GB/USA 2008 · 106 min. · FSK: ab 12 Regie: Marc Forster Drehbuch: Paul Haggis, Neal Purvis, Robert Wade Kamera: Roberto Schaefer Darsteller: Daniel Craig, Olga Kurylenko, Mathieu Amalric, Judi Dench, Jeffrey Wright u.a. |
||
Sieht Putin ähnlich und macht nichts mehr, was Männern Spaß macht: der neue James Bond |
Bye bye Playboy: Einst war James Bond der berühmteste Chauvi und Imperialist der Welt. Und der Philosoph Umberto Eco schrieb, die Bond-Figur verkörpere »gleichzeitig Spiel und Beschwörung«, das letzte Aufleben des viktorianischen Gentleman-Ideals und das ironische Spiel mit ihm, das Wissen um dessen Zerstörung. Mit Daniel Craig erleben wir nun die Privatisierung und Historisierung der Bond-Figur im Rachedunst.
Als der Burda-Verlag vor ein paar Jahren den Playboy kaufte, gab es nicht nur ein neues Layout. Auch von innen war das ganze Heft von nun an plötzlich geliftet und gesittet, bieder und völlig beliebig. Und das Schlimmste: Man war auch noch stolz darauf. Und die Marketingabteilung in Offenburg schrieb: »Alles, was Männern Spaß macht, bleibt die zentrale Botschaft des Playboy. Das redaktionelle Konzept verkauft neben Träumen einen Lebensstil, den sich jeder Mann leisten kann.« Als ob es nicht zu den Glanzzeiten des Magazins um genau das gegangen war, was sich kaum ein Mann leisten kann. Aber so ist das halt bei Modernisierungen. Der Playboy ist kein Playboy mehr, die SPD keine SPD und nun ergeht es James Bond mit Daniel Craig ein bisschen ähnlich.
Trotzdem: Der allererste spontane Eindruck nach Verlassen des neuen Bond ist gut: Ein unterhaltsamer Film. Kurzweilig, mit viel Action, gut gemacht. Was man erwartet halt. Dann fängt man an, nachzudenken...
Der Titelvorspann ist komplett mißlungen und wirkt wie der Auftakt einer Beziehungskomödie. Die Musik dazu furchtbar. Beides ist bemüht und einfallslos zugleich. Das kann man auch zu Marc Fosters Regie sagen. Trotzdem wird es dann erstmal besser. Schon vorher eine rasante Autoverfolgungsjagd entlang des Gardasees, mit der der Film direkt an die letzten Szenen aus Casino Royale (wo zumindest Titelsequenz und Musik hervorragend waren, und zugleich klug, weil sie die nun folgende narrative Chaostheorie einleiteten) anknüpft: Straße, Tunnel, Straße, Steilhang, Bond hat Blutflecken im Jacket, denn der Film gibt sich ja „realistischer“, als die Vorgänger, plötzlich sind wir in Siena. Der Palio findet gerade statt, und in diesem rituellen Chaos muss 007 nach fünf Minuten einen Ex-Kollegen verfolgen, der die Seiten gewechselt hat.
Die neue Unübersichtlichkeit überwiegt in dem Film, der auch »Der Bourne Trost« heißen könnte, denn britisch ist hier auch nichts mehr, und mit sich selbst hat dieser Bond mindestens genausoviel Probleme, wie der Mann ohne Gedächtnis. Dabei war doch Bond gerade einer mit überaus ausgewogenem Ego, einer, der immerzu perfekt mit sich im Reinen war. Aber dazu später mehr.
Die Rituale und die Pflichtübungen der Bond-Dramaturgie werden genauso – gelangweilt, als Pflichtübung
– abgehakt, die einzige lockere, gute Szene ist jene am Ende der »Tosca«-Aufführung in Bregenz. Auch etwas manieriert geschnitten, wirkt sich doch einmal kurz nicht wie ein Weg von A nach B, sondern wie Selbstzweck, entfaltet jenen Hedonismus, um den es gehen muss. Dann wieder schnelle Schnitte, drei Schauplätze in fünf Minuten, aber ohne Appeal gefilmt, Auftritte und Abtritte von Nebenfiguren.
Um es kurz zu machen: Es geht so weiter bis zum Ende. Hektik, Atemlosigkeit, der
Eindruck, dass dieser Bond für nichts, aber auch gar nichts Zeit hat, überwiegt alles. Vorbei mit dem schönen Agentenleben, Schluss mit lustig. Aber war dieses schöne Agentenleben nicht mal der Grund, sich James-Bond-Filme überhaupt anzugucken?
