Italien 2004 · 90 min. · FSK: ab 12 Regie: Saverio Costanzo Drehbuch: Camilla Costanzo, Saverio Costanzo Kamera: Luigi Martinucci Darsteller: Mohammad Bakri, Lior Miller, Tomer Russo, Hend Ayoub u.a. |
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Schikanöse Regeln |
Private ist ein kleiner, schmutziger, aggressiver Film. Klein und schmutzig vor allem aufgrund seiner Machart: Mit körnigen Videobildern, schlechtem Licht und einer programmatisch verwackelten Kamera bietet diese Independentproduktion alles, was seit der Dogma-Bewegung dankenswerterweise im Kino geduldet wird, sofern der Inhalt des Filmes die Form vergessen lässt. Auch etwas schmutzig, aber vor allem aggressiv ist der Film in seiner Botschaft: In entschiedener Härte, nahe am Fundamentalismus und deutlich jenseits der Grenze des Antizionismus wird hier Stellung zum Nahostkonflikt bezogen, die israelische Besatzungspolitik kritisiert und der Widerstand gegen Israel als Recht, wenn nicht als Pflicht der Palästinenser dargestellt.
Der Film erzählt die Geschichte eines Hauses und einer arabischen Familie innerhalb der von Israel besetzten Gebiete. Eines Nachts dringt eine Abteilung Soldaten in ihr Heim und requiriert es. Sie wollen die Familie veranlassen zu gehen, und als der Vater sich weigert werden er und seine fünfköpfige Familie in ein einziges Zimmer quartiert. Die Soldaten besetzen das obere Stockwerk des Hauses und stellen schikanöse Regeln auf, die die Benutzung von Küche und Bad einschränken. Was sie wollen ist klar: Den Willen der Familie brechen und sie vertreiben, um das Haus für sich zu haben.
Die Familienmitglieder reagieren unterschiedlich auf die Situation. Der zentrale Konflikt besteht zwischen Vater und Mutter, denn sie will das Haus zurücklassen und fortgehen, kann sich aber gegen ihren Mann nicht durchsetzen. Auch die anderen Familienmitglieder beziehen nach und nach Position, so etwa die strenggläubige, älteste Tochter mit ihrem ideologisch fundierten Hass auf die Besatzer, der pubertierende Sohn, der im Garten mit einer Handgranate eine Sprengfalle für die Soldaten baut, und der kleinste Sohn, der bei einem nächtlichen Feuergefecht im Umkreis des Hauses verloren geht, wieder gefunden wird und fortan, als Folge des traumatischen Erlebnisses, schweigt.
Die Darstellung der verschiedenen Reaktionen innerhalb der Familie soll das Bild einer facettenreichen palästinensischen Gesellschaft zu vermitteln, die nach einem angemessenen Umgang mit dem Unrecht sucht, das man ihr antut.
In dieser Perspektive ist der Film erzählt, und darin begründet sich seine dogmatische Grundhaltung: Gewaltloser Widerstand ist das Mindeste, bewaffneter Widerstand wird keineswegs verurteilt. Zweifel und Schwäche sind erlaubt, solange man ihnen nicht nachgibt (und sie hauptsächlich bei Frauen auftreten). Die Soldaten als Menschen zu betrachten, Gewalt und Krieg zu verabscheuen und von Versöhnung zu träumen ist ehrenwert, macht vielleicht kurzfristig Hoffnung, doch am Ende gewinnt man nichts dadurch.
Das ist die Botschaft des Filmes, die sich zwar hinter psychologischen Differenziertheiten verbirgt, letztlich aber von eindeutig politischem Sendungseifer geprägt ist.
Da wundert es wenig, wo diese italienisch-palästinensische Koproduktion bisher ihr internationales Publikum gefunden hat: Der Film wurde auf mehreren europäischen Festivals (unter anderem in Locarno) ausgezeichnet und lief in mehreren Ländern Europas im Kinos, wobei der erste Starttermin in der Schweiz bereits zwei Jahre zurückliegt. Offensichtlich findet der provokante Umgang mit dem Thema in Europa Anklang, aber erst jetzt hat sich ein Verleiher gefunden, der diesen für
die deutschen Verhältnisse problematischen Film hier in die Kinos bringt.
Man muss hinzufügen, dass das Debüt des italienischen Regisseurs Saverio Costanzo filmisch durchaus überzeugt. Er macht sich die Vorteile der gewählten Videoästhetik gekonnt zunutze, sodass der Film trotz offensichtlicher technischer Mängel überzeugt. Auch Charaktere und Handlungsführung sind stimmig und wirken nur selten aufgesetzt. Natürlich opfert der Film die natürliche Entwicklung der
Handlung gelegentlich seinem dogmatischen Ansatz und der umfassenden Allegorie, in die sich jede Szene fügen muss. Doch das sollte man einem politisch ambitionierten Film an sich zugestehen.
Bleibt die Frage, wie die antizionistischen, gegen das Existenzrecht des Staates Israel gerichteten Tendenzen des Filmes zu werten sind. Der Film will zweifellos provozieren und es mag ihm gelingen, den einen oder anderen Zuschauer, der die allegorische Aussage zu Ende denkt, vor den Kopf zu stoßen.
Man sollte den Film als Polemik betrachten und damit als Diskussionsbeitrag, der notwendigerweise nur einer Partei gerecht werden kann. So gesehen handelt es sich um einen wahrhaftigen, aufwühlenden und zu ernster Diskussion anregenden Film.