Deutschland 2007 · 109 min. · FSK: ab 6 Regie: Ingo Rasper Drehbuch: Tom Streuber, Ingo Rasper Kamera: Marc Achenbach Darsteller: Edgar Selge, Florian Bartholomäi, Roman Knizka, Franziska Walser, Traute Hoess u.a. |
||
Pedant und Spiebürger: Edgar Selge als Wolfgang Zenker |
Ein Vorort mit Einfamilienhäusern, Gärtchen und einem Jägerzaun drumherum, irgendwo in der schwäbischen Provinz (gedreht wurde im Umland von Ludwigsburg, an der dortigen Filmakademie Baden-Württemberg haben Regisseur Ingo Rasper und sein Team studiert). Am Samstag wird das Auto gewaschen und gewienert, Familien leben hier mit ihren Kindern, die Männer verdienen das Geld und die Gattinnen haben ausreichend Zeit für regelmäßige Kaffeekränzchen – ein gediegenes, behütetes, ganz normales Milieu, manchmal ein bisschen zu eng vielleicht.
Hier lebt auch Wolfgang Zenker mit Frau und Kind. Sohn Karsten macht gerade Abitur, und Zenkers Ehe hat sich ein bisschen abgenutzt, auch sonst wirkt sein Leben unspektakulär. Er verdient sein Geld als Handelsvertreter für Mode, die sich vornehmlich an ältere Damen »gerne auch mit Problemzonen« richtet. Sensibel und witzig, mit gutem Blick für Details portraitiert Rasper diesen besserwisserischen Pedanten und tyrannischen Spießbürger und seine kleine Welt.
Plötzlich macht ein
jüngerer Kollege (Roman Knizka) mit einer neuen feschen Marke Zenker die Kunden streitig macht, und im Laufe des Films wird Zenker konsequent an seine Grenzen geführt – ein Handelsvertreter am Rande des Nervenzusammenbruchs. Zunächst verliert Zenker den Führerschein, nun muss Sohn Karsten (Florian Bartholomäi) die geplante Spanienreise abblasen und den Vater chauffieren. Im Laufe der Zeit spitzen sich die Konflikte zwischen Vater und Sohn, Mann und Ehefrau zu, Gattin Erika
zieht aus, der Sohn erlebt sein schwules Coming Out und überdies sperrt die Bank Zenkers Konto.
Reine Geschmacksache ist das in Deutschland leider viel zu seltene Beispiel einer geschmackvollendas heißt nicht kindischenund lebensnahen Komödie. Rasper hat viel Humor und einen treffenden, humanen Blick, der sich über die vielen Schwächen seiner Figuren lustig macht, ohne sie je zu verraten. Er übertreibt, aber immer nur soviel, dass man es noch akzeptiert. Nur am Ende wird alles vielleicht etwas zu klamaukig. Insbesondere fällt auf, dass Rasper gute Dialoge schreiben kann, etwa, wenn er das Wirtschaftsdeutsch mit seinem Gerede von »Kundenorientierung« und »Endverbrauchern« aufs Korn nimmt. Gerade weil der Film unspektakulär ist und nicht mehr scheinen will, als er ist, gelingt Reine Geschmacksache mehr, als manch anderem, auch wenn er filmisch nur selten über TV-Ästhetik hinausreicht.
Der wichtigste Trumpf des Films sind aber seine Darsteller. Bis in die Nebenrollen ist Reine Geschmacksache ausgezeichnet besetzt; sowohl Fassbinder-Diva Irm Hermann als auch Jungstars des deutschen Kinos wie Jessica Schwarz und Eva Löbau sind in hübschen Kurzauftritten zu sehen. Einen starken Auftritt hat Franziska Walser als Zenkers Ehefrau Erika, und ein Triumph ist der Film für Edgar Selge, der in diesem Portrait eines lächerlichen Mannes zwar längst nicht alle, aber doch viele Register seines großen komischen Talents ziehen kann. Dass er einmal in einer Kinohauptrolle zu sehen ist war überfällig. Hoffentlich bekommt er bald wieder solch eine Gelegenheit.