GB/F/I 2006 · 104 min. · FSK: ab 0 Regie: Stephen Frears Drehbuch: Peter Morgan Kamera: Affonso Beato Darsteller: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell, Sylvia Sims, Alex Jennings u.a. |
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Unbeholfener Antrittsbesuch bei der Queen |
Im Londoner Tower läuft seit Jahrzehnten derselbe Film. Er zeigt die Krönung von Elizabeth II. Was dort tagein tagaus in schwarzweißer Endlosschleife läuft, ist nicht nur das Dokument einer Thronbesteigung, sondern vor allem Elizabeths Abdankung von dem größten Teil ihres privaten Lebens. Fortan wird die 27-Jährige in erster Linie und vor allem andern eines sein: eine pflichtbewusste Monarchin.
Stephen Frears Film zeigt die junge Frau von damals 45 Jahre später, am Tiefpunkt ihrer Regentschaft. Lady Di, die Prinzessin des Volkes, wie der frischgebackene Premier Tony Blair die Tote später verklärt, haucht ihr Leben in einem Pariser Krankenhaus aus. Während der Mann mit dem Grinsekatzenlächeln die Tragödie geschickt für die Eigenwerbung vermarktet, schottet sich die königliche Familie ab. Zum einen, weil es unbritisch und vor allem ganz und gar nicht aristokratisch ist, Gefühle öffentlich zur Schau zu stellen. Zum anderen weil sich der Schmerz über den Verlust der Exfrau von Prinz Charles, die mit ihrem privaten Drama schamlos und ganz und gar nicht ladylike in den Medien hausieren ging, wohl tatsächlich in Grenzen hält.
Doch Diana scheint, wie es der Königsgemahl Prinz Philip (herrlich garstig gespielt von Six Feet Under-Darsteller James Cromwell) unverblümt auf den Punkt bringt, im Tod noch mehr Ärger zu machen, als zu Lebzeiten. Während Prinz Philip den nunmehr halbverwaisten Jungs Trauerarbeit in Form einer Jagd in den Highlands verordnet, brodelt es in der britischen Volksseele.
Frears erzählt trefflich, wie die Kluft zwischen Königin und Volk, befeuert vom Mediengewitter, immer größer wird. Da tritt der Zeremonienmeister an die Königin heran, weil das Blumenmeer vor Buckingham Palast bereits die Wachablösung behindert. Gewiss, beseitigen sie die, erklärt die Königin irritiert. Woraufhin der oberste Diener ihr klarmacht, dass er eher an eine Änderung des Reglements bei der Wachablösung denkt.
Und dies ist nur die erst Abweichung vom Protokoll, die die Queen verkraften muss. Während Prinz Philip und Queen Mum noch davon ausgehen, dass Medien und Volk von alleine wieder zur Vernunft kommen werden (und Charles sich hinterrücks Sympathien zu erschachern trachtet), gerät die Königin, bedrängt von ihrem medienwirksamen Premier, ob ihrer altbewährten no comment-Strategie immer mehr ins Zweifeln. Schrittweise durchbricht der Film die starre Fassade der unnahbaren Regentin und zeigt die Frau unter der Krone. Schließlich lässt die Queen nicht nur die Fahne auf dem Buckingham Palast auf Halbmast setzen, sie hält auch eine Trauerrede an das Volk und größter Protokollbruch überhaupt, sie senkt das Haupt als Dianas Sarg vorüberzieht.
Frears mixt dazu Fernsehdokumente und Fiktion zu einem unwiderstehlichen Porträt, das seien Reiz nicht aus er wohlfeilen Dramatik, sondern vor allem aus seiner Situationskomik und Glaubwürdigkeit schöpft. Und so erliegt der Zuschauer schon in den ersten Szenen dem würdevollen Charme der Queen – noch im rosa Plüschmorgenrock absolut königlich verkörpert von Helen Mirren. So wundert es nicht, dass sich schließlich der Premier, zum Missfallen einer ehrgeizigen Ehefrau, letztendlich auf die Seite Ihrer Royal Highness schlägt.
Auch von der Queen selbst scheint der Film mit Humor aufgenommen worden zu sein: Filmcrew sind zumindest zum königlichen Lunch geladen, was einem Ritterschlag gleichkommt. Ob der Film tatsächlich gefallen hat, oder ob dies ein weiterer geschickter Schachzug Ihrer Majestät ist, bleibt ungewiss. Eine Königin der Herzen wird sie, trotz ihrer inzwischen größeren Volksnähe, nicht mehr werden. Eine Ikone ist sie allemal.
Im Londoner Tower jedenfalls kann man neben dem Krönungsfilm auch die Kronjuwelen besichtigen. Um einen Stau zu vermeiden, werden die Besucher auf einem Laufband an ihnen vorbei gekarrt. Doch auch wer nur einen flüchtigen Blick auf die Krone der Queen erhascht, bekommt einen Eindruck davon, wie schwer zu tragen sie sein mag und wie äußerst unbequem