hat: Eine Mädchen-Gang. Und mit geradezu märchenhafter Sicherheit gelingt dem Film, dass man sofort auf ihrer Seite ist, mit ihnen fühlt, auch wenn sie Schlechtes tun. Eine Handvoll eng befreundeter Girls lebt in den trostlosen Trabantenstädten am Rande Berlins ohne viel Zukunft in den Tag hinein. Drogen werden konsumiert, Partys gefeiert, wer sie falsch anguckt, wird zusammengeschlagen – der Machismo ist nicht geringer als unter Jungs. Die harte körperliche und verbale Gewalt, die hier gang und gäbe ist, unterscheidet sich kaum von der im Kino schon vielfach gezeigten einer Jugendgang. Doch hinter der harten Fassade zeigen sich noch andere Seiten, ein etwas offenerer Umgang mit Gefühlen, und eine noch größere Verlorenheit – weil zum sozialen Outsidertum auch noch das Hin- und Hergerissensein zwischen Geschlechter-Rollenbildern hinzukommt. Besonders die Hauptfigur Katharina (Irina Potapenko) sucht ihre Identität zwischen der einst eingewanderten russlanddeutschen Familie und ihrer besten Freundin, mit der sie sich die Führungsposition in der Gang teilt. »Eine Liebesgeschichte ohne Sex« sei das, hat die Regisseurin Birgit Grosskopf, einer Absolventin der Berliner dffb, treffend formuliert. Denn auch in diesem Verhältnis steht der Zusammenhalt jenseits aller Krisen im Zentrum, und die gegenseitige Selbstaufgabe füreinander. Irgendwann knallen Partyböller, ihr Echo hallt zwischen den Hochhäusern hin und her.
Noch mehr, als die starke Geschichte und ihre Darsteller beeindruckt der Stil von Prinzessin. In seinem Zusammenspiel von Realismus und Poesie erinnert er von fern an Werke Michael Kliers: Nüchtern und intensiv zugleich blickt der Film nie weg; doch ohne in Verismus abzugleiten, fängt er stattdessen den Zauber seiner Figuren ein, und hält bis zum Schluss seine Spannung: Nie kann man sicher sein, was als nächstes passiert.
Diszipliniert und ökonomisch lebt Prinzessin vom Sinn für feine Unterschiede und genauer Beobachtung – großes Kino, das spannend ist und Spaß macht, und 2006 in Saarbrücken den Max-Ophüls-Regiepreis gewann, später noch den deutschen Nachwuchsfilmpreis First Steps-Award. Eines der besten deutschen Debüts der letzten Jahre!