Deutschland 2017 · 91 min. · FSK: ab 6 Regie: Leander Haußmann Drehbuch: Leander Haußmann, Jan Weiler Kamera: Alexander Fischerkoesen Darsteller: Harriet Herbig-Matten, Jan Josef Liefers, Heike Makatsch, Detlev Buck, Justus von Dohnányi u.a. |
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Alles Quatsch mit Soße |
Eltern sind die peinlichsten Menschen des Universums. Das hat fast jeder so erlebt, als er in der Pubertät war. Wer Kinder hat, der erlebt es wieder, diesmal selbst als peinlichster Mensch des Universums.
»Das Pubertier«, die literarische Vorlage für den Film, war ein Bestseller von Jan Weiler. Der Regisseur, Leander Haußmann, hat schon mehrere Filmkomödien inszeniert. Zwei waren erfolgreich, Sonnenallee und Herr Lehmann.
Die »Zutaten« für Das Pubertier scheinen ausgesucht nach dem Motto: Was alles muss rein, damit der Film ein Erfolg wird? Das ist in Ordnung. Einen Film zu produzieren kostet Geld, das sollte eingespielt werden. Außerdem wollen alle Beteiligten etwas verdienen.
Bedauerlich ist: Das Drehbuch scheint auch nach dem Prinzip geschrieben worden sein: Was alles muss rein? Man nehme: Die erste Liebe und die erste Party. Die erste Liebesnacht aus der Sicht zweier »Pubertiere«, aus der Sicht der Eltern, usw. Für jedes Ereignis liefert der Film die typischen Szenen. Nur, die hat jeder schon mal gesehen. Warum wird aus der kurzweiligen Nummern-Revue keine Geschichte? An den Zutaten kann’s nicht liegen. Ein Film, der von der Pubertät handelt, zeigt nun mal die bekannten Konflikte. Es geht nicht darum, die Pubertät neu zu erfinden.
Ein Restaurantkritiker würde sagen, das Verhältnis der Zutaten und Gewürze ist aus dem Ruder gelaufen. Ein Bissen ist sehr fruchtig, der nächste zu pikant. Mal muss man kräftig kauen, mal ist alles weich, warm und süß wie ein gegrillter Marshmallow.
Zum Beispiel die Zeit bis zu Carlas (Harriet Herbig-Matten) 14. Geburtstag. Rückblenden zeigen diese als paradiesische Phase. Als sei die ganze Kindheit für Vater Hannes Wenger (Jan Josef Liefers) und Mutter Sara (Heike Makatsch) reines Zuckerschlecken gewesen.
Die Schönfärberei geht weiter. Nach ein paar Konflikten um Klamotten und Essen hängt Hannes seinen Job an den Nagel, um Carla über die Hürden der Pubertät zu helfen.
In der Realität bereitet es vielen Eltern Kopfzerbrechen, wie sie ihre Familie finanzieren sollen, so lange die Kinder wirklich noch behütet werden müssen. In Das Pubertier verdient Sara mal eben die nötige Kohle. Wenn Hannes neben Butterbrote belegen und Clara-hinterher-Schnüffeln Freizeit hat, tippt er an seinem ersten Roman.
Noch unglaubwürdiger wird diese luxuriöse Familiensituation, weil Sara als Mutter kaum in Erscheinung tritt. Es ist legitim, sich beim Erzählen auf bestimmte Aspekte zu konzentrieren. In diesem Fall auf das Verhältnis zwischen Vater und Tochter. Aber spielt die Mutter dann überhaupt keine Rolle mehr? Haben Mütter keine Konflikte mit pubertierenden Töchtern? Normalerweise schon. Trotzdem wird Sara in ihrer eigenen Familie zur Zuschauerin degradiert. Bei Klamauk und Slapstick darf sie ein bisschen mitalbern, das war’s. Ein ähnliches Schicksal ereilt Carlas jüngeren Bruder. Anfangs geht er ein paar Mal durchs Bild. Am Ende dient er als Schlusspointe, dann kommt auch er in die Pubertät.
Bei Familie Wenger sind die Eltern ganz furchtbar lieb. Bei Hannes' Freund Holger (Detlev Buck) und dessen Frau (Monika Gruber) dominieren Bitterstoffe und Schärfe. Man kapiert schnell, die beiden sind streitsüchtig, außerdem Alkoholiker. Doch nicht etwa, weil ihr Sohn in der Pubertät ist? Oder weil Holger als Reporter aus Kriegsgebieten berichtet? Nach dem ersten Eindruck dieses Zynikers fragt man sich hoffnungsvoll, welche Facetten hat so ein schwarzer Charakter noch zu bieten? Die enttäuschende Antwort: Da kommt nichts mehr.
Die überzeugendsten Momente sind die, in denen gar nicht erst versucht wird, irgendeine eine Realität abzubilden, sondern Gedanken oder Tagträume der Charaktere bebildert werden. Je absurder sie werden, desto besser.
Insgesamt erinnert der Film an einen Auflauf aus super sympathischen und super unsympathischen Charakteren. Sie führen lustige Dialoge oder verstricken sich bei Slapstick und Albernheiten.
Um beim Restaurant-Vergleich zu bleiben: Da wird über so ein Gericht eine kräftige Soße gegossen, die jede Geschmacksverirrung übertüncht.
Diesen Job erledigt bei Das Pubertier die Filmmusik bzw. Hits aus den Charts. Welche Geschmacksrichtungen hätte der Soundtrack, wenn er eine Soße wäre? Den Geschmack von Vollmilchschokolade, Zuckerwatte, Gummibärchen, Marshmallows.
Einigermaßen zusammengehalten wird dieser Zick-Zack-Kurs bei Drehbuch und Regie durch die schauspielerische Leistung von Jan Josef Liefers. Auch Heike Makatsch spielt gut. Schade, dass sie in diesem Film so wenig Gelegenheit dazu bekommt.
Vielleicht liegt es daran, dass die literarische Vorlage kein Roman war, sondern eine Sammlung amüsanter Geschichten. Ihre Verfilmung ist eine Reihe mehr oder weniger gelungener Sketche, rund um das Thema Pubertät.