Und hier müssen wir nun nochmal auf den »Playboy« zurückkommen. Denn James Bond war Playboy-Welt pur, diese Geschichten vom Agent im Geheimdienst ihrer Majestät erfüllten genau jene gleichen Versprechen und bedienten jene selben Bedürfnisse, wie der Playboy unter den Zeitschriften. Sie sollten anregen, aber bitte mit einem gewissen Stil. Über diesen Stil konnte man nun, wie über gewisse Männerbilder auch schon in früheren Dekaden geteilter Meinung sein, aber immerhin gab es sie. Wir geben gern zu, dass Seidenpyjamas, Whirlpools und Unterwasserbars, selbst Wodka-Martinis merkwürdige Vorstellungen vom guten Leben offenbaren, aber immerhin war hier jederzeit klar, dass es um Lust und Luxus ging, und wer möchte schon Jahrgangschampagner, schicke Hotels, exotische Schauplätze oder Sportwagen verachten? Und dann die „Bond-Girls“. Das klingt schon so ähnlich, wie „Playboy-Bunnys“ und so ähnlich sahen sie meistens auch aus. Selbst das AIDS-Zeitalter haben sie überstanden. Aber kümmerliche zwei überlebten den neuen Puritanismus und landeten in diesem Film. Immerhin ist Cosma Shiva Hagen, die sich schon im Playboy auszog, noch kein Bond-Girl, aber trotzdem.
Bond hatte Unterscheidungsvermögen. Er wusste, dass man der Dame die Tür aufhält und was der richtigen Wein zum Essen ist. »Château Pétrus wäre angemessen.« Genau! Bond-Filme waren immer Style pur, Kunst eines Lebens, das den schönen Dingen gewidmet war, Sehnsuchtsversprechen und präzise Reiseführer durch Utopia. Bond war immer eine riesige Illusionsveranstaltung. Er war immer ein Anachronismus, hedonistisch und zynisch, aber auch eine sympathische Figur, weil er, wenn er für die freie Welt gekämpft hat, auch deren Vorteile ausgenutzt und genossen hat. Unter Roger Moore war er nur noch ein lässiger Anzugträger voller Selbstironie, der gar nichts mehr ernst genommen hat, unter Pierce Brosnan wurde er schon neureicher, aber immer noch formulierte er so etwas wie ein Männerideal. Daher das große Unbehagen am neuen Bond. Nein, die beiden Filme mit Daniel Craig sind nicht schlecht. Aber sind sie Bond?
Wir müssen jetzt über Craig reden, und seine Bond-Interpretation. Der blonde, blauäugige britische Schauspieler, erst der sechste Bond-Darsteller überhaupt in der bald 50jährigen Erfolgsgeschichte der Bond-Verfilmungen, die 1962 mit Terence Youngs Dr. No, Sean Connerys erstem Einsatz in der Rolle, begonnen hatte, bewegt sich in seiner Rolle wie ein Hai im Wasser. Will sagen: Er hat aus dem Salonlöwen ein grimmiges, blutrünstiges Raubtier gemacht, er hat ihn entzivilisiert. Statt der perfekte Frauenversteher zu sein, macht er auf lone rider, der immer Wichtigeres zu tun hat, als mit einer Hübschen im Kissen zu knutschen – früher war’s umgekehrt, da wurde erst der Atombusen und dann die Atombombe entschärft, statt perfekt sitzendem Smoking hat er Blut auf dem Jackett. Mag ja sein, wie eilfertige Philologen jetzt versichern, dass das alles aus Originalgeschichten (wer liest sowas?) entlehnt ist, aber das nutzt das ja auch keinem.
Natürlich hat das alles viel mit dem ganzen Rachekomplex zu tun. Denn dieser Blond-Bond mag zwar behaupten »I am motivated by my duty«, doch ist er in erster Linie Diener der eigenen, vermeintlich gerechten Sache. Er will den Tod von Vesper Lind (in Casino Royale) rächen, und in seiner Brutalität reiht er sich schnell ein ins Panoptikum der grossen Rächer, irgendwo zwischen Karl Moor in Schillers Die Räuber und „Mundharmonika“ in .Spiel mir das Lied vom Tod.
