Deutschland 2022 · 106 min. · FSK: ab 0 Regie: Michael Krummenacher Drehbuchvorlage: Otfried Preußler Drehbuch: Matthias Pacht Kamera: Marc Achenbach Darsteller: Nicholas Ofczarek, Hans Marquardt, Benedikt Jenke, August Diehl, Hedi Kriegeskotte u.a. |
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Heiteres Rätselraten: welchen Hotzenplotz-Jahrgang sehen wir hier? | ||
(Foto: STUDIOCANAL) |
Otfried Preußlers anarachischen Schalk wieder und und wieder aufzulegen, war nie eine schlechte Idee. Denn Preußler hatte ja nicht nur den Witz, sondern immer auch einen Hang zur Melancholie und Düsternis, der sich in seinem Krabat sicherlich am stärksten zeigte. Aber auch Klassiker wie Das kleine Gespenst oder Die kleine Hexe sind davon nie ganz frei, was nicht nur die Bücher, sondern auch die Filme über die normalen Kinderstandards hinaushebt und wohl auch verständlich macht, dass eine Verfilmung nicht ausreicht, sondern es alle paar Jahre eine neue geben darf.
Viel falsch kann man da auch nicht machen, denn Preußlers überbordende Fantasie und so zarte wie deftige Dialoge haben sich nicht auserzählt, sondern machen immer noch Spaß. Auch beim Räuber Hotzenplotz, dessen nun dritte Verfilmung pünktlich vor Weihnachten in die Kinos kommt. Es ist Preußlers vielleicht anarchistischstes Werk, dem man den Erscheinungzeitraum zwischen 1962 und 1973 heute noch ansieht und sich in unseren biederen Zeiten schon wundern darf, wie mutig hier ein Räuber gegen Staat und Spießigkeit vorgehen darf und ihm am Ende dann sogar noch Mitgefühl entgegenschlägt für all die gemeinen Sachen, die er gemacht hat. Schön, dass auch die neue Verfilmung von Michael Krummenacher diesen aufmüpfigen Geist der 1968er bewahrt hat, mehr noch als es ja auch für Preußler eine radikale Abkehr von seinem noch der HJ-Ideologie verpflichteten Debüt »Erntelager Geyer« aus dem Jahr 1944 war.
Doch sieht man den weiten Weg, den Preußler selbst über sein Werk gegangen ist, ist es schon ein wenig irritierend, wie wenig sich die Verfilmungen von Preußlers großem Klassiker von der Stelle bewegt haben. Denn wer die Verfilmungen aus den Jahren 1974 (Der Räuber Hotzenplotz unter der Regie von Gustav Ehmk) und 2006 (Der Räuber Hotzenplotz unter Regie von Gernot Roll) noch vage in Erinnerung hat, dürfte tatsächlich verblüfft oder sogar erschrocken über die Ähnlichkeiten sein. Nicht nur scheinen sich alle Filme aus dem wirklich gleichen Kostümfundus bedient zu haben, sondern sind ganze Dialogpassagen völlig unverändert übernommen worden. Das kann man gerade angesichts der tollen schauspielerischen Leistungen von Nicholas Ofczarek als Räuber Hotzenplotz, August Diehl als Zauberer Petrosilius Zwackelmann und Hedi Kriegeskotte als Großmutter natürlich wie die Deutsche Film- und Medienbewertung mit dem Prädikat »besonders wertvoll« auszeichnen und den Film »als liebevoll-nostalgische Kinderbuch-Adaption und klassischer Kinderfilm, der für die ganze Familie funktioniert« schönreden, aber ist das für pures, einfachstes Epigonentum nicht ein wenig zu hoch gegriffen?
Denn mal ganz um Ernst: im Grunde hat Preußler, der sich immer wieder von neuem erfunden hat, wirklich etwas Besseres verdient als immer wieder die gleiche, alte Leier. Warum sich nicht den pädagogischen Mut nehmen, der Preußler selbst so eigen war, und diesen tollen Hotzenplotz einfach mal seiner märchenhaften Kasperle- und Seppel- und Großmutter-Kulisse entreißen und durch unsere tolle Gegenwart ersetzen? Also weg mit dem Hut und dem ganzen Gedöns und Hotzenplotz als anarchistischen, nein noch besser: als Fridays-for-Future-Letzte-Generation-Hacker-Aktivist neu erfinden, der Seppel und Kasperl mit ins Boot holt, um die Welt zu retten. Denn auch das war und das ist Otfried Preußler.