USA 1997 · 109 min. · FSK: ab 12 Regie: Betty Thomas Drehbuch: Howard Stern, Len Blum, Michael Kalesniko Kamera: Walt Lloyd Darsteller: Howard Stern, Robin Quivers, Mary McCormack, Fred Norris u.a. |
»Morality« so Oscar Wilde, »is simply the attitude we adopt towards people whom we personally dislike«.
Viele mögen ihn nicht, diesen Howard Stern, enfant terrible der amerikanischen Radiolandschaft, ein agent provocateur wie es Harald Schmidt hierzulande gerne sein würde. Howard Stern Fans, so erfahren wir, lauschen den politischen Unkorrektheiten ihres Idols täglich gut 1,5 Stunden. Howard Stern Haßer bringen es gar auf 2,5. Eine Radioshow, die die Nation in Atem hält, zelebriert von einem Mann, dem der Vater einst ständig gepredigt hatte, den Mund zu halten. Heutzutage hat keiner höhere Einschaltquoten als Stern. Ein amerikanischer Traum.
Über die Leinwand werden wir nun Zeugen der Beichte des Mannes, der die amerikanische Öffentlichkeit via Ätherwellen darüber informiert, ob er in der Nacht zuvor Sex hatte oder nicht, wie die Fehlgeburt der Ehefrau verlaufen ist, oder daß er den Mörder John Lennons am liebsten auf dem elektrischen Stuhl sehen würde. Stern präsentiert sich wahlweise als erster schwuler Moderator des erzkonservativen Radiogiganten NBC oder übernimmt die Rolle seines angekündigten Talkgastes Ringo Star in Ermangelung eben diesen Gastes gleich selber. Keine sogenannte Minderheit bleibt verschont, jedes Fettnäpfchen wird zielsicher angesteuert. Am liebsten widmet sich der Meister dem Sex in allen möglichen und unmöglichen Spielarten: so dürfen wir miterleben, wenn Stern via Radio die »heißeste Nummer« seines Lebens schiebt, oder sich on air von einem barbusigen Nacktmodel eine Massage verabreichen läßt.
»We love to hate you« – so könnte die Losung lauten, mit der Amerika dem Phänomen Stern begegnet. Der aber will mehr und setzt zur Großoffensive an. Wer Howard Stern wirklich kennt, der muß ihn lieben, und zwar ohne wenn und aber. Um die potentiellen Fans, die Noch-Haßer, zu erreichen, hat Stern den Sprung auf die Kinoleinwand gewagt. Und das Unfaßbare geschieht: wir alle lieben ihn mehr und mehr je länger der Film andauert. Wir lieben ihn für die Triumphe die er feiert im Kampf gegen die Spießer und Konformisten. Wir lieben ihn für die Jeans und langen Haare in Chefetagen, wo Dreiteiler und Krawatten die Szene beherrschen. Wir lieben es, mitzuerleben, wie der Vorgesetzte, der Stern so recht das Leben schwer macht, schlußendlich als Supermarktmanager in Florida strandet, während unser Held in den Olymp des Radiohimmels aufsteigt. Wir lieben ihn, weil er uns für die Dauer von zwei Stunden erlaubt, die gleichen Triumphe zu feiern, weil er uns von Anfang an zu seinen Verbündeten macht. Als Sympathisanten des Rebellen können wir uns so auch selbst ein bißchen als Rebellen fühlen. Wir lieben ihn, weil Stern immer er selbst ist, auch auf der Leinwand, so wie es überhaupt eine Menge »Originale« in der Besetzungsliste gibt, eine Menge »Himself« und »Herself« im Abspann des Films.
Da scheint die Crux, mit der der Film zu kämpfen hat, kaum mehr ins Gewicht zu fallen: Private Parts erzählt vom Mythos der Provokation (da wird sogar der Vergleich zum Antichristen laut) und ist dabei ein gänzlich provokationsloser Film. Die Kalauer, die Unverschämtheiten, die Gags, die ursprünglich für Aufruhr sorgten, sind in der Nacherzählung, in der filmischen Rückblende entschärft, da bereits zum Klassiker geworden.
Aber: verärgern will Stern, der auch das Drehbuch selbst verfaßt hat, nach eigenem Bekunden ja auch niemanden, sondern eben nur mit den »Mißverständnissen« aufräumen, was ihm auf kurzweilige und höchst amüsante Weise gelingt.
Zudem bietet Private Parts eine Oskarverleihung der anderen Art, einen Super-8 Film der Marke Stern, der uns die Kreuzigung Jesu in ganz neuem Licht erscheinen läßt, sowie den Einsatz eines Preßlufthammergeräusches zu Zensurzwecken. Allein diese Einfälle lassen die Schöhnheitsfehlerchen zur Nebensächlichkeit schrumpfen.
Everybody loves you now, Howard. Man darf gespannt sein, welche Festung dem Meister in Zukunft noch zu erobern bleibt. Stern for president? Warum nicht!