An diesem Punkt ist nun ein Blick in Peter Sloterdijks politische Psychologie der Rache (Zorn und Zeit; Suhrkamp 2006) überaus sinnvoll. Denn Sloterdijks hochinteressante Untersuchung weist nach, worum es einem Rächer vor allem geht: Er ist getrieben von verletztem Stolz. Unbewusst bewusst. Klaren Geistes und doch völlig verwirrt. Ein narzisstisch Gekränkter. Auf Bond trifft das in jedem Fall zu. Er ist kein kühler Rächer, Zorn ist vielmehr die energetische
Elementargewalt seiner Seele. Die affektive Triebstruktur, die diesem Bond jenseits einstiger unbeschwerter postmoderner Verantwortungslosigkeit eigen war, bereitete uns bereits darauf vor. Jetzt ist der Zorn ausgebrochen, und Bond wird zum Terrorist der Gefühle. Seine Chefin M ist die einzige, die das im Film begreift: »I think, you are so blinded by inconceivable rage.« „Rage“ sagt sie, Wut, Zorn, nicht etwa „vengeance“.
Tatsächlich gibt es einen Boom
der Rachemotivik im Kino ja schon länger, spätestens seit 9/11 und so erkennt man, dass dieser Bond eben auch eine Amerikanisierung der Figur ist, ein Charakter, wie er nur der Bush-Ära entspringen konnte, als deren Chiffre er einst gelesen werden wird, nicht weniger als die schon jetzt anachronistische US-Botschaft in Berlin.
Unter Daniel Craig wurde der Charakter amerikanisiert: Er steht ständig unter Stress, er hat keine Zeit mehr, weder für Martini, noch für Maßanzüge, und man traut ihm auch nicht zu, dass er einen Jahrgangschampagner erkennen könnte. Lachen darf Bond, einst Charme und Ironie pur, die Verkörperung eines Männerideals, der eben nicht mehr verkrampft im Schützengraben des Ersten Weltkriegs vorstellbar ist, sondern allenfalls als gelangweilter Kolonialoffizier in Burma, gar
nicht mehr. Stattdessen muss er schwitzen und bluten, körperbetont Muskeln zeigen.
Äußerlich und in seinem Alltagsverhalten wäre dieser Mann ein weitaus besserer Bösewicht. Sieht Craig nicht eigentlich sowieso Vladimir Putin verdammt ähnlich? Stattdessen muss er dann irgendwann, nachdem er sich durch die erste halbe Stunde des Films geprügelt hat, plötzlich das Sensibelchen geben; ein hündisches Flehen tritt in seine zuvor nur dumpfen Augen, und er ist politisch korrekt, öko und
für die Armen, aber eben wieder betont, also unlässig. Weitere, wie man so sagt, »Zugeständnisse an den Zeitgeist« sind auch, dass die CIA mit dem Bösen kooperiert, und der einzig gute CIA-Mann dann ein Schwarzer ist. Tja.
Das färbt auch auf seine Gegner ab. Denn auch diesen fehlt jede Vision. Es sind Kriegsgewinnler, Waffenschieber, Terroristen, aber keine Größenwahnsinnigen mehr. Statt um Weltherrschaft geht es um Wasserkriege, statt Francisco Scaramanga, Auric Goldfinger,
Karl Stromberg und Ernst Stavro Blofeld heißt der Schurke Dominic Greene (jaja: Grün!!). Was ist das für ein Name? Früher waren Bond-Schurken schlechte Verlierer, dieser hier ist nur ein ängstlicher Investmentbanker. So realistisch die neuen Feinde sind, sie bleiben blass, sind nicht zu fassen.
Kein Quantum Sex, keine gut geölte Achterbahn – dieser Bond ist 08/15. Man kann das alles ansehen, und auf den nächsten Bond warten, oder den Aufstand der eingefleischten Fans. Vielleicht wird auch der »Playboy« wieder interessant, vielleicht ist aber auch die Zeit einfach vorbei. schade ist’s allemal. Doch »Let’s pretend we will survive« wie es in Tomorrow Never Dies hieß.
Wer etwas über unsere Zeit lernen will, dem empfehlen wir Syriana. Wer sich unterhalten möchte, sollte Burn After Reading und Willkommen bei den Sch'tis angucken; und der dem klassischen Bond am nächsten kommende Film dieses Jahres war sowieso Iron Man – denn und wenn schon Amerikanisierung, dann bitte mit Robert Downey Jr.
Quantum of Solace gehört eher zusammen mit Dark Knight in jene Gruppe von Filmen, in denen Regisseure, die sich selbst überschätzen, so wie ihr Können in der Öffentlichkeit maßlos überschätzt wird, sich darin gefallen, eine eingeführte Figur völlig umzudefinieren, oder gleich links liegen zu lassen – ein Fall von Narzissmus eher, als von Genie. Mit einem »James Bond für unsere Zeit«, wie es natürlich verkauft wird, hat das jedenfalls nichts zu tun. Es ist die pure Verzweiflung.