USA 2016 · 124 min. · FSK: ab 0 Regie: Mira Nair Drehbuch: William Wheeler Kamera: Sean Bobbitt Darsteller: Madina Nalwanga, David Oyelowo, Lupita Nyong'o, Martin Kabanza, Taryn "Kay" Kyaze u.a. |
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Engagiertes Feel-Good-Kino |
»Mama? Ist schon mal jemand aus Katwe in die große Stadt gezogen?« – »Denk nicht über sowas nach, Phiona.« – »Wieso nicht?« – »Du wirst enttäuscht werden.«
Mädchen bleib bei Deinen Leisten, träume nicht, bleib bescheiden – das ist die frühe Botschaft, gegen die dieser Film anfilmt. Ein Ermutigungsfilm, ein Erziehungsfilm, unbedingt grundgut gemeint. Jeder kann es schaffen – so klingelt die Ideologie des American Dream inmitten des schlimmsten Afrika.
Aber wann kann es jeder schaffen? Wenn er nur will, wie Margaret Thatcher uns weißmachen wollte. Oder wenn er einfach doppelt ungemeines Glück hat, sowohl durch das Talent,
das er mitbekam, als auch dadurch zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.
Phiona ist erstmal am falschen: Katwe ist ein Slum außerhalb von Kampala, der Hauptstadt des afrikanischen Krisenstaats Uganda. Dort gibt es weder Strom noch fließend Wasser. 50 Prozent der Mütter des Viertels sind im Teenager-Alter. Mitten darin lebt die etwa neun-jährige Phiona Mutesi mit ihren drei Geschwistern und ihrer Mutter, in bitterarmen Verhältnissen, auf engstem Raum, mit Ratten, Hunden und anderen Tieren. Man sammelt gerade das nötigsten Essen auf der Straße und Müll, um damit ein wenig Geld zu machen. Zur Schule gehen können die Kinder nicht, sie sind – selbstverständlich möchte man sagen – Analphabeten.
Dann aber hat das junge Mädchen Glück: Auf der Suche nach einer Schale Haferbrei trifft sie auf Robert Katende, einen Missionar und Sozialarbeiter, der versucht, das Leben der Slumkinder etwas sinnvoller und erfüllender zu machen. Seine Unterrichtsmethode ist Schach, »das Spiel der Könige«. Robert macht ihr ein Angebot: Sie soll etwas zu essen bekommen, aber nur gegen eine Schachlektion. Phiona stimmt zu, auch Hunger, und diese Entscheidung verändert ihr Leben.
Jeden Tag geht
sie nun die über sechs Kilometer zur Schachschule.
Schnell wird sie neugierig auf das Spiel. Denn Schach kann glücklich machen, und Erfolgserlebnisse liefern. Schach bringt einem bei, Probleme zu lösen. Es lehrt Disziplin und festigt den Verstand. Es lehrt, Situationen nüchtern zu beurteilen, Entscheidungen zu treffen, Probleme zu lösen – und schon im Slum hat sie gelernt, nicht so schnell aufzugeben.
Und Robert ist ein inspirierender Lehrer: Im Schach so vermittelt er,
können auch die Kleinen die Größten werden.
Bald wird Phiona immer besser, und irgendwann ist klar, dass das junge Mädchen ein sehr besonderes, phänomenales Talent hat: Sie denkt auch schon mal acht Züge voraus und setzt auch die stärksten Spieler ihrer Heimat Schachmatt! Bald gewann sie wichtige Meisterschaften – heute ist Phiona eine professionelle Schachspielerin, die bereits bei Schach-Olympiaden für ihr Land spielte. Auf Englisch heißt die Figur der Dame übrigens »Queen« – damit bekommt auch der Titel seinen höheren (Doppel-)Sinn.
So ist dies eine Geschichte, die im Prinzip an eines der Märchen aus tausendundeiner Nacht erinnert. Geschrieben aber hat sie das Leben. Die indische Regisseurin Mira Nair, die spätestens seit Monsoon Wedding, mit dem sie 2001 den Goldenen Löwen von Venedig gewann, international bekannt ist, hat schon oft, etwa in ihrem gefeierten Salaam Bombay, märchenhafte Underdog-Geschichten erzählt.
In den Händen Nairs, die mit einer Mischung aus professionellen und Laien-Darstellern gearbeitet hat, wird die Gradlinigkeit in Phionas Geschichte trotzdem ein wenig gebrochen, und der altmodisch-melodramatische Grundton bekommt einige unvorhergesehene Wendungen.
Der Umgang mit der Heldin ist allerdings genau wie der mit dem
Schachspiel verklärend und pathetisch: »Was zählt ist, dass Du auch im Leben die Figuren wieder aufstellst, und einfach weitermachst.« Aber der Film unterstellt nicht, dass das Schachspiel alle Probleme lösen könnte. Nicht ist wirklich überraschend oder herausfordernd an diesem Film. Immerhin jedoch er ist ehrlich und ernsthaft im Umgang mit seinem Sujet.
Mit anderen Worten: Ein engagierter Feel-Good-Film aus dem Hause Disney, der uns eine Heldin präsentiert, die ähnlich wie Schneewittchen oder Aschenputtel oder Bambi ein positives Beispiel setzt, und ganz dem bekannt erz-konservativen Wertekanon des Mouse-House entspricht: Klug, moralisch sauber, frei von Drogen und unangenehmen Eigenschaften, fast zu gut, um echt zu sein – ein Mensch, der nichts falsch macht, und dankbar ist für die Glücksfälle des Schicksals. Phiona geht
inzwischen zur Schule, kann Lesen, Schreiben und Englisch. In Zukunft will sie studieren und – natürlich! – Ärztin werden. Auch ansonsten gibt es Family-Values mit der großen Schöpfkelle: Phionas Mutter ist natürlich eine supertolle Mum, sonst hätte die Tochter das nie geschafft. Eltern-Kind-Konflikte gibts bei Disney nur mit bösen Stiefmüttern.
Insofern ist alles überaus politisch-korrekt. Und wenn man das einmal verstanden hat, und das dauert nicht lang, kann man auch im
Verlauf der Geschichte weit vorausdenken. Anders gesagt: Ganz schön langweilig!